Europäischer Gerichtshof beurteilt Vorratsdatenspeicherung

9. Juli 2013

Als Vor­rats­da­ten­spei­che­rung wird die flä­chen­de­cken­de Er­fas­sung der Ver­bin­dungs- und Rech­nungs­da­ten von Te­le­fon­an­schlüs­sen, für Mo­bil­te­le­fo­ne zu­sätz­lich auch Stand­ort­da­ten und für In­ter­net­diens­te dy­na­mi­sche IP-Adres­sen, be­zeich­net. Erst mit der Ein­füh­rung di­gi­ta­ler Te­le­fon­zen­tra­len in den 1980er-Jah­ren und spä­ter bei In­ter­net­diens­ten war ei­ne sys­te­ma­ti­sche Spei­che­rung von Ver­bin­dungs­da­ten mög­lich. Nur da­durch konn­te und kann die Fra­ge «wer hat wann mit wem für wie lan­ge kom­mu­ni­ziert» für die ge­sam­te Be­völ­ke­rung in die Ver­gan­gen­heit schau­end be­ant­wor­tet wer­den. Seit die­se Da­ten vor­han­den sind, wur­den sie in der Schweiz zur Straf­ver­fol­gung ge­nutzt, zu­erst auf kan­to­na­ler ge­setz­li­cher Ba­sis, dann ab 2002 ge­stützt auf das BÜPF, wel­ches ei­ne Spei­che­rung al­ler Da­ten wäh­rend min­des­tens 6 Mo­na­ten vor­schreibt (es gibt aber kei­ne Pflicht, die Da­ten nach 6 Mo­na­ten zu lö­schen). Mit der Re­vi­si­on des BÜPF soll die Spei­cher­dau­er auf 12 Mo­na­te er­höht wer­den, und mit dem neu­en Nach­rich­ten­dienst­ge­setz sol­len auch die Schlapp­hü­te Zu­griff auf die­se Da­ten er­hal­ten.

In der EU hat das Eu­ro­päi­sche Par­la­ment am 13. April 2006 an­geb­lich zur Ter­ror­ab­wehr die «Richt­li­nie 2006/24/EG über die Vor­rats­spei­che­rung von Da­ten» er­las­sen, wel­che Mit­glied­staa­ten er­mäch­tigt, Vor­rats­da­ten­spei­che­rung zur Auf­klä­rung «schwe­rer Straf­ta­ten» ein­zu­set­zen. In der Fol­ge ha­ben di­ver­se Staa­ten ge­stützt auf die­se Ver­ord­nung ei­ne Vor­rats­da­ten­spei­che­rung ein­ge­führt. Glück­li­cher­wei­se ha­ben um die Pri­vat­sphä­re be­sorg­te Per­so­nen Kla­gen ge­gen die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung ein­ge­reicht und sind da­mit bis vor den Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hof EuGH in Lu­xem­burg ge­langt.

Am 9. Ju­li 2013 hat das Ver­fah­ren mit der An­hö­rung der Par­tei­en be­gon­nen. Di­gi­tal Rights Ire­land, die Iri­sche Men­schen­rechts­kom­mis­si­on, Mi­cha­el Seit­lin­ger (Ein­zel­klä­ger aus Ös­ter­reich), der AK Vor­rat, die Iri­sche Re­gie­rung, die Spa­ni­sche Re­gie­rung, die Ita­lie­ni­sche Re­gie­rung, die Ös­ter­rei­chi­sche Re­gie­rung, die Bri­ti­sche Re­gie­rung, das EU-Par­la­ment, der EU-Rat und der EU-Da­ten­schutz­be­auf­trag­te durf­ten dem Ge­richt ih­re An­sicht dar­le­gen.

Ver­tre­ter von Re­gie­run­gen und des EU-Rats und -Par­la­ments ver­lang­ten ei­ne Ab­wei­sung der Kla­gen, die Klä­ger und Men­schen­rechts- resp. Da­ten­schutz-Ver­te­ter for­der­ten ei­ne Ver­sen­kung der Vor­rats­da­ten­spei­che­rung. Der EU-Da­ten­schutz­be­auf­trag­ter kri­ti­sier­te, dass der Be­griff «schwe­re Straf­tat» nicht ein­deu­tig de­fi­niert sei. Die Ös­ter­rei­chi­sche Re­gie­rung be­stä­tig­te, dass der gröss­te Teil der Ab­fra­gen kei­ne schwe­ren De­lik­te, son­dern Dieb­stäh­le, Stal­king, Ur­kun­den­fäl­schung, Ab­ga­ben­hin­ter­zie­hung oder ver­bo­te­ne Her­stel­len von Ta­bak­wa­ren be­tref­fe. Auch in der Schweiz be­trifft die gros­se Mehr­heit der Te­le­fon­über­wa­chun­gen Ba­ga­tell­de­lik­te inkl. Stal­king. Mehr als ein Drit­tel al­ler Da­ten sind aus­ser­halb der EU ge­spei­chert, was mit Blick auf die jüngs­ten Ent­hül­lun­gen zur mas­sen­wei­sen An­zap­fung von Da­ten­ka­beln spe­zi­ell zu dis­ku­tie­ren gab. Auch in der Schweiz dür­fen Fern­mel­de­an­bie­ter die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung an Drit­te de­le­gie­ren. Von den Geg­nern der Vor­rats­da­ten­spei­che­rung wird auch be­män­gelt, dass die Be­für­wor­ter nicht in der La­ge sind, ei­nen Nut­zen auf­zu­zei­gen.

Mit ei­nem Ur­teil wird in 6 bis 8 Mo­na­ten ge­rech­net.

 

Webauftritt gestaltet mit YAML (CSS Framework), Contao 3.5.27 (Content Management System) und PHPList (Newsletter Engine)

Copyright © 2006-2025 by grundrechte.ch