Eine ehrlichere Digitalpolitik ist überfällig

19. Februar 2019

Chris­toph Lenz, Ta­ges An­zei­ger

Mit sei­nen Hin­ter­zim­mer­gre­mi­en ver­spielt der Bun­des­rat bei der Di­gi­ta­li­sie­rung viel Ver­trau­en.

Pri­vat­sphä­re sei ein Lu­xus der Ge­sun­den. Doch auch sie müs­se man da­zu brin­gen, ih­re Da­ten her­zu­ge­ben. Dies sag­te Cal­vin Grie­der, der Prä­si­dent des Duft­stoff­kon­zerns Giv­au­dan, an ei­ner Sit­zung in Bern im Ok­to­ber 2018. Er ern­te­te kei­nen Wi­der­spruch. Auch nicht von den zwei Bun­des­rä­ten, die zum Tref­fen ein­ge­la­den hat­ten. Dies geht aus dem Sit­zungs­pro­to­koll her­vor, das die­se Zei­tung ges­tern ver­öf­fent­licht hat.

Die dis­rup­ti­ve Kraft der Di­gi­ta­li­sie­rung wur­de schon oft be­sun­gen. Sel­ten aber of­fen­bar­te sie sich in der Schweiz so dras­tisch: In der Bun­des­ver­fas­sung er­scheint das Grund­recht auf Pri­vat­sphä­re ganz weit vor­ne, im Ar­ti­kel 13, noch vor der Glau­bens- und Ge­wis­sens­frei­heit. Un­ter zu­kunfts­eu­pho­ri­schen Be­ra­tern der Lan­des­re­gie­rung sieht man dar­in of­fen­bar nur noch ein ver­zicht­ba­res Ac­ces­soire.

Der Bei­rat «Di­gi­ta­le Trans­for­ma­ti­on» steht ex­em­pla­risch für die Feh­ler des Bun­des­rats im wei­ten The­men­feld der Di­gi­ta­li­sie­rung. Als sie das Gre­mi­um 2017 ins Le­ben rie­fen, er­klär­ten Do­ris Leuthard und Jo­hann Schnei­der-Am­mann, sie woll­ten da­mit den Di­gi­tal­dia­log mit Wirt­schaft, Wis­sen­schaft und Ge­sell­schaft an­kur­beln. Nach fünf Sit­zun­gen zeigt sich: Da­ten­schüt­zer, Pa­ti­en­ten­recht­ler, Ar­beit­neh­mer und an­de­re Ver­tre­ter zi­vil­ge­sell­schaft­li­cher Or­ga­ni­sa­tio­nen durf­ten ih­re Be­den­ken ge­gen­über be­stimm­ten Ef­fek­ten der Di­gi­ta­li­sie­rung nie per­sön­lich vor­brin­gen. Die Kon­zern­chefs, Pro­fes­so­ren und Ver­wal­tungs­ver­tre­ter, hand­ver­le­sen von Leuthard und Schnei­der-Am­mann, soll­ten nicht ge­stört wer­den, wenn sie sich ge­gen­sei­tig über die ein­zig­ar­ti­gen Chan­cen der Jetzt­zeit auf­klär­ten.

Über­haupt nimmt man den Bun­des­rat in Be­zug auf die Di­gi­ta­li­sie­rung haupt­säch­lich dann wahr, wenn im Herbst an­läss­lich des so­ge­nann­ten Di­gi­tal­tags meh­re­re sei­ner Mit­glie­der ins Land aus­schwär­men und mit au­to­sa­lon­mäs­si­ger Be­geis­te­rung ein paar Neu­hei­ten aus­pro­bie­ren. Oh, ein Droh­nen­bal­lett, ei­ne Vir­tu­al-Rea­li­ty-Bril­le, ein Ro­bo­ter! Selt­sam phleg­ma­tisch re­agiert die Re­gie­rung der­weil, wenn es um die Lö­sung von tech­no­lo­gie­ge­trie­be­nen Pro­ble­men wie il­le­ga­lem Down­load oder Ube­ri­sie­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen geht. Wer die Di­gi­ta­li­sie­rung so ober­fläch­lich be­han­delt, muss sich nicht wun­dern, wenn die Bür­ger den Be­hör­den die si­che­re Ein­füh­rung von E-Vo­ting nicht zu­trau­en oder dem elek­tro­ni­schen Pa­ti­en­ten­dos­sier mit Skep­sis be­geg­nen.

Der Dop­pel­rück­tritt von Do­ris Leuthard und Jo­hann Schnei­der-Am­mann bie­tet dem Bun­des­rat nun im­mer­hin die Chan­ce, ei­ne of­fe­ne­re und ehr­li­che­re Di­gi­tal­po­li­tik durch­zu­set­zen. Be­ra­ter­gre­mi­en, die un­ter Aus­schluss der Öf­fent­lich­keit Plä­ne aus­he­cken, um bes­ser an die Da­ten der Bür­ger zu kom­men, ha­ben dar­in kei­nen Platz.

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