Bern, 15. März 2010

EJPD

fed­pol

Nuss­baum­stras­se 29

3003 Bern

Bun­des­ge­setz über Po­li­zei­li­che Auf­ga­ben des Bun­des Po­lAG, ge­mein­sam­te Stel­lung­nah­me der De­mo­kra­ti­schen Ju­ris­tIn­nen Schweiz DJS und des Ver­eins gurn­drech­te.ch - Ver­nehm­las­sungs­frist 15. März 2010

Sehr ge­ehr­te Frau Bun­des­rä­tin

Sehr geehrte Damen und Herren

Wir dan­ken Ih­nen bes­tens für die Ge­le­gen­heit, zum vor­lie­gen­den Ent­wurf des Po­li­zei­auf­ga­ben­ge­set­zes (Po­lAG) Stel­lung neh­men zu kön­nen. Die da­mit an­ge­streb­te Zu­sam­men­fas­sung po­li­zei­li­cher Nor­men auf Bun­des­ebe­ne in ei­nem Ge­setz er­scheint zwar auf den ers­ten Blick als prü­fens­wert, bil­det aber u.E. für sich al­lein kei­nen ge­nü­gen­den Grund für den Er­lass ei­nes sol­chen Ge­set­zes. Zum Ei­nen gibt es durch­aus sach­li­che Grün­de da­für, dass die po­li­zei­li­che Nor­men des Bun­des auf ver­schie­de­ne Er­las­se ver­teilt sind, nach­dem der Bund nur be­grenz­te po­li­zei­li­che Kom­pe­ten­zen hat, die in sehr un­ter­schied­li­chen Zu­sam­men­hän­gen ste­hen. Zu­dem An­de­ren haf­ten schon den be­ste­hen­den Re­ge­lun­gen ei­ni­ge Män­gel an. Die kon­kre­te Vor­la­ge weckt zu­dem in ver­schie­de­ner Hin­sicht schwer­wie­gen­de Be­den­ken. Ins­ge­samt ist der Ent­wurf des­halb aus un­se­rer Sicht klar ab­zu­leh­nen.

Als aus­ser­or­dent­lich be­fremd­lich er­scheint im Üb­ri­gen den Um­stand, dass ein Ge­setz, über des­sen In­halt ei­ne ver­tief­te po­li­ti­sche De­bat­te not­wen­dig wä­re und des­sen Trag­wei­te Ver­fas­sungs­än­de­run­gen be­din­gen wür­de, be­vor der Bund die da­für not­wen­di­gen Kom­pe­ten­zen hat, oh­ne be­son­de­re An­kün­di­gung mit ei­ner Frist von le­dig­lich drei Mo­na­ten in die Ver­nehm­las­sung ge­ge­ben wird.

All­ge­mei­ne Be­mer­kun­gen

Be­trach­tet man sich den Ent­wurf im De­tail, so fin­den sich zahl­rei­che Be­stim­mun­gen, die mit den Grund­rech­ten nicht ver­ein­bar sind oder mit der be­ste­hen­den ver­fas­sungs­recht­li­chen Kom­pe­tenz­ord­nung kol­li­die­ren. Da in der Schweiz auf Bun­des­ebe­ne kei­ne Ver­fas­sungs­ge­richts­bar­keit be­steht, die die abs­trak­te Über­prü­fung von Bun­des­ge­set­zen auf ih­re Kon­for­mi­tät mit der Bun­des­ver­fas­sung er­lau­ben wür­de, ob­liegt es um­so mehr dem Ge­setz­ge­ber, bei der Re­dak­ti­on von Ge­set­zen auf die Ein­hal­tung von hö­he­rem Recht zu ach­ten. Auch der Bun­des­rat und die Bun­des­ver­wal­tung sind den Grund­rech­ten und der ver­fas­sungs­mäs­si­gen Ord­nung ver­pflich­tet und müs­sen bei der Re­dak­ti­on von Ge­set­zes­ent­wür­fen mit der ge­bo­te­nen Sorg­falt vor­ge­hen. Dies muss aus un­se­rer Sicht da­zu füh­ren, dass der vor­lie­gen­de Ent­wurf nicht wei­ter ver­folgt wird, zu­mal die Grün­de, die für den Er­lass des Po­lAG an­ge­führt wer­den, nicht über­zeu­gen.

Der vor­lie­gen­de Ent­wurf ist mit dem An­spruch ver­fasst wor­den, die ver­streu­ten po­li­zei­li­chen Nor­men des Bun­des in ei­nem Ge­setz zu bün­deln. Dies müss­te vor­ab An­lass sein, sich über die Ver­fas­sungs- und Grund­rechts­kon­for­mi­tät der be­ste­hen­den Re­ge­lun­gen Re­chen­schaft ab­zu­le­gen und na­ment­lich auch dar­über, ob die von der Ver­fas­sung vor­ge­ge­be­ne Kom­pe­tenz­ord­nung zwi­schen Bund und Kan­to­nen ein­ge­hal­ten ist. Dar­über hin­aus sol­len mit dem vor­lie­gen­den Ge­setz die po­li­zei­li­chen Kom­pe­ten­zen des Bun­des aus­ge­baut wer­den. Auch hier er­scheint ei­ne Über­prü­fung der Ver­ein­bar­keit mit hö­her­ran­gi­gem Recht als un­ab­ding­bar. Kon­kret hat ei­ne sol­che Über­prü­fung of­fen­sicht­lich we­der in Be­zug auf den Sta­tus quo noch in Be­zug auf die neu vor­ge­se­he­nen Kom­pe­ten­zen statt­ge­fun­den. Die dies­be­züg­li­chen Aus­füh­run­gen im er­läu­tern­den Be­richt las­sen je­den­falls die ge­bo­te­ne Aus­ein­an­der­set­zung mit der Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit des Ent­wurfs ver­mis­sen.

Nach­dem die Kom­pe­ten­zen des Bun­des ei­ner Er­mäch­ti­gung durch die Bun­des­ver­fas­sung selbst be­dür­fen (Art. 3 und 42 BV), stellt sich die Fra­ge, auf wel­che Ver­fas­sungs­be­stim­mun­gen sich die po­li­zei­li­che Tä­tig­keit des Bun­des ab­stüt­zen kann. Im In­gress des Ent­wur­fes wer­den nur we­ni­ge Be­stim­mun­gen der Bun­des­ver­fas­sung an­ge­ru­fen, näm­lich Art. 54 Abs. 1 (aus­wär­ti­ge An­ge­le­gen­hei­ten), 57 Abs. 2 (Ko­or­di­na­ti­on der in­ne­ren Si­cher­heit durch Bund und Kan­to­ne) und 123 Abs. 1 (Ge­setz­ge­bung auf dem Ge­biet des Straf­rechts und Straf­pro­zess­rechts). Zu­sätz­lich wird «die Zu­stän­dig­keit des Bun­des zur Wah­rung der in­ne­ren Si­cher­heit» er­wähnt. Tat­säch­lich hat der Bund im Be­reich der Po­li­zei nur bruch­stück­haf­te Kom­pe­ten­zen. Bei der po­li­zei­li­chen Ge­setz­ge­bung des Bun­des ist so­mit dar­auf zu ach­ten, dass der Bo­den der be­ste­hen­den Kom­pe­ten­zen nicht ver­las­sen wird.

We­nig hilf­reich er­scheint die Er­wäh­nung der in­ne­ren Si­cher­heit. Ein ge­bets­müh­len­haf­tes An­ru­fen der in­ne­ren Si­cher­heit der Schweiz ver­mag kei­ne po­li­zei­li­chen Kom­pe­ten­zen des Bun­des her­bei­zu­füh­ren. Die­ser Be­griff ist in den letz­ten dreis­sig Jah­ren mass­los über­dehnt und über­in­ter­pre­tiert wor­den, in­dem er in Zu­sam­men­hän­gen be­müht wor­den ist, in de­nen die in­ne­re Si­cher­heit der Schweiz ent­we­der gar nicht tan­giert oder bei de­nen die ef­fek­ti­ve Ge­fahr über­zeich­net wor­den ist. Die Dis­kre­panz wird u.a. deut­lich, wenn man sich vor Au­gen hält, wie we­nig An­kla­gen es seit der Ein­füh­rung der Straf­ver­fol­gungs­kom­pe­ten­zen des Bun­des mit der Ef­fi­zi­enz­vor­la­ge (Or­ga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät, Kor­rup­ti­on, Geld­wä­sche­rei und Wirt­schafts­kri­mi­na­li­tät) gab, und dies, ob­schon man fed­pol und Bun­des­an­walt­schaft da­für mit be­trächt­li­chen Mit­teln und Kom­pe­ten­zen aus­ge­stat­tet hat.

In Be­zug auf die vor­ge­se­he­nen Ein­griffs­no­men gilt es zu­dem zu be­den­ken, dass die po­li­zei­li­che Tä­tig­keit mit zahl­rei­chen und oft schwer­wie­gen­den Ein­grif­fen in die Grund­rech­te ver­bun­den ist. Da­bei zeich­net sie sich re­gel­mäs­sig da­durch aus, dass der Ein­griff in die Grund­rech­te un­mit­tel­bar er­folgt, das heisst im Rah­men ei­nes Re­alak­tes bzw. im Be­reich des ver­fü­gungs­frei­en Han­delns. Im grund­rechts­sen­si­blen Teil des po­li­zei­li­chen Han­delns wer­den üb­li­cher­wei­se kei­ne Ver­fü­gun­gen er­las­sen, wor­an sich ge­ge­be­nen­falls ein Rechts­mit­tel­ver­fah­ren mit auf­schie­ben­der Wir­kung an­schliesst, im Rah­men des­sen über die Recht­mäs­sig­keit des Grund­rechts­ein­griffs ent­schie­den wer­den könn­te, be­vor die­ser ef­fek­tiv ein­tritt. Als Re­alakt bzw. als ver­fü­gungs­frei­es Han­deln wirkt das po­li­zei­li­che Han­deln viel­mehr un­mit­tel­bar und löst ei­nen all­fäl­li­gen Grund­rechts­ein­griff für die be­tei­lig­te Per­son in der Re­gel so­fort und un­ab­wend­bar aus.

Dies ge­bie­tet es, an den Wort­laut von po­li­zei­li­chen Nor­men ho­he An­for­de­run­gen zu stel­len. Die­se müs­sen die mög­li­che und not­wen­di­ge Klar­heit auf­wei­sen und so­weit als mög­lich aus sich selbst her­aus ver­ständ­lich sein. Nur so kön­nen die Be­stim­mun­gen ih­ren Zweck, dem han­deln­den Be­am­ten aus­rei­chend kla­re Leit­li­ni­en für sein Han­deln vor­zu­ge­ben, er­fül­len, und nur so bie­ten die Be­stim­mun­gen hin­rei­chend Ge­währ da­für, dass die be­trof­fe­nen Per­so­nen Klar­heit über ih­re Rech­te und Pflich­ten ge­win­nen kön­nen. Wenn der Wort­laut nicht die not­wen­di­ge und mög­li­che Klar­heit und Prä­zi­si­on auf­weist, so ist dies mit dem Ge­bot der Rechts­klar­heit und der Rechts­si­cher­heit (ins­be­son­de­re Vor­aus­seh­bar­keit), das u.a. In Art. 36 Abs. 1 BV ver­an­kert ist, nicht zu ver­ein­ba­ren, das Be­stimmt­heits­ge­bot wird ver­letzt. Schwam­mi­ge und un­kla­re Nor­men kön­nen ih­ren Zweck, dem po­li­zei­li­chen Han­deln kla­re Gren­zen zu set­zen und so un­ge­recht­fer­tig­te Grund­rechts­ein­grif­fe ab­zu­wen­den, nicht er­fül­len.

Zweck des vor­lie­gen­den Ent­wurfs ist ge­mäss dem er­läu­tern­den Be­richt die Auf­he­bung der durch die «Viel­zahl von bun­des­ge­setz­li­chen Ein­zel­nor­men» und Ge­set­zen im Be­reich der Po­li­zei ent­stan­de­nen «Rechts­zer­split­te­rung». Die Zu­sam­men­zie­hung po­li­zei­li­cher Tä­tig­kei­ten des Bun­des im Bun­des­amt für Po­li­zei seit den 90er Jah­ren so­wie die jüngst er­folg­te Aus­la­ge­rung nach­rich­ten­dienst­li­cher Auf­ga­ben oder bes­ser ge­heim­dienst­li­cher Funk­tio­nen ins VBS soll die Er­ar­bei­tung ei­nes um­fas­sen­den Ge­set­zes be­grün­den. Der Ent­wurf des Po­lAG stellt sich so als lo­gi­sche Kon­se­quenz ei­nes recht­li­chen und or­ga­ni­sa­to­ri­schen Pro­zes­ses dar, der sich in den letz­ten zwei Jahr­zehn­ten ab­ge­spielt hat.

Tat­säch­lich be­fan­den sich die dem EJPD an­ge­glie­der­ten Jus­tiz- und Po­li­zei­be­hör­den seit dem Be­richt der PUK-EJPD En­de 1989 in ei­nem per­ma­nen­ten Um­bau­pro­zess, der sich aus­ge­spro­chen chao­tisch ab­spiel­te. Aus­schlag­ge­bend da­für war zu Be­ginn of­fen­kun­dig der Wunsch, be­ste­hen­de Struk­tu­ren po­li­tisch zu ret­ten. Da­nach setz­te ein un­ter mo­di­schen Feind­bil­dern wie «or­ga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät» vor­an­ge­trie­be­ner Aus- und Um­bau ein, der ins­be­son­de­re mit der Schaf­fung von neu­en In­for­ma­ti­ons­sys­te­men und dem Auf­kom­men von neu­en, ins­be­son­de­re ver­deck­ten Er­mitt­lungs­me­tho­den ver­bun­den war. Ten­den­zi­ell voll­zog die Recht­set­zung da­bei nach, was sich auf den Ebe­nen der Or­ga­ni­sa­ti­on, der Er­mitt­lung und der In­for­ma­ti­ons­tech­nik er­eig­ne­te. Sie er­mäch­tig­te, oh­ne Gren­zen zu zie­hen.

Der Po­lAG-Vor­ent­wurf schnei­det die­sen Wild­wuchs aber nicht zu­rück. Ei­ne Re­fle­xi­on auf die ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­gren­zun­gen er­folgt in die­sem Ent­wurf nicht. Das gilt we­der hin­sicht­lich der fö­de­ra­len Struk­tur des schwei­ze­ri­schen Rechts­staats, in der der Bund nur ei­ne sub­si­diä­re Rol­le spie­len darf, noch hin­sicht­lich der Grund­rech­te der Bür­ge­rIn­nen oder der Rol­le der Po­li­zei im Straf­ver­fah­ren. Der VE zieht nicht nur be­ste­hen­de recht­li­che Nor­men zu­sam­men, son­dern führt zu­sätz­lich neue Be­fug­nis­nor­men ein, die er­heb­lich in die Rech­te der Bür­ge­rIn­nen ein­grei­fen und noch da­zu auf Auf­ga­ben ab­ge­stützt wer­den, die dem Bund in die­ser Form nicht zu­ste­hen.

Po­li­zei­recht oh­ne po­li­zei­li­che Auf­ga­ben­klau­sel

Be­zeich­nend ist, dass der Ent­wurf ei­nes Po­li­zei­auf­ga­benge­set­zes oh­ne die grund­le­gen­de po­li­zei­li­che Auf­ga­ben­norm - näm­lich die Ab­wehr von (kon­kre­ten) Ge­fah­ren für die öf­fent­li­che Si­cher­heit und Ord­nung - aus­zu­kom­men meint. Der Be­griff der Ge­fah­ren­ab­wehr be­inhal­tet im tra­di­tio­nel­len li­be­ra­len Po­li­zei­recht, dass po­li­zei­li­che Ein­grif­fe nur in­so­weit er­laubt sind, als sie der un­mit­tel­ba­ren Prä­ven­ti­on von sich be­reits ab­zeich­nen­den Stö­run­gen der öf­fent­li­chen Si­cher­heit und Ord­nung die­nen. Es geht da­bei ge­ra­de nicht um Schä­di­gun­gen po­li­zei­li­cher Schutz­gü­ter, die theo­re­tisch ir­gend­wann in der Zu­kunft mög­lich wä­ren. Der Be­griff der Ge­fah­ren­ab­wehr ver­hin­dert da­mit, dass die Po­li­zei in ei­nem wei­te­ren Vor­feld tä­tig wird und ge­gen Per­so­nen vor­geht, die nicht für die­se be­reits er­kenn­ba­ren Stö­run­gen ver­ant­wort­lich sind. Erst aus die­sem Be­griff er­ge­ben sich die Grund­sät­ze der Ver­hält­nis­mäs­sig­keit, Er­for­der­lich­keit und An­ge­mes­sen­heit po­li­zei­li­cher Mass­nah­men, die für ein rechts­staat­li­che Po­li­zei - und das heisst: für ei­ne, die an die Grund­rech­te ge­bun­den ist - aus­schlag­ge­bend sind. Po­li­zei­li­che Ein­grif­fe er­hal­ten erst durch die dro­hen­de Ge­fahr und ih­re Qua­li­tät ei­ne Mess­lat­te, so­wohl was die zeit­li­che Dring­lich­keit als auch was die Ein­griffs­tie­fe an­be­langt. Sie ist das Drit­te, mit der das po­li­zei­li­che Han­deln ins Ver­hält­nis zu set­zen ist (da­her Ver­hält­nis­mäs­sig­keits­prin­zip). Sie gilt selbst­ver­ständ­lich nicht nur für den en­ge­ren «si­cher­heits­po­li­zei­li­chen» Be­reich, son­dern auch für die Kri­mi­nal­po­li­zei, so­fern sie nicht als Ge­richts­po­li­zei an die im Straf­pro­zess­recht aus­for­mu­lier­te Auf­ga­be der Straf­ver­fol­gung ge­bun­den ist.

Kri­mi­nal­po­li­zei­li­che Auf­ga­ben: Po­li­zei­recht oder Straf­pro­zess­recht?

Der Grund für die­ses Feh­len ist of­fen­sicht­lich. Der Bund hat im Be­reich des ei­gent­li­chen Po­li­zei­rechts nur ein­ge­schränk­te Kom­pe­ten­zen, näm­lich da, wo es um den Schutz von Per­so­nen und Ob­jek­ten der Bun­des­ver­wal­tung, von Bot­schaf­ten etc. geht. In al­len an­de­ren Be­rei­chen ste­hen sei­ne Auf­ga­ben im Zu­sam­men­hang der Straf­ver­fol­gung: Da kom­men ihm ers­tens ori­gi­nä­re Auf­ga­ben zu, so­weit die ent­spre­chen­den Straf­ta­ten der Bun­des­ge­richts­bar­keit un­ter­ste­hen. Zwei­tens nimmt die Bun­des­an­walt­schaft und dem­entspre­chend die Bun­des­kri­mi­nal­po­li­zei in ih­rer Rol­le als Zen­tral­stel­le Er­mitt­lungs­auf­ga­ben in Fäl­len des in­ter­na­tio­na­len oder in­ter­kan­to­na­len Han­dels mit Be­täu­bungs­mit­teln vor. In bei­den Fäl­len un­ter­steht die BKP da­bei der Ver­fah­rens­füh­rung durch die Bun­des­an­walt­schaft. Drit­tens hat der Bund Zu­stän­dig­kei­ten bei der in­ter­na­tio­na­len Rechts­hil­fe in Straf­sa­chen, al­so in Be­zug auf die Straf­ver­fol­gung durch ei­nen an­de­ren Staat. Und vier­tens nimmt er Ko­or­di­na­ti­ons­auf­ga­ben wahr - et­wa bei der Fahn­dung oder durch die Füh­rung von In­for­ma­ti­ons­sys­te­men. Ge­ra­de im Be­reich der ei­ge­nen Straf­ver­fol­gung und der Ko­or­di­na­ti­ons­auf­ga­ben für die Straf­ver­fol­gung der Kan­to­ne hat in den letz­ten zwei Jahr­zehn­ten ein mas­si­ver per­so­nel­ler, or­ga­ni­sa­to­ri­scher und recht­li­cher Aus­bau statt­ge­fun­den, der im VE wie­der ein­mal nicht ei­ner kri­ti­schen Über­prü­fung un­ter­zo­gen wird.

Weil ge­ra­de hier die ei­gent­li­chen po­li­zei­recht­li­chen Kom­pe­ten­zen feh­len, war­tet der VE in Art. 2 Bst. b und den Art. 8 und 9 mit ei­ner völ­lig un­be­stimm­ten Auf­ga­ben-«De­fi­ni­ti­on» des «Er­ken­nens, Be­kämp­fens und Ver­fol­gens» von di­ver­sen De­lik­ten auf, die zwar in ähn­li­cher Form be­reits im Zen­tral­stel­len­ge­setz von 1994 ent­hal­ten war, aber - wenn über­haupt – in den straf­pro­zes­sua­len Be­reich fällt und mit Po­li­zei­recht nichts zu tun hat. Das Ver­fol­gen von Straf­ta­ten, für die der Bund Er­mitt­lungs­kom­pe­ten­zen hat, muss sich de­fi­ni­tiv nach der neu­en bun­des­ein­heit­li­chen Straf­pro­zess­ord­nung rich­ten. Ei­ne Fest­le­gung zu­sätz­li­cher neu­er Be­fug­nis­se ist hier aus­ge­schlos­sen. Da wo fed­pol re­spek­ti­ve die Bun­des­kri­mi­nal­po­li­zei nur die Straf­ver­fol­gung der Kan­to­ne ko­or­di­niert, kann sie selbst kei­ne ei­ge­nen Ein­griffs­be­fug­nis­se be­an­spru­chen. Die­se lie­gen hier bei den Kan­to­nen und rich­ten sich eben­falls nach der StPO. Die BKP hat in die­sem Fall ei­ne pas­si­ve Rol­le ein­zu­neh­men. Al­len­falls kann sie die Po­li­zei- und Un­ter­su­chungs­be­hör­den der Kan­to­ne durch das Vor­hal­ten und Aus­wer­ten so­wie den Aus­tausch von In­for­ma­tio­nen un­ter­stüt­zen. In­so­fern sind hier kla­re da­ten­schutz­recht­li­che Re­geln ge­fragt, die das in­for­ma­tio­nel­le Han­deln be­gren­zen, statt wie bis­her Blan­ko-Voll­mach­ten aus­zu­stel­len. Ei­ne an­ders ge­ar­te­te «Er­ken­nung» von Straf­ta­ten kann es nicht ge­ben.

Wor­in die über die Straf­ver­fol­gung hin­aus­ge­hen­de «Be­kämp­fung» von Straf­ta­ten be­ste­hen soll­te, ist nicht er­sicht­lich. Auch aus ihr kön­nen da­her kei­ne ei­gen­stän­di­gen Be­fug­nis­se zur In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung ab­ge­lei­tet wer­den. Für das ge­sam­te 2. Ka­pi­tel im drit­ten Teil gibt es da­her kei­ne Grund­la­ge.

Der im Ent­wurf ge­wähl­te An­satz führt im Er­geb­nis da­zu, dass die von der Ver­fas­sung vor­ge­ge­be­ne Kom­pe­tenz­ord­nung im Po­li­zei­be­reich voll­ends aus den An­geln ge­ho­ben wird. An­statt sich dar­auf zu­rück­zu­be­sin­nen, wel­che po­li­zei­li­chen Kom­pe­ten­zen der Bund ei­gent­lich hat, wer­den Be­fug­nis­se, die sich in be­ste­hen­den Ge­set­zen fin­den, über­nom­men und aus­ge­dehnt. Ab­ge­se­hen vom Per­so­nen- und Ob­jekt­schutz müss­te sich die po­li­zei­li­che Tä­tig­keit des Bun­des ent­we­der im Rah­men der Straf­ver­fol­gung ab­spie­len oder der blos­sen Ko­or­di­na­ti­on die­nen. Zwar bil­den die Straf­ver­fol­gungs­kom­pe­ten­zen und Ko­or­di­na­ti­ons­auf­ga­ben des Bun­des den Aus­gangs­punkt der im Po­lAG vor­ge­se­he­nen Be­fug­nis­se. Die­se Be­fug­nis­se füh­ren die Tä­tig­keit des fed­pol bzw. der Bun­des­kri­mi­nal­po­li­zei aber weit über den Rah­men ei­nes Straf­ver­fah­rens oder ei­ner ko­or­di­nie­ren­den Tä­tig­keit hin­aus. Auch der Rah­men der Po­li­zei­tä­tig­keit als Ab­wehr von kon­kre­ten Ge­fah­ren für die öf­fent­li­che Si­cher­heit und Ord­nung wird ge­sprengt. Im Er­geb­nis sol­len schwer­wie­gen­de Grund­rechts­ein­grif­fe er­laubt wer­den, de­ren Recht­fer­ti­gung kaum über­prüf­bar ist, nicht zu­letzt, weil sie statt­fin­den, oh­ne dass ei­ne kon­kre­te Ge­fahr für po­li­zei­li­che Gü­ter aus­zu­ma­chen wä­re und oh­ne dass ein kon­kre­ter Ver­dacht auf ei­ne straf­ba­re Hand­lung vor­liegt. Ein sol­ches Kon­zept ist dar­auf an­ge­legt, Grund­rechts­ver­let­zun­gen zu er­mög­li­chen und ist im Rah­men der be­ste­hen­den ver­fas­sungs­mäs­si­gen Ord­nung nicht zu recht­fer­ti­gen.

Die im Ent­wurf vor­ge­se­he­nen Kom­pe­ten­zen wä­ren mit zahl­rei­chen Ein­grif­fen in Grund­rech­te ver­bun­den. Die Über­wa­chungs­kom­pe­ten­zen tan­gie­ren die per­sön­li­che Frei­heit und die in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung, den Schutz der Pri­vat­sphä­re, aber auch po­li­ti­sche Grund­rech­te wie die Mei­nungs-, Ver­samm­lungs- und Ko­ali­ti­ons­frei­heit und die Glau­bens­und Ge­wis­sens­frei­heit. Eben­falls tan­giert sind die Ei­gen­tums­ga­ran­tie und die Wirt­schafts­frei­heit. Spe­zi­ell die Ak­ti­vi­tä­ten des fed­pol in den Be­rei­chen Or­ga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät, Geld­wä­sche­rei und Wirt­schafts­kri­mi­na­li­tät zie­len di­rekt auf die wirt­schaft­li­che Be­tä­ti­gung der Be­trof­fe­nen. Bei­spie­le aus der Ver­gan­gen­heit - et­wa der Fall des Pri­vat­ban­kiers Os­kar Ho­len­we­ger - zei­gen, dass die Ak­ti­vi­tä­ten von fed­pol und Bun­des­an­walt­schaft in die­sen Be­rei­chen exis­tenz­be­dro­hen­de, ja exis­tenz­ver­nich­ten­de Wir­kung ha­ben kön­nen, und zwar un­ab­hän­gig da­von, ob es schliess­lich zu ei­ner An­kla­ge oder ei­ner Ver­ur­tei­lung kommt oder nicht. Be­trof­fen sind fer­ner die Un­schulds­ver­mu­tung und da­ten­schutz­recht­li­che Grund­sät­ze, wo­bei sich Da­ten­schutz nicht dar­in er­schöpft, dass für die Da­ten­be­ar­bei­tung ei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge ge­schaf­fen wer­den muss. Zu be­ach­ten sind auch wei­te­re Grund­sät­ze des Da­ten­schut­zes wie die Ver­hält­nis­mäs­sig­keit, der Grund­satz von Treu und Glau­ben und die Zweck­bin­dung von Da­ten (Art. 4 DSG). Wür­de der vor­ge­se­he­ne Ent­wurf in Kraft ge­setzt, wä­ren mas­sen­haf­te Grund­rechts­ver­let­zun­gen nicht zu ver­mei­den. Dies ei­ner­seits, weil er sich als An­samm­lung von über­bor­den­den und oft kon­tur­lo­sen Nor­men prä­sen­tiert, die in der Pra­xis ei­ne Er­mäch­ti­gung der Po­li­zei dar­stellt, oh­ne de­ren Tä­tig­keit wirk­sam zu be­gren­zen. An­de­rer­seits ha­ben die Be­trof­fe­nen kei­ne ge­nü­gen­de Hand­ha­be, um sich ge­gen die Ein­grif­fe in ih­re Grund­rech­te zur Wehr zu set­zen. Es fehlt an wirk­sa­men Rechts­mit­teln, sei es, weil es sol­che nicht gibt, sei es, weil sie erst grei­fen, wenn der Scha­den schon an­ge­rich­tet ist. Oft wer­den die Be­trof­fe­nen zu­dem gar kei­ne Kennt­nis vom po­li­zei­li­chen Han­deln er­lan­gen. In Be­zug auf den Da­ten­schutz ent­fernt sich der vor­lie­gen­de Ent­wurf im An­satz der­art weit von den in Art. 4 DSG vor­ge­se­he­nen Grund­sät­zen, dass die­se in der Pra­xis kei­ne Be­deu­tung mehr hät­ten und de­ren Ein­hal­tung im Üb­ri­gen auch kaum über­prüft wer­den könn­te.

In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung und ver­deck­te Er­mitt­lungs­me­tho­den

Das ge­nann­te Ka­pi­tel In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung zeigt deut­lich, dass die Ver­fas­ser des Ent­wurfs kei­ne Über­prü­fung der Ent­wick­lung der letz­ten bei­den Jahr­zehn­te wol­len. Spä­tes­tens nach der Aus­glie­de­rung des DAP aus dem fed­pol ins VBS wä­ren die in Art. 12 vor­ge­se­he­nen Mit­tel der In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung neu zu über­den­ken. Sie stam­men wie auch die um­fas­sen­den In­for­ma­ti­ons­pflich­ten an­de­rer Be­hör­den im We­sent­li­chen noch aus dem ur­sprüng­li­chen Zen­tral­stel­len­ge­setz und wa­ren dar­in par­al­lel zum Bun­des­ge­setz über Mass­nah­men zur Wah­rung der In­ne­ren Si­cher­heit an­ge­legt, für das die Bot­schaft zwei Mo­na­te spä­ter vor­ge­legt wur­de. Skiz­ziert wur­de mit dem ZentG letzt­lich nicht ei­ne Be­hör­de der po­li­zei­li­chen Straf­ver­fol­gung des Bun­des oder ei­ne, die Ko­or­di­na­ti­ons- und Ko­ope­ra­ti­ons­auf ga­ben für die straf­ver­fol­ge­ri­sche Tä­tig­keit der Kan­to­ne vor­nimmt, son­dern ei­ne Art kri­mi­nal­po­li­zei­li­cher Ge­heim­dienst.

Die­ser Geist prägt auch die in den Ar­ti­keln 13 ff. neu ent­hal­te­nen ver­deck­ten Me­tho­den. Die­se ent­spre­chen im We­sent­li­chen je­nen, die im Ent­wurf zur Ver­schär­fung des BWIS für den In­lands­ge­heim­dienst vor­ge­se­hen wa­ren («BWIS II»). Die Schweiz hät­te da­mit drei Rechts­quel­len für «ver­deck­te» Me­tho­den: ei­ne ge­heim­dienst­li­che (BWIS), ei­ne - wie oben ge­sagt - schein­bar po­li­zei­recht­li­che nach dem Po­lAG und ei­ne drit­te für den Be­reich der Straf­ver­fol­gung, die sich heu­te aus dem Bun­des­ge­setz über ver­deck­te Er­mitt­lun­gen (BvE) er­gibt und in der StPO ein­ge­grenzt wur­de. Letz­te­re be­schränkt sich bis­her auf den Ein­satz von «Ver­deck­ten Er­mitt­lern», das heisst auf Po­li­zei­be­am­te oder tem­po­rär von der Po­li­zei an­ge­stell­te Per­so­nen, die un­ter ei­ner Le­gen­de an Rechts­ge­schäf­ten teil­neh­men.

Schon die­se heu­te gel­ten­de Rechts­grund­la­ge zeigt ei­ne deut­li­che Schief­la­ge: Sie be­zieht sich prak­tisch auf ei­nen Be­reich der Straf­ver­fol­gung, bei der die Kri­mi­na­li­sie­rung des Vor­fel­des wie et­wa beim Art. 260­ter StGB schon in den straf­recht­li­chen Nor­men selbst an­ge­legt ist. Im­mer­hin sieht das BvE noch ei­ne Ge­neh­mi­gungs­pflicht des Ein­sat­zes Ver­deck­ter Er­mitt­ler im Straf­ver­fah­ren durch ei­ne rich­ter­li­che Be­hör­de vor, de­ren prak­ti­sche Kon­troll­mög­lich­kei­ten, wie die Er­fah­rung zeigt, al­ler­dings be­grenzt ist. Auf den Ein­satz von «In­for­man­ten» und «Ver­trau­ens­per­so­nen» hat man im BvE und in der StPO ver­zich­tet. Wie der Fall des ver­ur­teil­ten Dro­gen­händ­lers Ra­mos zeigt, hiess das kei­nes­wegs, dass Bun­des­an­walt­schaft und BKP auf die Hil­fe sol­cher not­wen­di­ger­wei­se du­bio­ser Ge­stal­ten ver­zich­tet hät­te. Die­se sind prak­tisch bei je­dem Ein­satz ei­nes Ver­deck­ten Er­mitt­lers mit­ge­dacht, weil sie in der Re­gel not­wen­dig sind, um den le­gen­dier­ten Po­li­zei­be­am­ten in die je­wei­li­ge Sze­ne ein­zu­füh­ren oder an die Ziel­per­son her­an­zu­spie­len. Be­zeich­nen­der­wei­se ver­zich­tet der VE auch an die­sem Punkt dar­auf, die bis­he­ri­ge Tä­tig­keit der Spe­zi­al­dienst­stel­le für ver­deck­te Er­mitt­lun­gen der BKP auch nur zu er­wäh­nen. Das glei­che gilt im Üb­ri­gen auch für die Ob­ser­va­ti­ons­teams der BKP, von de­nen man bei der Dis­kus­si­on ei­ner ent­spre­chen­den Rechts­grund­la­ge ger­ne wüss­te, wie oft und für wel­che Zwe­cke sie ein­ge­setzt wur­den und wie lan­ge die­se Ob­ser­va­tio­nen ge­dau­ert ha­ben.

Die vor­ge­schla­ge­nen Be­fug­nis­nor­men für län­ger­fris­ti­ge und ge­ziel­te Ob­ser­va­tio­nen und den Ein­satz tech­ni­scher Mit­tel so­wie für pri­va­te po­li­zei­li­che Spit­zel sol­len an die Auf­ga­be der «Er­ken­nung und Be­kämp­fung des or­ga­ni­sier­ten und in­ter­na­tio­nal tä­ti­gen Ver­bre­chens» ge­knüpft wer­den. Das be­deu­tet, dass sie noch im Vor­feld des straf­recht­li­chen Vor­fel­des an­ge­sie­delt wä­ren. Wo die­ses Vor­feld be­ginnt und wo es in ein Straf­ver­fah­ren mün­det, ent­schei­det die Po­li­zei selbst.

Statt von Vor­fel­der­mitt­lun­gen re­det der er­läu­tern­de Be­richt von «Struk­tur­er­mitt­lun­gen». Die­ses Zau­ber­wort kann je­doch nicht dar­über hin­weg täu­schen, dass hier ge­ziel­te Ein­grif­fe ge­gen Per­so­nen vor­ge­nom­men wer­den, ge­gen die ein Straf­tat­ver­dacht (noch) nicht exis­tiert. Die Fol­ge der hier vor­ge­schla­ge­nen Re­ge­lun­gen wä­re, dass für Be­schul­dig­te ei­ner Straf­tat ein hö­he­res Schutz­ni­veau gilt als für Nicht-Be­schul­dig­te.

Wäh­rend die Ob­ser­va­ti­on nach Art. 282 StPO im­mer­hin an ein Er­mitt­lungs­ver­fah­ren und an das Vor­lie­gen «kon­kre­ter An­halts­punk­te» für ein vor­aus­ge­gan­ge­nes Ver­ge­hen oder Ver­bre­chen ge­bun­den ist, kann der VE, ge­ra­de weil sich die Po­li­zei hier im Vor­feld be­wegt, kei­ne Ein­griffs­vor­aus­set­zun­gen be­nen­nen. Viel­mehr steht die Ziel­per­son oh­ne ei­nen kon­kre­ten Ver­dacht min­des­tens ei­nen Mo­nat lang un­ter ei­ner in­ten­si­ven Be­ob­ach­tung, bei der all ih­re Le­bens­äus­se­run­gen, so­fern sie sich nicht in pri­va­ten Räu­men ab­spie­len, fest­ge­hal­ten wer­den kön­nen - in­klu­si­ve des ge­spro­che­nen Wor­tes. Die­se Über­wa­chung spielt sich zwar im öf­fent­lich zu­gäng­li­chen Raum ab, wo­zu aber bei­spiels­wei­se auch Knei­pen und Re­stau­rants ge­hö­ren. Ver­trau­li­che Ge­sprä­che an sol­chen Or­ten könn­ten so­mit ab­ge­hört wer­den. Wenn die­se al­so kei­nes­wegs harm­lo­se «Be­ob­ach­tung» ei­nen Mo­nat lang kei­ne Er­geb­nis­se ge­bracht hat, soll sie nicht et­wa ab­ge­bro­chen wer­den, son­dern wie­der­um durch ei­ne po­li­zei­li­che In­stanz, näm­lich den fed­pol-Di­rek­tor ver­län­gert wer­den kön­nen - je­weils um ei­nen Mo­nat, was be­deu­tet, dass sie letzt­lich auf un­be­stimm­te Zeit fort­ge­setzt wer­den kann. Auch das «Er­geb­nis», das nur in ei­nem ver­dich­te­ten Tat­ver­dacht be­ste­hen kann, be­deu­tet nicht das En­de der Ob­ser­va­ti­on, son­dern er­mäch­tigt die Po­li­zei – bzw. nach ei­nem wei­te­ren Mo­nat die Staats­an­walt­schaft - zur Fort­set­zung der Ope­ra­ti­on, nun­mehr als straf­pro­zes­sua­le Zwangs­mass­nah­me nach der StPO.

Noch we­ni­ger wird das Ver­hält­nis zum Straf­ver­fah­ren beim Ein­satz von «Pri­vat­per­so­nen» re­flek­tiert. Die­se müs­sen selbst in ei­ne kri­mi­nel­le Sze­ne ver­strickt sein, um als In­for­man­ten Aus­kunft ge­ben oder als V-Leu­te In­for­ma­tio­nen ak­tiv be­schaf­fen zu kön­nen. Das all­ge­mei­ne Ver­bot, Straf­ta­ten zu be­ge­hen oder sie zu pro­vo­zie­ren, wird im­mer ei­ne heik­le Grat­wan­de­rung dar­stel­len. Dass sol­che Pri­vat­per­so­nen auch über den in Art. 17 VE an­ge­bo­te­nen Ju­das­lohn hin­aus ei­ge­ne In­ter­es­sen ver­fol­gen könn­ten, scheint den Ver­fas­sern des Ent­wurfs gar nicht in den Sinn zu kom­men. Dass der Ein­satz von sol­chen zwie­lich­ti­gen Fi­gu­ren im Straf­ver­fah­ren ge­fähr­lich ist, ist hin­läng­lich be­kannt. Nicht um­sonst hat man im BvE (und da­nach in der StPO) auf ei­ne Nor­mie­rung ver­zich­tet und den An­schein der Se­rio­si­tät ver­deck­ter Er­mitt­lun­gen durch die aus­schliess­li­che Re­ge­lung des Ein­sat­zes von Po­li­zei­be­am­ten oder -an­ge­stell­ten als Ver­deck­te Er­mitt­ler zu wah­ren ver­sucht.

Der Ver­such, «In­for­man­ten» und «V-Per­so­nen» statt­des­sen im Vor­feld straf­recht­li­cher Er­mitt­lun­gen zu nor­mie­ren, muss not­wen­di­ger­wei­se in ei­ner schie­fen und un­ge­nau­en Re­ge­lung re­sul­tie­ren: Wie im Fal­le der Ob­ser­va­ti­on kön­nen auch hier Ein­griffs­vor­aus­set­zun­gen letzt­lich nicht be­nannt wer­den. Der Ver­weis dar­auf, dass an­de­re Mass­nah­men der In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung aus­sichts­los oder un­ver­hält­nis­mäs­sig er­schwert sein müs­sen, ist ei­ne Leer­for­mel, weil das Ziel der In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung nicht be­nannt ist. Dies ist um­so gra­vie­ren­der, als der Ein­satz der V-Per­son ge­zielt er­folgt.

Die Über­gän­ge zu straf­recht­li­chen Er­mitt­lun­gen sind auch hier flies­send. Der er­läu­tern­de Be­richt re­det hier be­schwich­ti­gend von ei­nem «ge­wis­sen Span­nungs­feld» zu den Rech­ten der Ver­tei­di­gung im Straf­pro­zess, will aber den­noch nicht dar­auf ver­zich­ten, den Spit­zeln Ver­trau­lich­keit zu­zu­si­chern. Im Er­geb­nis läuft das dar­auf hin­aus, dass ent­we­der die durch die V-Per­son be­schaff­ten In­for­ma­tio­nen für das spä­te­re Ver­fah­ren so auf­be­rei­tet wer­den, dass ihr Ein­satz nicht mehr er­kenn­bar ist, oder dass an­stel­le des Spit­zels sei­ne Füh­rungs­per­son im Straf­ver­fah­ren als Zeu­ge auf­tritt. Bei­de Lö­sun­gen sind für ein fai­res Straf­ver­fah­ren in­ak­zep­ta­bel.

Den Ein­satz von Ver­deck­ten Er­mitt­lern will der VE zwar auf die ge­richts­po­li­zei­li­che Tä­tig­keit der BKP be­gren­zen, al­ler­dings strebt er die Wie­der­ein­füh­rung ei­nes zwei­stu­fi­gen Ver­fah­rens an, das in der StPO aus­drück­lich ab­ge­schafft wur­de. In der Bot­schaft zur StPO (un­ter Nr. 2.​5.​8.​5) heisst es da­zu: «Im Un­ter­schied zum BvE un­ter­schei­det die Straf­pro­zess­ord­nung nicht zwi­schen zwei Pha­sen der ver­deck­ten Er­mitt­lung: je­ner im Straf­ver­fah­ren (Art. 14 ff. BVE) und je­ner in der Pha­se, in wel­cher die Ver­fah­rens­lei­tung noch nicht bei den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den liegt.» Die Re­ge­lung des BvE sei «wi­der­sprüch­lich», weil sie in die­ser ers­ten Pha­se «da­von aus­geht, dass ei­ne Ka­ta­log­tat ab­zu­klä­ren ist. Dies setzt je­doch den Ver­dacht auf ei­ne Ka­ta­log­tat vor­aus, was gleich­zei­tig die Vor­aus­set­zung für die Er­öff­nung ei­nes Straf­ver­fah­rens ist. An­ders aus­ge­drückt: Sind die Vor­aus­set­zun­gen für die ver­deck­te Er­mitt­lung vor ei­nem Straf­ver­fah­ren er­füllt, so sind auch die Vor­aus­set­zun­gen er­füllt, dass ein Straf­ver­fah­ren zu er­öff­nen ist. Für die Pha­se der ver­deck­ten Er­mitt­lung vor ei­nem Straf­ver­fah­ren … bleibt so­mit ge­nau be­se­hen kein Platz.»

Um den­noch die­se Vor­feld­pha­se wie­der ein­füh­ren zu kön­nen, be­dient sich der VE ei­ni­ger Kunst­grif­fe: Aus dem Ein­satz vor dem Straf­ver­fah­ren wird ei­ne «vor­be­rei­ten­de Le­gen­die­rung». Der De­likt­ka­ta­log wird nicht mehr aus­drück­lich zi­tiert, er ist nur noch in dem zi­tier­ten Ar­ti­kel der StPO ent­hal­ten, aber im VE nicht mehr di­rekt er­kenn­bar. Und die rich­ter­li­che Ge­neh­mi­gung nach Art. 7 BvE wird er­setzt durch ei­ne Er­nen­nung durch den fed­pol-Di­rek­tor. Von der Le­gen­de dür­fe aber vor der rich­ter­li­chen Ge­neh­mi­gung kein Ge­brauch ge­macht wer­den.

Zur Be­grün­dung ver­weist der er­läu­tern­de Be­richt ei­ner­seits ein­mal mehr auf die «Struk­tur­er­mitt­lun­gen» und zum an­dern auf die Zeit, die für ei­ne glaub­wür­di­ge Aus­stat­tung der Le­gen­de er­for­der­lich sei. Prak­tisch heisst das aber nichts an­de­res, als dass der Ver­deck­te Er­mitt­ler ge­gen­über dem Kreis der Ziel­per­so­nen auf­ge­baut wer­den soll. Er muss sich da­für be­reits in der Sze­ne tum­meln, sich ent­spre­chend prä­sen­tie­ren und Kon­tak­te her­stel­len. Ge­brauch von der Le­gen­de macht er in die­ser Pha­se nur in­so­fern noch nicht, als er noch kei­ne Schein­ge­schäf­te ein­geht.

Si­cher­heits­po­li­zei­li­che Auf­ga­ben und Be­fug­nis­se

Im Un­ter­schied zur be­wusst un­schar­fen De­fi­ni­ti­on der «kri­mi­nal­po­li­zei­li­chen» scheint je­ne der si­cher­heits­po­li­zei­li­chen Auf­ga­ben ver­gleichs­wei­se klar. In Art. 2 Bst. b nimmt der VE hier tat­säch­lich auf die po­li­zei­li­che Auf­ga­ben­ge­ne­ral­klau­sel Be­zug.

Die an die­se Auf­ga­be ge­knüpf­ten Be­fug­nis­se schies­sen je­doch weit über die Ge­fah­ren­ab­wehr hin­aus. Dies zeigt sich zu­nächst an der in Art. 7 fest­ge­hal­te­nen Vi­deo­über­wa­chung. Ei­ne sol­che Über­wa­chung be­zieht nicht nur Stö­rer ein, son­dern je­de Per­son, die sich an ei­nem sol­chen Ort auf­hält. Im Min­des­ten muss die­se Über­wa­chung of­fen er­fol­gen, das heisst: aus­ge­schil­dert sein. Ei­ne Über­wa­chung, die der Ab­wehr von Ge­fah­ren die­nen soll, macht nur Sinn, wenn die Mo­ni­to­re be­setzt sind und et­wai­ge Ge­fah­ren so­fort er­kenn­bar sind. Ei­ne Auf­be­wah­rung der Auf­zeich­nun­gen für zwei Wo­chen dient nicht mehr der Ge­fah­ren­ab­wehr.

Dar­über hin­aus soll sich die Über­wa­chung nicht nur auf die un­mit­tel­bar zu schüt­zen­den Ge­bäu­de be­zie­hen, son­dern auch auf die all­ge­mein zu­gäng­li­chen Or­te im Um­feld. Für die­ses Um­feld sind je­doch die Kan­to­ne, und nicht der Bund zu­stän­dig. Hier gilt kan­to­na­les Recht. Der Bund hat hier kei­ne Recht­set­zungs­kom­pe­ten­zen.

Zu be­to­nen ist im Zu­sam­men­hang mit dem öf­fent­li­chen In­ter­es­se an po­li­zei­li­chen Über­wa­chungs­mass­nah­men, dass die Ef­fi­zi­enz sol­cher Mass­nah­men frag­lich er­scheint. Die­sen Schluss le­gen je­den­falls Stu­di­en, die die Ef­fi­zi­enz von Vi­deo­über­wa­chung und Auf­zeich­nung von Vi­deo­über­wa­chung hät­ten be­le­gen sol­len, na­he, da ins­ge­samt kaum si­gni­fi­kan­te Wir­kun­gen aus­zu­ma­chen wa­ren. Die Wirk­sam­keit von Über­wa­chungs­mass­nah­men wird im All­ge­mei­nen stark über­schätzt bzw. man geht von ei­ner Wirk­sam­keit aus, die sich bei nä­he­rer Be­trach­tung nicht er­här­ten lässt.

Dass hier der Be­reich der Ge­fah­ren­ab­wehr weit über­schrit­ten wird, zeigt sich um­so deut­li­cher bei den «si­cher­heits­po­li­zei­li­chen» In­for­ma­ti­ons­sys­te­men. Sie­he un­se­re Be­mer­kun­gen un­ten.

Ver­wal­tungs­po­li­zei­li­che Mass­nah­men

Ge­walt­pro­pa­gan­da (Art. 23)

Auf die in Ar­ti­kel 23 vor­ge­se­he­ne Be­fug­nis zur Si­cher­stel­lung und Be­schlag­nah­me von so ge­nann­ter Ge­walt­pro­pa­gan­da jen­seits von Straf- und Er­mitt­lungs­ver­fah­ren ist zu ver­zich­ten. Der Ar­ti­kel über­nimmt die seit 2007 in Art. 13a BWIS ent­hal­te­ne Re­ge­lung. Da­bei han­del­te es sich letzt­lich um die Wie­der­ein­füh­rung des Bun­des­rats­be­schlus­ses über staats­ge­fähr­li­che Pro­pa­gan­da aus dem Jah­re 1948, al­so aus der Hoch­pha­se des Kal­ten Krie­ges. Die­ser Be­schluss war 1998 - kurz vor In­kraft­tre­ten des BWIS - auf­ge­ho­ben wor­den. DJS und grund­rech­te.ch ha­ben schon bei der Ein­füh­rung die­ser Be­stim­mung dar­auf hin­ge­wie­sen, dass ei­ne Ein­zie­hung von Pro­pa­gan­da­ma­te­ri­al resp. ei­ne Lö­schung oder Sper­rung von Web­sites nur dann ge­recht­fer­tigt ist, wenn sie im Rah­men ei­nes Straf­ver­fah­rens er­folgt. Das Straf­ver­fah­ren bie­tet zum ei­nen die aus rechts­staat­li­chen und de­mo­kra­ti­schen Grün­den not­wen­di­ge Mög­lich­keit ei­ner Ver­tei­di­gung und kann zu­dem, weil es im Ge­gen­satz zu der hier vor­ge­se­he­nen Mi­schung aus ver­wal­tungs­po­li­zei­li­chem und nach­rich­ten­dienst­li­chem Vor­ge­hen öf­fent­lich statt­fin­det, zu ei­ner ge­sell­schaft­li­chen Äch­tung bei­spiels­wei­se ras­sis­ti­scher Ideo­lo­gi­en bei­tra­gen.

Mass­nah­men ge­gen Ge­walt an­läss­lich von Sport­ver­an­stal­tun­gen: Ein­rei­se­ver­bot und Aus­rei­se­be­schrän­kung (Art. 24 und 25). Es ist nicht Sa­che des Bun­des, in die­sem Be­reich Mass­nah­men zu tref­fen. Es er­staunt, dass sich der­ar­ti­ge Be­stim­mun­gen im Ent­wurf fin­den, zu­mal die feh­len­de Kom­pe­tenz des Bun­des in die­sem Be­reich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren aus­gie­big de­bat­tiert wor­den ist: Mit Blick auf die EU­RO 08 wur­den im Schnell­ver­fah­ren Mass­nah­men ge­gen den «Hoo­li­ga­nis­mus» ver­ab­schie­det (BWIS I), wo­bei nicht in Ab­re­de ge­stellt wur­de, dass der Bund für die­se Auf­ga­be kei­ne Kom­pe­ten­zen hat. Mitt­ler­wei­le hat man die ent­spre­chen­den Be­stim­mun­gen im BWIS weit­ge­hend wie­der ab­ge­schafft, um sie durch ei­ne Kon­kor­dats­lö­sung zu er­set­zen. Die­sen Weg muss man aber nun vom Bund her zu En­de ge­hen und den ver­fas­sungs­mäs­si­gen Zu­stand voll­stän­dig wie­der­her­stel­len. Da­mit muss auf Bun­des­ebe­ne kon­se­quen­ter­wei­se gänz­lich auf Mass­nah­men ge­gen Ge­walt an­läss­lich von Sport­ver­an­stal­tun­gen ver­zich­tet wer­den. Dies gilt um­so mehr, als sich die­se Mass­nah­men nicht nur ge­gen Per­so­nen rich­ten sol­len, die ein­schlä­gig straf­recht­lich ver­ur­teilt wor­den sind.

Aus­schrei­bung zur ver­deck­ten Re­gis­trie­rung (Art. 29)

Die hier vor­ge­schla­ge­ne Re­ge­lung für die Aus­schrei­bung zur ver­deck­ten Re­gis­trie­rung ist zu un­be­stimmt und des­halb ab­zu­leh­nen. Das be­reits in Art. 99 des Schen­ge­ner Durch­füh­rungs­über­ein­kom­mens (SDÜ) ent­hal­te­ne In­stru­ment ist ei­ne spe­zi­fi­sche Form der Ob­ser­va­ti­on, ei­ne Vor­feld­mass­nah­me, die in Abs. 2 Bst. a ge­bun­den wer­den soll an «tat­säch­li­che An­halts­punk­te, dass die be­tref­fen­de Per­son aus­ser­ge­wöhn­lich schwe­re Straf­ta­ten plant oder be­geht». Der Be­griff «tat­säch­li­che An­halt­punk­te» be­inhal­tet ei­nen nied­ri­gen Grad des Ver­dachts, der um­so leicht­ge­wich­ti­ger ist, als die Tat in al­ler Re­gel noch nicht be­gan­gen wur­de. Bst. b. knüpft die­se Mass­nah­me nur noch an ei­ne po­li­zei­li­che Pro­gno­se, dass die Per­son in der Zu­kunft sol­che Straf­ta­ten «pla­nen könn­te». Die Pro­gno­se soll sich da­bei «ins­be­son­de­re» auf ihr kri­mi­nel­les Vor­le­ben stüt­zen kön­nen, was letzt­lich be­deu­tet, dass der Be­trof­fe­ne auch nach dem Straf­voll­zug wei­ter­hin als ver­däch­tig gel­ten soll – ei­ne Vor­stel­lung, die dem Grund­satz der Un­schulds­ver­mu­tung zu­wi­der­läuft.

Die Ge­mein­sa­me Kon­troll­in­stanz, das Gre­mi­um der Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten der Schen­gen-Staa­ten, hat in ei­ner Über­prü­fung im Jah­re 20071 dar­ge­legt, dass die ans SIS an­ge­schlos­se­nen Po­li­zei­be­hör­den mit die­ser Mög­lich­keit aus­ge­spro­chen fahr­läs­sig um­ge­hen und die Aus­schrei­bung viel­fach oh­ne ei­gent­li­che Prü­fung der Vor­aus­set­zun­gen er­folgt. Ei­ne sol­che Qua­li­fi­zie­rung ei­ner Per­son als ge­fähr­lich ist um­so pro­ble­ma­ti­scher als sie auf­grund der ge­hei­men Na­tur der Mass­nah­me nichts von die­ser Ob­ser­va­ti­on er­fah­ren soll und die­se da­mit auch nicht an­fech­ten kann. Wäh­rend Aus­schrei­bun­gen nach Art. 99 SDÜ im­mer­hin auf ein Jahr be­schränkt sind, ent­hält die hier vor­ge­leg­te Re­ge­lung für die Schweiz kei­ne Be­fris­tung. Ein sol­cher un­be­grenzt an­dau­ern­der Ver­dacht ge­gen ei­ne Per­son ist in ei­nem Rechts­staat nicht mög­lich.

Abs. 4 um­schreibt den Be­griff der «aus­ser­ge­wöhn­lich schwe­ren Straf­tat» durch den Ver­weis auf den ufer­lo­sen Ka­ta­log in Art. 286 StPO (ver­deck­te Er­mitt­lung). Aus dem Di­lem­ma der Vor­feld­pro­gno­sen her­aus­füh­ren könn­te al­len­falls der Ver­weis auf ei­nen kon­kre­ten Ver­dacht und ein Er­mitt­lungs­ver­fah­ren we­gen straf­ba­rer Vor­be­rei­tungs­hand­lun­gen nach Art. 260­bis StGB.

Trotz­dem stellt sich auch bei ei­ner Ein­gren­zung der Aus­schrei­bung in zeit­li­cher Hin­sicht und durch kla­re­re recht­li­che Vor­aus­set­zun­gen die Fra­ge der Ef­fi­zi­enz. Ob ei­ne aus­ge­schrie­be­ne Per­son ei­ne po­li­zei­li­che Kon­trol­le pas­siert und dort auch tat­säch­lich über­prüft wird, ist ei­ne hoch­gra­dig zu­fäl­li­ge An­ge­le­gen­heit. Die SIS-Sta­tis­tik be­legt seit In­be­trieb­nah­me des Sys­tems, dass die Zahl der Tref­fer nach Art. 99 sel­ten grös­ser ist als die Zahl der Aus­schrei­bun­gen. An­ders aus­ge­drückt: Die zur ver­deck­ten Re­gis­trie­rung aus­ge­schrie­be­nen Per­so­nen hat­ten durch­schnitt­lich et­wa ein­mal pro Jahr die «Chan­ce», dass bei ei­ner po­li­zei­li­chen Kon­trol­le ih­re Da­ten ab­ge­fragt und an die aus­schrei­ben­de Stel­le zu­rück ge­mel­det wur­den. Die­se Art der Ob­ser­va­ti­on bringt al­so kei­nes­wegs das er­war­te­te Be­we­gungs­pro­fil, son­dern al­len­falls die In­for­ma­ti­on, dass die Be­trof­fe­nen nach En­de der ein­jäh­ri­gen Spei­che­rungs­frist ge­nau ein Jahr äl­ter ge­wor­den sind.

Vor die­sem Hin­ter­grund kann ge­trost auf die­ses Mit­tel ver­zich­tet wer­den.

Ge­fähr­deran­spra­che (Art. 31)

Beim In­stru­ment der Ge­fähr­deran­spra­che, das in Deutsch­land vor al­lem ge­gen­über ju­gend­li­chen Sport­fans in Mo­de ge­kom­men ist, han­delt es sich nicht um den Ver­such, ei­ne Per­son dis­kret an­zu­spre­chen und sie nach vor­he­ri­ger Be­leh­rung über ih­re Rech­te zu be­fra­gen, son­dern in der Re­gel um ei­ne schlich­te Be­dro­hung und vor al­lem Bloss­stel­lung ge­gen­über dem Ar­beit­ge­ber, den Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen und ins­be­son­de­re ge­gen­über El­tern. Der Po­li­zei, die die Be­trof­fe­nen in der Re­gel zu Hau­se bei den El­tern oder eben auf der Ar­beit auf­sucht, geht es ins­be­son­de­re um die­sen «er­zie­he­ri­schen» Ef­fekt. Um die Kon­se­quen­zen für die Be­trof­fe­nen schert man sich nicht.

Auch die hier prä­sen­tier­te Re­ge­lung setzt - er­kenn­bar an der Er­läu­te­rung - vor al­lem auf den Ein­schüch­te­rungs­ef­fekt. Be­wusst un­scharf ist die Re­de vom Auf­su­chen «am Auf­ent­halts­ort». Auf sol­che Mass­nah­men ist zu ver­zich­ten. Wenn die «Grün­de» für ei­ne An­nah­me hab­haf­ter Straf­ta­ten ge­gen Ma­gis­trats­per­so­nen o.ä. kon­kret ge­nug sind, et­wa Droh­brie­fe oder ähn­li­ches vor­lie­gen, hat die Po­li­zei ein ge­nü­gen­des straf­recht­li­ches Re­per­toire.

Po­li­zei­li­che In­for­ma­ti­ons­sys­te­me

Die im 3. Ti­tel des VE ent­hal­te­nen Be­stim­mun­gen über po­li­zei­li­che In­for­ma­ti­ons­sys­te­me zei­gen deut­lich, dass der Bun­des­rat die Ge­le­gen­heit der Er­ar­bei­tung ei­nes um­fas­sen­den Ge­set­zes nicht nut­zen woll­te, um grund­sätz­lich über die Bü­cher zu ge­hen. Die An­fän­ge po­li­zei­li­cher In­for­ma­ti­ons­sys­te­me la­gen in den 80er Jah­ren (Fahn­dungs­sys­tem RI­POL, Zen­tra­ler Ak­ten­nach­weis der Bun­des­an­walt­schaft, der spä­ter durch das Aus­kunfts­sys­tem IPAS des Bun­des­am­tes für Po­li­zei er­setzt wur­de). Zu die­sem Zeit­punkt gab es noch kein Da­ten­schutz­ge­setz, das zum Er­lass ei­nes for­mel­len Ge­set­zes ge­zwun­gen hät­te, wes­we­gen die recht­li­chen Grund­la­gen erst An­fang der 90er Jah­re nach­ge­scho­ben wur­den. Auch bei den seit­her auf­ge­bau­ten Da­ten­ban­ken folg­te die ge­setz­li­che Grund­la­ge häu­fig erst, nach­dem das Sys­tem oder ein Vor­läu­fer be­reits als «Pi­lot» be­trie­ben wur­den. Durch ei­ne Än­de­rung des Da­ten­schutz­ge­set­zes ist ein sol­cher Pi­lot­be­trieb vor der Ver­ab­schie­dung ei­nes Ge­set­zes le­ga­li­siert wor­den. Die vor­aus­ge­hen­de po­li­ti­sche Dis­kus­si­on dar­über, ob ein sol­ches Sys­tem über­haupt not­wen­dig und wünsch­bar ist, wird da­durch um­gan­gen. Die si­cher­heits­po­li­zei­li­chen Da­ten­ban­ken, die hier erst­mals auf­ge­führt wer­den, sind ein er­neu­tes Bei­spiel hier­für.

Dies ist um­so är­ger­li­cher, als das Bun­des­ge­setz über die po­li­zei­li­chen In­for­ma­ti­ons­sys­te­me des Bun­des erst vor zwei Jah­ren ver­ab­schie­det wur­de - oh­ne dass dort von die­sen neu­en Da­ten­ban­ken öf­fent­lich die Re­de war. Das vor­lie­gen­de Ge­setz ver­folgt al­so er­neut das Ziel, Be­ste­hen­des ab­zu­si­chern - durch pau­scha­le und un­be­stimm­te Be­stim­mun­gen und weit­rei­chen­de De­le­ga­ti­on von Re­ge­lungs­be­fug­nis­sen an den Bun­des­rat.

DJS und grund­rech­te.ch for­dern da­her, end­lich um­fas­sen­de Sta­tis­ti­ken für sämt­li­che po­li­zei­li­chen Da­ten­ban­ken vor­zu­le­gen, in de­nen die Be­stän­de, Neu­er­fas­sun­gen und Lö­schun­gen nach den je­wei­li­gen Da­ten­ka­te­go­ri­en auf­ge­schlüs­selt wer­den. Erst re­gel­mäs­si­ge Über­sich­ten die­ser Art er­mög­li­chen ei­ne in­for­mier­te po­li­ti­sche Dis­kus­si­on.

Grund­sät­ze (Art. 69)

Art. 69 Abs. 2 er­mäch­tigt das fed­pol und, so­weit sie be­tei­ligt sind, die Kan­to­ne zur Be­ar­bei­tung von be­son­ders schüt­zens­wer­ten Da­ten und Per­sön­lich­keits­pro­fi­len. Die Re­ge­lung be­zieht sich auf sämt­li­che po­li­zei­li­che In­for­ma­ti­ons­sys­te­me des Bun­des - und da­mit letzt­lich auch auf sol­che, die in Zu­kunft noch ein­ge­rich­tet wer­den könn­ten. Statt ei­ner sol­chen pau­scha­len Er­mäch­ti­gung be­darf es Re­ge­lun­gen je­weils für die ein­zel­nen Da­ten­ban­ken, in de­nen die Art der schüt­zens­wer­ten Da­ten ge­nau zu be­zeich­nen sind.

Abs. 3 über­nimmt die Miss­brauchs­klau­sel aus Art. 3 Abs. 1 BWIS, die nur schein­bar die Wahr­neh­mung de­mo­kra­ti­scher Grund­rech­te vor dem staat­li­chen Ein­griff schützt, in Tat und Wahr­heit aber ge­nau das Ge­gen­teil be­wirkt: Sie er­öff­net im­mer dann die Mög­lich­keit, po­li­ti­sche Ge­sin­nun­gen zu fi­chie­ren, wenn die je­weils zu­stän­di­gen Po­li­zei­or­ga­ne ei­nen «Miss­brauch» wit­tern, was ins­be­son­de­re bei po­li­ti­schen Strö­mun­gen der Fall sein wird, die vom Main­stream ab­wei­chen. Dies ist um­so ver­hee­ren­der, als die meis­ten der auf­ge­zähl­ten Po­li­zei­da­ten­ban­ken nicht nur der Straf­ver­fol­gung im en­ge­ren Sin­ne die­nen, son­dern In­for­ma­tio­nen aus Vor­fel­der­mitt­lun­gen be­inhal­ten. Be­son­ders deut­lich wird dies an dem neu­en «In­for­ma­ti­ons­sys­tem über Be­dro­hun­gen» in Art. 76.

Auf­be­wah­rungs­dau­er (Art. 72)

Auch dies ist ei­ne un­zu­läs­si­ge Pau­sch­a­ler­mäch­ti­gung. Da­ten dür­fen oh­ne­hin nur be­ar­bei­tet wer­den, so­lan­ge das für den je­wei­li­gen Zweck er­for­der­lich ist. Der Sinn von Auf­be­wah­rungs­fris­ten be­steht ge­ra­de dar­in, die Da­ten be­ar­bei­ten­de Stel­le da­zu zu zwin­gen, ih­re Ar­bei­ten zu be­schleu­ni­gen. Die all­ge­mei­ne For­mu­lie­rung «so lan­ge wie es der Be­ar­bei­tungs­zweck er­for­dert» ist letzt­lich ei­ne Auf­for­de­rung, sich ge­trost Zeit zu las­sen. Statt die Rechts­set­zungs­kom­pe­tenz er­neut an den Bun­des­rat zu de­le­gie­ren, muss das Ge­setz für je­de ein­zel­ne Da­ten­bank und für die je­wei­li­gen Da­ten­ka­te­go­ri­en Fris­ten fest­le­gen.

Nach Abs. 2 Bst. b und Abs. 3 wer­den Da­ten in ver­knüpf­ten Da­ten­ban­ken «als Block ge­löscht, wenn die Da­ten­be­ar­bei­tungs­dau­er des letz­ten er­fass­ten Vor­gangs ab­ge­schlos­sen ist.» Die­se Re­ge­lung er­laubt es, auch de­fi­ni­tiv nicht mehr er­for­der­li­che Da­ten wei­ter zu spei­chern und prak­tisch die Auf­be­wah­rungs­dau­er bis zum «St. Nim­mer­leins­tag» aus­zu­deh­nen. Der Grund­satz, dass nicht mehr er­for­der­li­che In­for­ma­tio­nen zu lö­schen sind, muss in je­dem Fal­le be­ste­hen blei­ben.

Aus­kunfts­recht (Art. 73)

Be­grüs­sens­wert er­scheint, dass in Be­zug auf das Ein­sichts­recht in­te­gral auf das Da­ten­schutz­ge­setz ver­wie­sen wird und dass nicht ver­sucht wird, das sog. stell­ver­tre­ten­de Ein­sichts­recht - wel­ches ei­gent­lich gar kei­nes ist und auch kein taug­li­cher Er­satz für ein sol­ches - zu ver­an­kern, wie es heu­te na­ment­lich im BWIS und im Bun­des­ge­setz über die po­li­zei­li­chen In­for­ma­ti­ons­sys­te­me vor­ge­se­hen ist.

Es spricht nichts da­ge­gen und er­scheint im Ge­gen­teil ge­bo­ten, die­se Än­de­rung ge­gen­über dem heu­ti­gen Rechts­zu­stand so rasch als mög­lich - un­ab­hän­gig vom Pro­jekt des Po­lAG - um­zu­set­zen, was ins­be­son­de­re auch der Mo­ti­on Leu­ten­egger Ober­hol­zer (Da­ten­samm­lun­gen des Bun­des. Aus­kunfts­recht) ent­spricht.

Aus­füh­rungs­be­stim­mun­gen (Art. 74)

Wie schon in Be­zug auf die Auf­be­wah­rungs­dau­er ver­merkt, ist ei­ne pau­scha­le De­le­ga­ti­on von Kom­pe­ten­zen an den Bun­des­rat nicht mög­lich. Der Grund­satz der Nor­men­klar­heit und Be­stimmt­heit er­for­dert es, dass im Ge­setz selbst für je­de Da­ten­bank ein­zeln die we­sent­li­chen Grund­sät­ze fest­ge­legt wer­den - und da­zu ge­hö­ren nun ein­mal die Art der be­ar­bei­te­ten Da­ten (Da­ten­ka­ta­log), Auf­be­wah­rungs­dau­er, Ab­ruf­ver­fah­ren und Vor­aus­set­zun­gen und Adres­sa­ten der Wei­ter­ga­be.

In­for­ma­ti­ons­sys­tem über Er­eig­nis­se (Art. 75)

Laut Be­richt wer­den in die­sem Sys­tem Da­ten nur in Be­zug auf die «Er­eig­nis­se», aber nicht per­so­nen­be­zo­gen ge­spei­chert. Gleich­zei­tig er­klärt der Be­richt je­doch we­ni­ge Zei­len da­nach, es wür­den auch be­son­ders schüt­zens­wer­te Da­ten, ins­be­son­de­re sol­che über po­li­ti­sche Tä­tig­kei­ten, er­fasst. Das ist ein of­fen­sicht­li­cher Wi­der­spruch.

Un­klar ist zu­nächst, um wel­cher Art «Er­eig­nis­se» es hier geht. Wenn es sich et­wa um Kund­ge­bun­gen vor Bot­schaf­ten han­delt, kann ei­ne Wei­ter­ga­be an aus­län­di­sche Po­li­zei­or­ga­ne sehr wohl hab­haf­te Fol­gen für die Be­trof­fe­nen nach sich zie­hen. Dass Bot­schaf­ten über kon­kre­te Ge­fah­ren zu war­nen sind, ist nach­voll­zieh­bar. Die Wei­ter­ga­be von Da­ten an sie bzw. an aus­län­di­sche Po­li­zei­or­ga­ne hat je­doch ge­ne­rell zu un­ter­blei­ben, erst recht, wenn in den In­for­ma­tio­nen Na­men und an­de­re schüt­zens­wer­te Per­so­nen­da­ten ent­hal­ten sind.

Der «Schutz­be­darf» ent­fällt, so­bald das «Er­eig­nis» vor­über ist. Ei­ne wei­te­re Auf­be­wah­rung bis zu fünf Jah­ren da­nach ist nicht nach­voll­zieh­bar, da die ab­zu­weh­ren­de Ge­fahr, so über­haupt ei­ne be­stan­den hat, nicht mehr ge­ge­ben ist. Ei­ne Auf­be­wah­rung sol­cher In­for­ma­tio­nen, ins­be­son­de­re über die Wahr­neh­mung po­li­ti­scher Rech­te, in ei­ner auf Dau­er an­ge­leg­ten Da­ten­bank ist nicht ge­recht­fer­tigt. Das In­for­ma­ti­ons­sys­tem ist zu lö­schen. Kon­kre­te Ge­fah­ren kön­nen nur ein­zel­fall­be­zo­gen ab­ge­wehrt wer­den.

In­for­ma­ti­ons- und Do­ku­men­ta­ti­ons­sys­tem über Be­dro­hun­gen (Art. 76), die sog. Que­ru­lan­ten­da­tei

Das gilt erst recht für das un­mit­tel­bar per­so­nen­be­zo­ge­ne In­for­ma­ti­ons­sys­tem in Art. 76, in dem Pres­se­be­rich­ten zu­fol­ge be­reits 1 800 Per­so­nen er­fasst sind. Laut Abs. 2 wer­den in die­sem Sys­tem Da­ten zum Ge­sund­heits­zu­stand, zu «we­sent­li­chen As­pek­ten der Per­sön­lich­keit », zu Mit­glied­schaf­ten in Par­tei­en, Ge­werk­schaf­ten und sons­ti­gen Or­ga­ni­sa­tio­nen, zu den «lei­ten­den Or­ga­nen» die­ser Grup­pie­run­gen, aber auch «Bild- und Tonauf­zeich­nun­gen », mit an­de­ren Wor­ten: In­for­ma­tio­nen aus Ob­ser­va­tio­nen etc. ge­spei­chert. Die Da­ten wür­den ge­spei­chert beim «be­grün­de­ten Ver­dacht», dass die be­tref­fen­den Per­so­nen die Si­cher­heit von Per­so­nen und Ge­bäu­den des Bun­des bzw. aus­län­di­scher Ver­tre­tun­gen ge­fähr­den.

Die For­mu­lie­rung «be­grün­de­ter Ver­dacht» er­weckt den Ein­druck, dass es hier tat­säch­lich um kon­kre­te Be­dro­hun­gen ins­be­son­de­re ge­gen Po­li­ti­ke­rIn­nen ge­he. Die Zahl der er­fass­ten Per­so­nen legt je­doch viel­mehr den in der Tat be­grün­de­ten Ver­dacht na­he, dass hier er­neut ei­ne Da­ten­samm­lung über po­li­ti­sche Mei­nun­gen und Tä­tig­kei­ten an­ge­legt wur­de. DJS und grund­rech­te.ch for­dern des­halb, die­ses In­for­ma­ti­ons­sys­tem so­fort ein­zu­stel­len und den dar­in er­fass­ten Per­so­nen um­fas­sen­de Ein­sicht über die ge­spei­cher­ten Da­ten zu ge­ben. An­grif­fe auf Po­li­ti­ke­rIn­nen kön­nen nicht da­durch ver­hin­dert wer­den, dass um­fang­rei­che und tief­grei­fen­de In­for­ma­tio­nen ge­ge­be­nen­falls über Jah­re hin­weg in ei­ner sol­chen Da­ten­bank an­ge­häuft wer­den. Statt Schein­si­cher­heit zu pro­du­zie­ren, sind bei Dro­hun­gen ra­sche Ab­klä­run­gen im Ein­zel­fall vor­zu­neh­men.

HOO­GAN (Art. 77)

Die­ses In­for­ma­ti­ons­sys­tem «über Ge­walt­tä­tig­kei­ten an­läss­lich von Sport­ver­an­stal­tun­gen» er­mög­licht ei­ne Spei­che­rung von Per­so­nen, oh­ne dass ge­gen sie ein kon­kre­ter Tat­ver­dacht exis­tiert. In der «Hoo­li­gan-Da­ten­bank» kön­nen Ju­gend­li­che ab zwölf Jah­ren er­fasst wer­den. Sie bil­det das in­for­ma­tio­nel­le Rück­grat nicht nur für ei­nen um­fas­sen­den Da­ten­aus­tausch mit pri­va­ten Stel­len (Clubs, Sta­di­on­be­trei­bern), son­dern auch für ei­ne gan­ze Se­rie von Zwangs­mass­nah­men, die zu­nächst im BWIS auf­ge­führt und nun (bis auf die Ein- und Aus­rei­se­ver­bo­te) in ein Kon­kor­dat über­führt wur­den.

DJS und grund­rech­te.ch se­hen sich in ih­ren ur­sprüng­li­chen Be­den­ken be­stä­tigt und be­har­ren des­halb auf der For­de­rung, die­se Da­ten­samm­lung auf­zu­lö­sen. Dies ins­be­son­de­re des­halb, weil der Bund in die­sem Be­reich kei­ne Kom­pe­ten­zen be­sitzt. Wir ver­wei­sen dies­be­züg­lich auf die Aus­füh­run­gen zu Art. 24 und 25.

Po­li­zei­li­cher In­for­ma­ti­ons­sys­tem-Ver­bund (Art. 78-85) und an­de­re Sys­te­me

Die in den Ar­ti­keln 79-82 ge­nann­ten Sys­te­me sind tat­säch­lich ein ein­zi­ges mit dem Ti­tel JA­NUS, des­sen An­fän­ge auf die 1993 ein­ge­rich­te­te Dro­ge­nermitt­lungs­da­ten­bank DO­SIS zu­rück­ge­hen und die seit­her sys­te­ma­tisch er­wei­tert wur­den. Die Ge­fah­ren, die von die­sem Sys­tem aus­ge­hen, kor­re­spon­die­ren mit der brei­ten Auf­ga­ben­de­fi­ni­ti­on für fed­pol resp. Die Bun­des­kri­mi­nal­po­li­zei, auf die wir oben de­tail­liert ein­ge­gan­gen sind. Er­fasst wer­den hier eben nicht nur Da­ten aus ge­richts­po­li­zei­li­chen Er­mitt­lungs­ver­fah­ren, son­dern auch aus «Vor­er­mitt­lun­gen». Dem­entspre­chend fin­den sich hier um­fang­rei­che In­for­ma­tio­nen aus Ob­ser­va­tio­nen, ver­deck­ten Er­mitt­lun­gen und Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­über­wa­chun­gen. Er­fasst wer­den auch Da­ten über Kon­takt­per­so­nen.

Die­se In­for­ma­ti­ons­platt­form wird er­gänzt durch die Sys­te­me zur Per­so­nen­iden­ti­fi­ka­ti­on (dar­un­ter das DNA-Pro­fil-Sys­tem), den na­tio­na­len Teil des Schen­ge­ner In­for­ma­ti­ons­sys­tems und das Fahn­dungs­sys­tem RI­POL, das wie­der­um mit dem Da­ten­sys­tem des Bun­des­am­tes für Mi­gra­ti­on ZE­MIS un­mit­tel­bar ver­kop­pelt ist. Über all das wölbt sich nun der Po­li­zei­in­dex. Mit dem An­schluss der Kan­to­ne an die­sen In­dex droht das Prin­zip des «pro­gram­mier­ten Ver­ges­sens» und da­mit ein zen­tra­ler As­pekt des Da­ten­schut­zes zur Ma­ku­la­tur zu wer­den. So­lan­ge ei­ne Per­son in ir­gend­ei­nem die­ser Sys­te­me des Bun­des oder in ei­nem der an­ge­schlos­se­nen Kan­to­ne ver­zeich­net ist, wird sie schweiz­weit im po­li­zei­li­chen Ge­dächt­nis blei­ben. An­ge­sichts der Ent­wick­lun­gen im Rah­men der EU bzw. des Schen­ge­ner Ver­bun­des («Grund­satz der Ver­füg­bar­keit») wächst dar­über hin­aus die geo­gra­fi­sche Di­men­si­on die­ser Ge­fahr.

Da­bei ist her­vor­zu­he­ben, dass auch kan­to­na­le Po­li­zei­da­ten­ban­ken kei­ne Ge­währ da­für bie­ten, dass nur in be­grün­de­ten Fäl­len Da­ten ge­sam­melt wer­den und dass die er­fass­ten Da­ten kor­rekt und ak­tu­ell sind. Es sei hier - als ein Bei­spiel für die­se Pro­ble­ma­tik - auf das im Kan­ton Zü­rich be­ste­hen­de Po­li­zei­in­for­ma­ti­ons­sys­tem PO­LIS hin­ge­wie­sen, bei dem seit Jah­ren da­für ge­kämpft wer­den muss, dass grund­le­gen­de An­for­de­run­gen des Da­ten- und Per­sön­lich­keits­schut­zes ein­ge­hal­ten wer­den. Ins­be­son­de­re soll­te der Aus­gang ei­nes Straf­ver­fah­rens je­weils kon­se­quent im PO­LIS nach­ge­tra­gen bzw. die ent­spre­chen­den Ein­trä­ge je nach Ver­fah­rens­aus­gang aus dem ope­ra­ti­ven Sys­tem ge­löscht wer­den.

Statt wie im Po­lAG-Ent­wurf vor­ge­se­hen das Be­ste­hen­de recht­lich ab­zu­seg­nen, ru­fen DJS und grund­rech­te.ch zu ei­ner ge­ne­rel­len Über­prü­fung auf. Der ers­te Schritt da­zu ist um­fas­sen­de Trans­pa­renz. Die Viel­zahl von on­line-Ver­bin­dun­gen und Ver­knüp­fun­gen zwi­schen Da­ten­sys­te­men ist zu re­du­zie­ren. Es braucht Brand­mau­ern zwi­schen Be­hör­den. Ins­be­son­de­re muss nach der or­ga­ni­sa­to­ri­schen Tren­nung zwi­schen fed­pol und den Ge­heim­diens­ten auch die in­for­ma­tio­nel­le Tren­nung er­fol­gen. Die an­geb­li­chen Ef­fi­zi­enz­kri­te­ri­en, die bis­her die Aus­ge­stal­tung po­li­zei­li­cher In­for­ma­ti­ons­sys­te­me be­stimm­ten, dürf­ten sich bei nä­he­rer Be­trach­tung vor al­lem als Kri­te­ri­en der Be­quem­lich­keit ent­pup­pen.

Po­li­zei­li­cher Zwang (Art. 90)

Ab­zu­leh­nen ist auch die in Art. 90 VE ent­hal­te­ne pau­scha­le Er­mäch­ti­gung des ge­sam­ten fed­pol zur Aus­übung po­li­zei­li­chen Zwangs nach dem Zwangs­an­wen­dungs­ge­setz. Die vor­ge­se­he­ne Re­ge­lung wür­de be­deu­ten, dass das fed­pol ge­wis­ser­mas­sen zu ei­ner Po­li­zei­be­hör­de mit sämt­li­chen Be­fug­nis­sen um­ge­wan­delt wür­de. Wie oben dar­ge­legt, kann der Bund nur in ein­ge­schränk­ten Be­rei­chen ei­ge­ne po­li­zei­li­che Auf­ga­ben be­an­spru­chen: in sei­ner si­cher­heits­po­li­zei­li­chen Funk­ti­on beim Schutz von Bun­des­be­hör­den so­wie in­ter­na­tio­na­len und di­plo­ma­ti­schen Ver­tre­tun­gen und in sei­ner be­grenz­ten ge­richts­po­li­zei­li­chen Funk­ti­on.

Um die er­for­der­li­che or­ga­ni­sa­to­ri­sche Ein­gren­zung sinn­voll vor­neh­men zu kön­nen, be­dürf­te es ei­ner Auf­lis­tung je­ner Glie­de­run­gen des fed­pol, die be­reits heu­te ih­ren Dienst be­waff­net ver­se­hen so­wie der Aus­rüs­tung, die ih­nen da­bei zur Ver­fü­gung steht. Zu den in den letz­ten Jah­ren auf­ge­bau­ten Spe­zi­al­ein­hei­ten wie «Ti­gris», die auf den Ein­satz von Ge­walt spe­zia­li­siert sind, ver­liert der Er­läu­tern­de Be­richt al­ler­dings kein Wort.

Die in Art. 97 vor­ge­se­he­ne pau­scha­le Über­tra­gung von Zwangs­be­fug­nis­sen des ZAG auf pri­va­te Si­cher­heits­diens­te, die der Bund mit Schutz- und Be­wa­chungs­auf­ga­ben be­auf­tragt, ist erst recht aus­ge­schlos­sen.

Fa­zit

Aus all die­sen Grün­den ge­lan­gen wir zum Schluss, dass der vor­lie­gen­de Ent­wurf klar ab­zu­leh­nen ist. Es er­scheint als rich­tig, auf den Er­lass ei­nes Po­lAG zu ver­zich­ten. Statt­des­sen müss­ten An­stren­gun­gen un­ter­nom­men wer­den, die be­ste­hen­de Ge­set­zes­la­ge der ver­fas­sungs­mäs­si­gen Ord­nung an­zu­pas­sen und für ei­nen ge­nü­gen­den Grund­rechts­schutz im po­li­zei­li­chen Be­reich zu sor­gen.

Mit freund­li­chen Grüs­sen

Ca­the­ri­ne We­ber

Ge­schäfts­füh­re­rin DJS

1 Joint Su­per­vi­so­ry Aut­ho­ri­ty: Ar­ti­cle 99 In­spec­tion. Re­port 07-02, Brus­sels 18 dec. 2007

 

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