Wer an SBB-Bahnhöfen gratis surft, zahlt mit seinen Daten

18. November 2013

Von Ro­meo Re­gen­ass, Ta­ges An­zei­ger

Heu­te wer­den wei­te­re Bahn­hö­fe in der Schweiz mit Gra­tis-WLAN aus­ge­rüs­tet. Kaum ein Nut­zer aber weiss, dass die SBB Han­dy­da­ten ih­rer Kun­den für be­stimm­te Zwe­cke sam­meln.

Bern-Wank­dorf, Burg­dorf oder Wet­zi­kon ha­ben es schon, heu­te Mon­tag kom­men Zü­rich-Alt­stet­ten, Stett­bach, Bülach, Thal­wil und Pfäf­fi­kon SZ dran: Die Re­de ist vom In­ter­net­zu­gang in Bahn­hö­fen der SBB. Bis En­de 2015 kann man an 100 Or­ten gra­tis sur­fen. SBB Free Wi-Fi heisst der Gra­tis-Ser­vice, der auf 60 Mi­nu­ten pro Bahn­hof be­schränkt ist und zum Teil das kos­ten­pflich­ti­ge WLAN-An­ge­bot der Swiss­com ab­lö­sen wird.

Doch was heisst schon gra­tis? «Wer das SBB-An­ge­bot nutzt, zahlt mit sei­nen Da­ten», sagt der auf IT-Recht spe­zia­li­sier­te Rechts­an­walt Mar­tin Stei­ger. Für je­den Nut­zer er­hö­ben die SBB die Han­dy­num­mer, die Mac-Adres­se zur Iden­ti­fi­zie­rung des End­ge­räts so­wie Ort, Da­tum und Zeit je­der Nut­zung. «Die SBB kön­nen da­mit um­fang­rei­che Nut­zungs- und Be­we­gungs­pro­fi­le er­stel­len», sagt Stei­ger. Der Rechts­an­walt spricht von ei­nem Tausch­han­del. «Da muss je­der selbst wis­sen, ob er sich dar­auf ein­lässt.»

Ana­ly­se des Kun­den­ver­hal­tens

Mit dem Ja zu den All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen (AGB) er­laubt je­der Nut­zer den SBB, die­se Da­ten zu er­he­ben und zu be­ar­bei­ten und da­für auch Drit­te im In- und Aus­land bei­zu­zie­hen. Die so ge­won­ne­nen Da­ten wer­den «zur Ge­win­nung und Aus­wer­tung von per­so­nen­be­zo­ge­nen In­for­ma­tio­nen ge­nutzt». Um den Per­so­nen­fluss in den Bahn­hö­fen zu op­ti­mie­ren, ana­ly­sie­ren die SBB so zum Bei­spiel das Be­we­gungs­ver­hal­ten der Kun­den auf an­ony­mi­sier­ter Ba­sis.

Was die we­nigs­ten Nut­zer rea­li­sie­ren dürf­ten: Um ihr Dienst­leis­tungs­an­ge­bot zu op­ti­mie­ren, ana­ly­sie­ren die SBB auch das Rei­se­ver­hal­ten des Kun­den und be­hal­ten sich auf­grund des er­stell­ten Pro­fils die «per­sön­li­che An­spra­che des Kun­den» mit Wer­bein­for­ma­tio­nen oder Um­fra­gen vor. Zwar sagt Ste­phan Wehr­le, Lei­ter der Me­di­en­stel­le SBB, man wer­de le­dig­lich «auf der Start­sei­te Wer­bung schal­ten». Es sei nicht ge­plant, die Da­ten für Wer­be­an­ru­fe oder Wer­be­mails zu nut­zen. Doch mög­lich ist dies auf­grund der AGB al­le­mal.

Durch­aus rea­lis­tisch ist auch die Ver­knüp­fung des An­ge­bots mit dem Han­dy-Porte­mon­naie Wal­ly, an dem die SBB ar­bei­ten, um aus den Bahn­hö­fen mehr Ren­di­te her­aus­zu­ho­len. Da­mit soll man ei­ner­seits zah­len kön­nen, an­de­rer­seits sol­len Nut­zer Ra­batt­cou­pons er­hal­ten, wenn sie et­wa an ei­ner Star­bucks-Fi­lia­le im Bahn­hof vor­bei­lau­fen. Bei den SBB heisst es, die Ziel­set­zun­gen von Wal­ly sei­en auch oh­ne Be­we­gungs­pro­fi­le er­reich­bar. «Ob ei­ne Ver­net­zung er­fol­gen wird, hängt da­von ab, ob Wal­ly letzt­lich rea­li­siert wird und ob ei­ne Ver­net­zung recht­lich zu­läs­sig, von den Kun­den ge­wünscht und öko­no­misch sinn­voll ist.»

Für ei­nen Bran­chen­ken­ner ist je­doch klar: «Das Gra­tis-Wi-Fi ist Teil des vom Steu­er­zah­ler sub­ven­tio­nier­ten Ver­suchs der Mo­no­po­li­sie­rung der lu­kra­ti­ven Zo­nen des öf­fent­li­chen Ver­kehrs durch die SBB. Wal­ly braucht Wi-Fi, da­mit sich Kun­den und Händ­ler in die­sem Netz tref­fen kön­nen.» Ne­ben den SBB ar­bei­ten Tel­e­com­un­ter­neh­men, De­tail­händ­ler und Fi­nanz­dienst­leis­ter wie die Six Group an ei­nem Han­dy-Porte­mon­naie, sie tun dies zum Teil in Ko­ope­ra­tio­nen.

SBB-Spre­cher Wehr­le weist dar­auf hin, dass in den AGB trans­pa­rent dar­ge­legt sei, wo­für die er­ho­be­nen Da­ten ge­nutzt wer­den. «Der Kun­de stimmt der Nut­zung der Da­ten aus­drück­lich zu. Es han­delt sich hier um ei­nen Gra­tis-Ser­vice, und es steht dem Be­nut­zer frei, die­sen nicht zu nut­zen.» Aus Sicht des Da­ten­schut­zes stellt sich aber die Fra­ge, ob ei­ne der­mas­sen pau­scha­le Ein­wil­li­gung für die Er­fas­sung und Spei­che­rung von Per­sön­lich­keits­pro­fi­len ge­nügt.

An­onym erst nach 12 Mo­na­ten

Wäh­rend 12 Mo­na­ten wol­len die SBB die Nut­zer­da­ten per­so­nen­be­zo­gen auf­be­wah­ren und nut­zen. Erst dann wer­den die Da­ten an­ony­mi­siert. Auch das könn­te pro­ble­ma­tisch sein. Das Bun­des­ge­setz zur Über­wa­chung des Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs schreibt ei­ne Auf­be­wah­rungs­dau­er von 6 Mo­na­ten vor. Das al­ler­dings zum Zweck der Straf­ver­fol­gung und Per­so­nen­su­che bei Ver­miss­ten, nicht zu Mar­ke­ting­zwe­cken. Den­noch ver­wei­sen die SBB auf die an­ste­hen­de Re­vi­si­on die­ses Ge­set­zes, die ei­ne Ver­län­ge­rung der Spei­cher­frist auf 12 Mo­na­te vor­se­he.

Der Eid­ge­nös­si­sche Da­ten­schutz- und Öf­fent­lich­keits­be­auf­trag­te (EDÖB) will laut Spre­cher Fran­cis Mey­er den Sach­ver­halt nä­her ab­klä­ren und die SBB kon­tak­tie­ren. Kürz­lich hat­ten die SBB den Un­mut des Da­ten­schüt­zers er­regt, weil sie über Jah­re hin­weg Schwarz­fah­rer­da­ten zu lan­ge ge­hor­tet hat­ten.

An­de­re An­bie­ter von Gra­tis-In­ter­net ge­hen beim Sam­meln von Da­ten deut­lich we­ni­ger weit als die SBB. Wirk­lich kos­ten­los ist das Sur­fen al­ler­dings kaum ein­mal:

–Wer im Star­bucks-WLAN zum Cap­puc­ci­no surft, stimmt zu, dass er via Mail oder SMS Wer­bein­for­ma­tio­nen über Pro­duk­te, An­ge­bo­te und Ak­ti­vi­tä­ten von Star­bucks er­hält.

–Wer das kos­ten­lo­se WLAN-Netz der Stadt St. Gal­len nutzt, er­klärt sich be­reit, te­le­fo­nisch oder via SMS für Um­fra­gen kon­tak­tiert zu wer­den. Die Nut­zer­da­ten wer­den auch an­ony­mi­siert ge­sam­melt, um Benutzer­statistiken zu er­stel­len.

–Wer das Gra­tis-In­ter­net im Post­au­to nutzt, zahlt gleich dop­pelt. Er gibt sein Ein­ver­ständ­nis zu Wer­bung über Pro­duk­te und An­ge­bo­te der Post und er­klärt sich zu­dem be­reit, für Um­fra­gen kon­tak­tiert zu wer­den.

Bei all die­sen An­ge­bo­ten be­zah­len Nut­zer den Gra­tis-Ser­vice so­mit zu­min­dest zum Teil mit den ei­ge­nen Da­ten. Im Un­ter­schied zu den SBB gibt kei­ner der An­bie­ter an, wie lan­ge die Nut­zer­da­ten auf­be­wahrt wer­den.

Von den vom TA an­ge­frag­ten An­bie­tern kos­ten­lo­ser WLAN-Net­ze bie­ten nur der Flug­ha­fen Zü­rich und die Stadt Lu­zern wirk­lich ei­nen Gra­tis-Ser­vice an. In bei­den Fäl­len se­hen die Nut­zungs­be­din­gun­gen we­der Wer­bung, Um­fra­gen noch an­de­re For­men mar­ke­ting­ge­trie­be­ner In­ter­ak­ti­on mit den Be­nut­ze­rin­nen und Be­nut­zern vor.

 

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