«Ein guter Tag für den Datenschutz»

13. Mai 2014

Interview: Philipp Loser, Newsnet

Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür freut sich über das Google-Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Laut Thür gilt das «Recht auf Vergessen» auch für die Schweiz.

Herbe Niederlage für Google in Luxemburg: Der Europäische Gerichtshof hat heute entschieden, dass es ein «Recht auf Vergessen» gibt. Suchmaschinen wie Google müssen künftig auf Antrag Informationen aus ihren Suchergebnissen streichen, wenn diese Angaben die Persönlichkeitsrechte von Betroffenen verletzen. Geklagt hatte ein Spanier, der vor 16 Jahren wegen Schulden ein Grundstück verkaufen musste. Eine Zeitung hatte damals darüber berichtet, die Informationen waren via Google bis heute verfügbar. Das Urteil gilt für europäische Bürger, hat aber laut dem Datenschutzbeauftragten Hanspeter Thür auch Signalwirkung für die Schweiz.

Herr Thür, was bedeutet das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für die Schweiz?

Meiner Meinung nach ist das Urteil auch in der Schweiz anwendbar. Wir haben im Bereich des Datenschutzes nicht grundsätzlich andere Bestimmungen als die EU und ein Schweizer Gericht würde den Fall wohl gleich beurteilen.

Aber das müsste es noch tun, bevor auch ein Schweizer bei Google einen Link löschen könnte, oder?

Nicht unbedingt. Ich gehe davon aus, dass Google kein Interesse an einem Sonderfall Schweiz hat und bei einer entsprechenden Anfrage aus der Schweiz keinen Nebenkriegsschauplatz eröffnen würde. Und falls doch, bliebe immer noch der Instanzenweg. Die Chancen auf einen Erfolg wären dabei intakt - das hat das Urteil des Bundesgerichts in Sachen Google-Street-View gezeigt, das vor zwei Jahren harte Auflagen für Google bei der Anonymisierung von Privatpersonen verfügte.

Was bedeutet das Urteil aus Sicht des Datenschutzes?

Es stärkt die Rechte der Nutzer. Erstmals wurde festgestellt, dass auch Suchmaschinen Daten bearbeiten und damit dem Datenschutzgesetz unterstellt sind. Der Europäische Gerichtshof hat sich für das «Recht auf Vergessen» eingesetzt. Ein starker Entscheid! Die Rechtslage der Betroffenen hat sich massiv verbessert - das ist ein guter Tag für den Datenschutz.

Sie sind ein starker Verfechter des «Rechts auf Vergessen». Warum?

Es muss einfach möglich sein, gewisse Dinge vom Netz zu löschen. Dinge, die falsch sind, viel zu lange herumgeistern und Ereignisse betreffen, die längst Geschichte sind. Es kann doch nicht sein, dass ich als Erwachsener im Internet immer noch täglich mit meinen Jugendsünden konfrontiert werde.

Birgt das Urteil nicht auch eine Gefahr? Firmen oder Einzelpersonen könnten unliebsame Recherchen verschwinden lassen, Zensur betreiben.

Diese Gefahr sehe ich nicht. Jeder Einzelfall wird geprüft werden müssen.

Von Google …

Ja, aber im Konfliktfall wird man wieder vor Gericht landen. Es versteht sich von selbst, dass man nicht einfach alles löschen lassen kann.

Was bedeutet das Urteil für die anderen Internetgiganten? Beispielsweise Facebook?

Genau das Gleiche wie für Google: Wir haben es hier mit Plattformen zu tun, die Daten speichern und bearbeiten. Damit fallen sie - wie Google - unter das Datenschutzrecht und müssen die dort geltenden Grundsätze befolgen. Insofern ist das Urteil auch für den Umgang mit den eigenen Daten auf anderen sozialen Netzwerken wegweisend.

Wird man also in Zukunft missliebige Fotos von Facebook löschen können?

Ich denke ja. Viele Bilder werden ja ohne das Einverständnis der Abgebildeten hochgeladen - ein klarer Verstoss gegen das Recht am eigenen Bild. Das Urteil aus Luxemburg liefert nun eine Handhabe gegen diese Praxis.

Sie waren noch nie ein grosser Freund von Google - verzichten Sie konsequent auf deren Dienste?

Nein, überhaupt nicht. Ich bin auch kein grundsätzlicher Google-Gegner. Ich nutze den Suchdienst ebenfalls. Mir ist einfach wichtig, dass die Interessensgegensätze von den grossen Internetfirmen und den betroffenen Nutzern in einer rechtstaatlichen Art und Weise abgewogen werden.

Gleichzeitig empfehlen Sie Suchseiten wie Ixquick, die die eigene Privatsphäre schützen.

Das ist für jene Leute, die Google nicht mitteilen wollen, was sie suchen. Die nicht wollen, dass Google die Suchaktivitäten auswertet und speichert.

Die Privatsphäre hat dabei einen hohen Preis. Die Suchresultate von Seiten wie Ixquick sind sehr bescheiden.

Das höre ich häufig. Es ist schwierig, Qualität, Rechtsschutz und Bequemlichkeit unter einen Hut zu bringen. Man muss sich selber die Frage stellen, was einem wirklich wichtig ist. Das liegt in der Verantwortung des Einzelnen.

Möchten Sie selber auch etwas aus den Google-Suchresultaten löschen lassen?

Ich bin eine öffentliche Person, da muss ich mir fast alles gefallen lassen. Aber ehrlich gesagt, habe ich gar keinen Überblick. Ich google mich nicht jeden Tag...

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