Das Waidspital lässt Hausärzte auf Patientendaten zugreifen

29. November 2012

Von Susanne Anderegg, TagesAnzeiger

Ärzte, die ihre Patienten ins Stadtspital Waid schicken, können elektronisch deren Dossiers abrufen.

Das Stadtspital Waid pflegt seit Jahren einen guten Kontakt zu den Hausärzten. Als Zuweiser von Patienten sind sie wichtig für das Spital, auf der andern Seite beeinflusst die Behandlung im Spital die Arbeit der Hausärzte wesentlich. Nun haben die beiden Partner ihre Zusammenarbeit intensiviert und gleichzeitig vereinfacht: Seit Juli können Ärzte die Daten ihrer Patienten im Stadtspital Waid online einsehen, zum Beispiel Röntgenbilder oder MRI-Befunde, und sie erhalten die Berichte der Spitalärzte elektronisch zugesandt. Grosse Mappen hin- und herzuschicken, erübrigt sich. Nach wie vor bestimmt aber der Patient, wer seine Daten einsehen darf.

Wird der Patient entlassen, sind die Hausärzte bereits informiert, die Nachsorge schliesst nahtlos an die Spitalbehandlung an. Umgekehrt können aber auch die Hausärzte dem Spitalpersonal die Arbeit erleichtern. Marco Zoller, Hausarzt in Höngg, erklärt es mit einem Beispiel. Eine Patientin von ihm, eine alte, alleinstehende Frau, hat Divertikel. Zoller veranlasst eine Darmspiegelung. Plötzlich werden ihre Bauchschmerzen unerträglich, es ist Wochenende, die Frau muss notfallmässig ins Spital. Am Montagmorgen bekommt der Hausarzt vom Waidspital per Mail eine Eintrittsmeldung. Er nimmt Kontakt mit dem Stationsarzt auf, informiert diesen über die jüngsten Untersuchungen und die Medikamente, welche die Frau wegen ihrer diversen Altersgebresten nimmt. Er erwähnt auch, dass sie eine Patientenverfügung hat und dass bereits Abklärungen für einen Heimeintritt stattgefunden haben.

Datenschützer hatte mitzureden

Die Kommunikation zwischen Spital und Hausärzten ist heute keineswegs selbstverständlich, auch wenn man das erwarten würde. «Diese Informationen sind für uns enorm hilfreich», sagt Patrick Sidler, stellvertretender Chefarzt Medizin im Waidspital. Sie tragen dazu bei, dass die Patientin rasch die richtige Behandlung bekommt und dass nicht zweimal dasselbe untersucht wird. Und sie erleichtern die Arbeit des Sozialdienstes, der die nötige Betreuung der Patienten nach dem Spitalaustritt sicherstellen muss. Gerade dieser Aspekt wurde mit der Einführung der Fallpauschalen sehr wichtig. Da die Spitäler neu pro Fall bezahlt werden und nicht mehr nach Aufenthaltsdauer, sind sie bestrebt, die Patienten so rasch wie möglich wieder zu entlassen. Das können sie aber nur, wenn eine Anschlusslösung organisiert ist. Die neue Spitalfinanzierung, die seit Anfang Jahr in Kraft ist, war denn auch mit ein Grund, weshalb das Waidspital den elektronischen Datenaustausch mit den Hausärzten einführte.

Bevor das Projekt starten konnte, mussten einige Hürden überwunden werden. Der Datenschützer hatte ein wichtiges Wort mitzureden, geht es doch um sehr sensible Daten, die mit einem Passwortsystem und Zertifikaten geschützt werden müssen. Vorbilder gab es nur wenige. «Im Kanton Zürich redet noch niemand die E-Health-Sprache», sagt Projektleiterin Nicole Doswald. Das Zuweiserportal des Waidspitals ist das erste seiner Art im Kanton. Laut Doswald will es das Triemli übernehmen.

«Weniger Fehler»

Bis jetzt haben sich 90 Ärztinnen und Ärzte beim Zuweiserportal angemeldet. Die Feedbacks seien praktisch alle positiv, sagt Doswald. Marco Zoller fasst die Vorteile folgendermassen zusammen: «Mein Aufwand, um über eine Patientin im Bild zu sein, ist kleiner. Und für die Patientin ist es gut zu wissen, dass ich jederzeit informiert bin.»

Die Ärzte können wählen, ob sie die Informationen vom Spital automatisch geschickt bekommen oder lieber selber online abrufen wollen. Die meisten würden die automatische Information wählen, stellt Doswald fest. Mitmachen können auch Hausärzte, welche die Krankengeschichten selber noch auf Papier führen – schätzungsweise tun dies noch immer rund drei Viertel. Anders im Spital. Dort ist die elektronische Erfassung der Patientendaten Standard und wegen des wechselnden Personals auch viel wichtiger. Sidler: «Seit wir die elektronischen Verordnungen eingeführt haben, passieren weniger Fehler.»

Probleme bei Spitex und Heimen

In einem zweiten Schritt will das Waidspital den elektronischen Datenaustausch auf Spitex und Heime ausdehnen. Dort stellen sich komplexere Datenschutzprobleme als bei den Hausärzten. Denn in Heimen und bei der Spitex müssen mehrere Personen auf die Daten zugreifen können. Der Benutzerkreis muss also genau definiert werden.

Später einmal sollen auch die Patienten ihre medizinischen Daten online abrufen können. Die Strategie des Bundes sehe ein Portal für die Bevölkerung vor, sagt Doswald. «Davon sind wir aber noch weit entfernt.»

 

E-Health: Die Schweiz hinkt hinterher

Die elektronische Erfassung und der Austausch von medizinischen Daten ist in der Schweiz noch wenig entwickelt. Die skandinavischen Länder und England sind 10 Jahre voraus. Momentan ist das Bundesamt für Gesundheit dabei, ein Gesetz zum elektronischen Patientendossier zu verfassen; im Frühling soll es ans Parlament gehen. Das Dossier soll unter der Hoheit der Patienten stehen und Daten von allen Leistungserbringern enthalten, wie zum Beispiel eingenommene Medikamente oder Röntgenbilder.

Geplant ist, das Patientendossier bis 2015 landesweit einzuführen. Susanna Marti, die bei der Zürcher Gesundheitsdirektion für E-Health zuständig ist, hält dies jedoch für zu optimistisch. Marti koordiniert die Zürcher Aktivitäten und Projekte in diesem Bereich, und die sind derzeit noch auf bescheidenem Niveau.

Neben dem Zuweiserportal des Waidspitals, das bereits läuft, gibt es ein weiteres konkretes Projekt, an dem der Verband Zürcher Krankenhäuser, der Spitex-Verband und der Heimverband Curaviva beteiligt sind. Sie wollen die Übertritte vom Spital ins Heim bzw. zur Spitex administrativ vereinfachen. Vorgesehen ist ein einheitliches Formular, das noch in Entwicklung ist.

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