Christian Thommen. Die Schweiz muss eine EU-Verordnung betreffend biometrische Pässe und Reisedokumente übernehmen. Die Landesregierung will dabei die Gelegenheit benutzen, um die Datensammlung über die Bürgerinnen zu erweitern. Gegen dieses Vorhaben wurde das Referendum ergriffen.
Seit den Anschlägen in den USA vom 11. September 2001 wurden biometrische Verfahren weltweit als eines der Allheilmittel zur Bekämpfung des Terrorismus angepriesen. Diesem Trend folgend, hat die Europäische Union im Jahr 2004 mit der «Verordnung über biometrische Pässe und Reisedokumente» beschlossen, dass in Pässen neben einem elektronischen Gesichtsbild zunächst zwei und später alle Fingerabdrücke gespeichert werden müssen. Obwohl die Schweiz nicht Mitglied der EU ist, muss sie diese Regelung übernehmen, sofern sie das Schengen-Abkommen zur erleichterten Grenzüberschreitung weiterführen will.
Weit über das Muss hinaus
Bei der Umsetzung dieser EU-Verordnung ins schweizerischen Recht hat der Bundesrat aber weit über das Ziel hinausgeschossen und der National- und Ständerat sind ihm dabei kritiklos gefolgt. Die EU-Verordnung verlangt lediglich, dass Fingerabdrücke in den Pässen gespeichert werden. Gemäss Bundesbeschluss müssen Fingerabdrücke jedoch nicht nur im Pass, sondern auch zentral im Informationssystem Ausweisschriften (ISA) respektive in der «Ausländerdatei» TSR für Flüchtlingspässe gespeichert werden. Zudem werden auch Identitätskarten in Zukunft ohne Zwang der EU nur noch mit biometrischen Daten und gleicher Speicherung der Fingerabdrücke wie beim Pass ausgegeben. Der Wunschtraum jedes Strafverfolgers, nämlich eine lückenlose Sammlung aller Fingerabdrücke der gesamten Bevölkerung, wird in wenigen Jahren erfüllt sein. Zwar verspricht der Bundesrat, dass die Fingerabdrücke nicht zur Strafverfolgung genutzt werden können. Ein Bundesrat aber, der wichtige Akten wie im Strafverfahren um die Atomschmuggel-Affäre Tinner vernichtet und als einzige Kommunikation dazu das Parlament anlügt, wird dieses Versprechen schnell vergessen, wenn ihm die Nutzung der Fingerabdrücke als dienlich erscheint. Ein erster Schritt in diese Richtung ist schon getan: Zur Identifikation von Opfern von Unfällen, Naturkatastrophen und Gewalttaten sowie von vermissten Personen dürfen Daten aus dem Informationssystem weitergegeben werden (Art. 12 Abs. 3 Ausweisgesetz). Das Grenzwachtkorps und die vom Bund und von den Kantonen bezeichneten Polizeistellen können die Daten im Informationssystem auch anhand der biometrischen Merkmale der betreffenden Person im Abruf- verfahren durchsuchen (Art. 12 Abs 4. Ausweisgesetz). Die Funktionalität «Fingerabdrücke rein - Name des Inhabers raus», welche vornehmlich für die Strafverfolgung benötigt wird, ist bereits von Anfang an fest im ISA eingebaut. Dies, obwohl die Datenbearbeitung gemäss Art. 12 Abs. 2 des Ausweisgesetzes lediglich der Verhinderung einer unberechtigten Ausstellung eines Ausweises sowie der Verhinderung missbräuchlicher Verwendung von Ausweisen dient und eine derartige Funktionalität daher gar nicht notwendig ist. Um einen verdächtigen Ausweis zu überprüfen, reicht es, die Ausweisnummer ins ISA einzugeben.
Referendum unterschreiben!
Auch die vorgesehene Steigerung der Anzahl gespeicherten Fingerabdrücke von zwei auf zehn dient nicht der Erhöhung der Sicherheit (wer einen Ausweis mit zwei Fingerabdrücken fälschen kann, kann mit dem gleichen Aufwand auch einen Ausweis mit zehn Fingerabdrücken fälschen), sondern lediglich der Vervollständigung der forensischen Fingerabdrucksammlung.
Mit dem Verzicht auf eine zentrale Speicherung der Fingerabdrücke würde die Schweiz dem deutschen Beispiel folgen. Deutschland war zwar der erste Mitgliedstaat der EU, der die EU-Verordnung umsetzte. Allerdings hat der deutsche Gesetzgeber bewusst festgelegt, dass die biometrischen Daten nur auf dem im Pass integrierten Chip gespeichert werden. Ansonsten werden diese Daten nach der Herstellung des Dokuments sofort gelöscht. Bei einer Passkontrolle können also nur die in diesem Chip enthaltenen Daten ausgelesen und mit den Fingerabdrücken bzw. dem Portrait der kontrollierten Person verglichen werden. Damit kann verhindert werden, dass Fingerabdrücke von Unverdächtigen künftig durch einen gesetzgeberischen Federstrich für irgendwelche anderen polizeilichen Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Es darf nicht sein, dass der Fingerabdruck zum normalen Identifikationsmerkmal wird, nur weil er im Pass gespeichert ist. Ebenso muss auch in Zukunft jeder Einwohner der Schweiz die Wahlfreiheit haben, ob er einen biometrischen Ausweis besitzen will oder nicht. Für die Identifikation innerhalb der Schweiz und für Reisen im grenznahen Europa reicht eine Identitätskarte aus, und die muss auch in Zukunft ohne biometrische Daten erhältlich sein.
Geben wir daher dem Bundesrat die Chance für eine bessere Umsetzung der EU-Verordnung, indem wir das Referendum unterschreiben und den Bundesbeschluss in der Abstimmung ablehnen!
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