Von Stefan Häne, Tages-Anzeiger
Wer Bahn fährt, soll die vollen Kosten dafür tragen: Solche Pläne wälzt der Bund. Ein Generalabonnement könnte damit künftig doppelt so viel kosten wie heute.
Die Schweizer fahren immer mehr und weiter, tragen aber nicht die vollen Kosten dafür - weder im privaten noch im öffentlichen Verkehr. Das soll sich ändern. Der Bund plant ein neues Finanzierungssystem, in dem die Benützer verursachergerecht für bezogene Fahrleistungen bezahlen sollen. Bis Herbst 2015 will der Bundesrat einen Bericht zum sogenannten Mobility-Pricing vorlegen.
Das Bundesamt für Strassen (Astra) bestätigt einen Bericht der «NZZ am Sonntag». Demnach ist Mobility-Pricing eine «Langfristvision». Für Vielfahrer bei der Bahn könnte dies Folgen zeitigen: Mengenrabatte wären laut der Zeitung nicht mehr zulässig, das Generalabonnement (GA) würde abgeschafft.
Immer noch billiger als ein Auto
Experten halten diese Konsequenz freilich nicht für zwingend, so etwa Professor Christian Laesser, der an der Universität St. Gallen das Forschungszentrum für Tourismus und Verkehr leitet. Mobility-Pricing bedeute einfach mehr Verursachergerechtigkeit, sagt er. «Ein GA wäre in einem solchen System weiterhin möglich. Sein Preis würde jedoch deutlich steigen.» Laesser rechnet mit Kosten von gegen 10,000 Franken für ein GA der 1. Klasse; dies ist fast doppelt so viel wie heute und dreimal mehr als vor 25 Jahren.
Trotz dieses Aufschlags: Im Vergleich zu einem Automobilisten würde ein Zugbenutzer weiterhin besser fahren, wie Laesser vorrechnet: Wer heute in der 1. Klasse von Bern nach Zürich zur Arbeit pendelt, kann ein GA kaufen und zahlt dafür 5350 Franken. Ein Autofahrer mit diesem Arbeitsweg müsse hingegen mit Ausgaben von mindestens 12'000 Franken pro Jahr rechnen, unter anderem für Benzin und Unterhalt.
«Mobilität ist zu billig»
Um die Kosten, die ein Zugfahrer verursacht, möglichst genau abzubilden, braucht es laut Laesser künftig unterschiedliche Preispläne: für jeden gefahrenen Kilometer zum Beispiel, ebenso für bestimmte Zeitfenster, Regionen und Strecken. Zusammen mit elektronischen Fahrausweisen, die beim Kunden jede Fahrt erfassen und abbuchen, soll dies gemäss Laesser zu einem möglichst verursachergerechten System führen. «Mobilität ist heute in der Tendenz zu billig», sagt Laesser. Dies führe zu Fehlanreizen etwa beim Wohnstandort, was lange Pendlerwege und eine verstärkte Zersiedlung nach sich ziehe.
Ob Mobility-Pricing in der Schweiz eingeführt wird, muss die Politik entscheiden. Nicht einmischen in diese «rein politische Diskussion» wollen sich die SBB. Das Astra, angegliedert im Departement von Doris Leuthard (CVP), hält «Spekulationen zu möglichen Auswirkungen» für verfrüht.
Konsumentenschützer warnen
Offen Kritik übt dagegen die Stiftung für Konsumentenschutz. Geschäftsleiterin Sara Stalder hält 10,000 Franken für ein Erstklass-GA für überrissen: «Das würde die Leute aus dem Zug vertreiben.» Stalder fordert, dass sich auch eingesparte Kosten, etwa verhinderte Umweltschäden, auf den Ticketpreis auswirken müssten - in Form von Preisabschlägen. Sicher ist: Die Bahnkunden zahlen mit ihren Billettpreisen heute nur einen Teil der real anfallenden Kosten, den Rest trägt die öffentliche Hand. Je nach Studie liegt der Kostendeckungsgrad bei knapp 60 Prozent oder tiefer.
431,000 GA im Umlauf
Die Folge davon bekommen die Bahnkunden demnächst zu spüren: Ab kommendem Sonntag verteuert sich das Bahnfahren das dritte Jahr in Folge - eine Premiere in der Geschichte der Bundesbahnen. Das GA 1. Klasse kostet neu 5800 Franken, bei der 2. Klasse schlägt es um 200 Franken auf 3550 auf. Ob dies seiner stetig gestiegenen Attraktivität schaden wird, ist offen.
Ende 2011 waren rund 431,000 GA im Umlauf. Ein Rekordwert, der auch seine Schattenseite hat. Denn die SBB verdienen so mit jedem gefahrenen Kilometer weniger Geld. Der Personenkilometer kostet sie 16 Rappen; die Einnahmen der GA-Kunden liegen jedoch bloss bei 10 Rappen. Ein Beispiel zeigt das Problem auf: Ein Pendler, der das GA 2. Klasse an 200 Tagen im Jahr benützt, zahlt pro Tag rund 17 Franken. Pendelt er täglich zwischen Bern und Zürich, zahlt er ohne GA für eine Retourfahrt in der 2. Klasse deutlich mehr: 47 Franken mit Halbtax, ohne sogar 94 Franken.
Immer mehr Kameras im Öffentlichen Verkehr
Antennensuchlauf: Neues Hobby von Staatsanwälten
Nachrichtendienst verletzt Fernmeldegeheimnis
Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG)
jetzt spenden!