Rechtmässigkeit von fürsorgerischem Freiheitsentzug ist rasch gerichtlich zu prüfen

8. Dezember 2015

Die Schweiz wurde vom Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt, weil ein Gesuch um Entlassung aus dem fürsorgerischem Freiheitsentzug nicht rasch durch ein Gericht geprüft wurde.

Ein im Kanton Thurgau wohnhafter Mann war im April 2008 von der Vormundschaftsbehörde wegen einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie in eine psychiatrische Klinik eingeliefert worden. Im Mai beantragte er bei der Vormundschaftsbehörde seine Entlassung. Noch bevor diese entschied, wandte er sich an das örtliche Gericht, das auf seine Eingabe allerdings nicht eintrat, weil zuerst die Vormundschaftsbehörde über das Gesuch zu urteilen habe. Der Mann, der zwei Monate nach seiner Einweisung wieder entlassen wurde, zog die Sache weiter an das Kantons- und das Bundesgericht, wo er indes abblitzte.

In Strassburg erhielt der Mann mit seiner Klage Recht, dass die zuständigen Behörden sein Ersuchen um Entlassung nicht schnell genug geprüft hätten und er bis zum Erhalt einer gerichtlich anfechtbaren Verfügung zu lange habe warten müssen - nämlich fünf Monate. Die Schweiz habe sein Recht verletzt, wonach ein Gericht innerhalb kurzer Frist über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs entscheiden müsse, sagt der Gerichtshof. Dieser in der Menschenrechtskonvention verankerte Anspruch sei konkret und effektiv auszulegen und umzusetzen. Die Schweiz muss dem Mann 10,000 Euro Genugtuung und 10,000 Euro für Auslagen zuzüglich mutmasslicher Steuern und Zins bezahlen.

Das Urteil ist auf Französich abgefasst, die Ansicht von Richter Nicolaou am Ende auf Englisch.

 

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