Bun­des­ge­richt

Tri­bu­nal fédéral

Tri­bu­na­le fe­dera­le

Tri­bu­nal fe­deral

{T 1/2}

1C_434/2008

Ur­teil vom 28. Sep­tem­ber 2009

I. öf­fent­lich-recht­li­che Ab­tei­lung

Be­set­zung

Bun­des­rich­ter Féraud, Prä­si­dent,

Bun­des­rich­ter Ae­mi­seg­ger, Reeb, Fon­jal­laz, Eu­se­bio,

Ge­richts­schrei­ber Stein­mann.

Par­tei­en

Po­li­ti­sche Ge­mein­de St. Gal­len, Be­schwer­de­füh­re­rin, ver­tre­ten durch den Stadt­rat, Rat­haus, 9001 St. Gal­len,

ge­gen

GSoA Schweiz, Be­schwer­de­geg­ne­rin, ver­tre­ten durch Rechts­an­walt Paul Rech­stei­ner,

Si­cher­heits- und Jus­tiz­de­par­te­ment des Kan­tons St. Gal­len, Obe­rer Gra­ben 32, 9001 St. Gal­len.

Ge­gen­stand

Ge­mein­de­au­to­no­mie (Be­wil­li­gung zur Un­ter­schrif­ten­samm­lung), Be­schwer­de ge­gen das Ur­teil vom 19. Au­gust 2008 des Ver­wal­tungs­ge­richts des Kan­tons St. Gal­len.

Sach­ver­halt:

A.

Die Grup­pe für ei­ne Schweiz oh­ne Ar­mee (GSoA) er­such­te die Stadt­po­li­zei St. Gal­len um Be­wil­li­gung von Un­ter­schrif­ten­samm­lun­gen für die von ihr lan­cier­te "Volks­in­itia­ti­ve für ein Ver­bot von Kriegs­ma­te­ri­al­ex­por­ten". Sie for­der­te die Be­wil­li­gung für 13 Ta­ge im De­zem­ber 2006 und für 12 Ta­ge im Ja­nu­ar 2007 an be­vor­zug­ten Stand­or­ten in der In­nen­stadt. Sie wies dar­auf hin, dass die Un­ter­schrif­ten­samm­lung oh­ne Stand er­fol­ge. Die Stadt­po­li­zei er­teil­te der GSoA am 1. De­zem­ber 2006 je 6 ganz­tä­gi­ge Be­wil­li­gun­gen für Un­ter­schrif­ten­samm­lun­gen im De­zem­ber 2006 und Ja­nu­ar 2007 und be­zeich­ne­te die Ört­lich­kei­ten (Spi­ser­gas­se beim Brun­nen, Mul­ter­gas­se, Neu­gas­se beim Brun­nen, Bä­ren­platz, Röss­li­tor­platz, Markt­gas­se beim Brun­nen, Neu­markt III, Fuss­gän­ger­zo­ne). Sie wies dar­auf hin, dass nach ih­rer Be­wil­li­gungs­pra­xis ma­xi­mal 6 Ak­ti­ons­ta­ge pro Mo­nat be­wil­ligt wür­den. Der Ge­such­stel­le­rin wur­de ei­ne Be­wil­li­gungs­ge­bühr von Fr. 50.-- in Rech­nung ge­stellt.

B.

Die GSoA ge­lang­te an den Stadt­rat St. Gal­len (Exe­ku­ti­ve). Die­ser wies de­ren Re­kurs am 13. Fe­bru­ar 2007 im We­sent­li­chen mit der Be­grün­dung ab, Sam­mel­ak­tio­nen stell­ten an den stark fre­quen­tier­ten Or­ten der In­nen­stadt ge­stei­ger­ten Ge­mein­ge­brauch dar und be­dürf­ten da­her ei­ner Be­wil­li­gung. Die­ses Er­for­der­nis die­ne dem Schutz von Po­li­zei­gü­tern, der Ko­or­di­na­ti­on un­ter­schied­lichs­ter Ak­ti­vi­tä­ten und der Si­cher­stel­lung ei­ner Prio­ri­tä­ten­ord­nung. Die er­ho­be­ne Ge­bühr wur­de in teil­wei­ser Gut­heis­sung des Re­kur­ses auf­ge­ho­ben. Ge­gen den Stadt­rats­ent­scheid er­hob die GSoA Re­kurs beim Jus­tiz- und Po­li­zei­de­par­te­ment des Kan­tons St. Gal­len (heu­te Si­cher­heits- und Jus­tiz­de­par­te­ment). Das De­par­te­ment hiess den Re­kurs im Sin­ne der Er­wä­gun­gen un­ter Auf­he­bung des Stadt­rats­ent­schei­des am 19. Fe­bru­ar 2008 gut. Es hielt fest, dass für ei­ne um­fas­sen­de Be­wil­li­gungs­pflicht zur Samm­lung von Un­ter­schrif­ten ei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge feh­le und die an­be­gehr­te Un­ter­schrif­ten­samm­lung nicht be­wil­li­gungs­pflich­tig sei, da sie oh­ne Stand durch­ge­führt wer­den soll­te und ein öf­fent­li­ches In­ter­es­se für die Be­schrän­kung der Sam­mel­ta­ge feh­le. Die­sen Ent­scheid focht die Po­li­ti­sche Ge­mein­de St. Gal­len in der Fol­ge beim Ver­wal­tungs­ge­richt des Kan­tons St. Gal­len an. Die­ses wies die Be­schwer­de im Sin­ne der Er­wä­gun­gen am 19. Au­gust 2008 ab. Es führ­te im We­sent­li­chen aus, für die Fra­ge des Vor­lie­gens ei­nes ge­stei­ger­ten Ge­mein­ge­brauchs und ei­ner ent­spre­chen­den Be­wil­li­gungs­pflicht sei auf die kon­kre­ten Ört­lich­kei­ten und die An­zahl der Un­ter­schrif­ten sam­meln­den Per­so­nen ab­zu­stel­len. Auf­grund der kon­kre­ten Ver­hält­nis­se kön­ne bis zu ei­ner Zahl von drei Per­so­nen kein ge­stei­ger­ter Ge­mein­ge­brauch an­ge­nom­men wer­den und es ent­fal­le ei­ne Be­wil­li­gungs­pflicht. Man­gels Vor­lie­gens von ge­stei­ger­tem Ge­mein­ge­brauch kön­ne sich ei­ne Be­wil­li­gungs­pflicht auch nicht auf das kan­to­na­le Stras­sen­ge­setz oder das kom­mu­na­le Po­li­zei­re­gle­ment stüt­zen. Bei die­ser Sach­la­ge ver­let­ze der Ent­scheid des De­par­te­men­tes die Ge­mein­de­au­to­no­mie nicht.

C.

Ge­gen die­sen Ent­scheid des Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Po­li­ti­sche Ge­mein­de St. Gal­len beim Bun­des­ge­richt am 16. Sep­tem­ber 2008 Be­schwer­de in öf­fent­lich-recht­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten er­ho­ben. Sie be­an­tragt die Auf­he­bung des Ver­wal­tungs­ge­richts­ur­teils und die Be­stä­ti­gung des Re­kurs­ent­schei­des des Stadt­ra­tes St. Gal­len vom 13. Fe­bru­ar 2007. Sie macht ei­ne Ver­let­zung der Ge­mein­de­au­to­no­mie gel­tend und bringt vor, zum Schutz der Po­li­zei­gü­ter, zwecks Ko­or­di­na­ti­on un­ter­schied­lichs­ter Ak­ti­vi­tä­ten und im Hin­blick auf die Si­cher­stel­lung ei­ner Prio­ri­tä­ten­ord­nung sei ei­ne Be­wil­li­gungs­pflicht für Un­ter­schif­ten­samm­lun­gen an den kon­kret be­trof­fe­nen, be­son­ders neur­al­gi­schen Or­ten in der In­nen­stadt er­for­der­lich. Die GSoA und das Ver­wal­tungs­ge­richt be­an­tra­gen mit ih­ren Ver­nehm­las­sun­gen die Ab­wei­sung der Be­schwer­de. Den­sel­ben An­trag stellt das Si­cher­heits- und Jus­tiz­de­par­te­ment un­ter Hin­weis auf das an­ge­foch­te­ne Ur­teil. Die Be­schwer­de­füh­re­rin hat wei­te­re Be­mer­kun­gen zu den ört­li­chen Ver­hält­nis­sen ein­ge­reicht, dar­auf hin auch die Be­schwer­de­geg­ne­rin.

Er­wä­gun­gen:

1.

1.1 Die Po­li­ti­sche Ge­mein­de St. Gal­len ist durch den an­ge­foch­te­nen Ent­scheid des Ver­wal­tungs­ge­richts, mit dem ihr Be­wil­li­gungs­ent­scheid auf­ge­ho­ben und ih­re Be­wil­li­gungs­be­fug­nis ver­neint wer­den, in ih­ren ho­heit­li­chen Be­fug­nis­sen be­trof­fen. Sie ist da­her nach Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG le­gi­ti­miert, mit Be­schwer­de in öf­fent­lich-recht­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten un­ter Be­ru­fung auf Art. 89 der Ver­fas­sung des Kan­tons St. Gal­len (KV/SG, SR 131.225) ei­ne Ver­let­zung ih­rer Ge­mein­de­au­to­no­mie gel­tend zu ma­chen (vgl. BGE 135 I 43 E. 1.2 S. 45, 131 I 91 E. 1 S. 93, 128 I 136 E. 1.2 S. 139, je mit Hin­wei­sen). Auf die form- und frist­ge­recht ein­ge­reich­te Be­schwer­de kann ein­ge­tre­ten wer­den.

1.2 Nach Art. 89 KV/SG sind die Ge­mein­den im Rah­men der Ge­setz­ge­bung hin­sicht­lich des Er­las­ses von Ver­fü­gun­gen und in Be­zug auf die Ge­setz­ge­bung au­to­nom. Das Stras­sen­ge­setz des Kan­tons St. Gal­len (StrG, Ge­set­zes­samm­lung 732.1) über­lässt das Ver­fü­gungs­recht über die öf­fent­li­chen Stras­sen wei­test­ge­hend den Ge­mein­den und räumt ih­nen die Be­fug­nis ein, den Ge­mein­ge­brauch ein­zu­schrän­ken und den ge­stei­ger­ten Ge­mein­ge­brauch zu ord­nen (vgl. Art. 20 f. StrG). Da­mit steht der Be­schwer­de­füh­re­rin im hier be­trof­fe­nen Be­reich Au­to­no­mie zu, was von kei­ner Sei­te in Fra­ge ge­stellt wird. So­mit kann sich die Be­schwer­de­füh­re­rin da­ge­gen zur Wehr set­zen, dass ei­ne kan­to­na­le Be­hör­de in ei­nem Rechts­mit­tel­ver­fah­ren ih­re Prü­fungs­be­fug­nis über­schrei­tet oder die den be­tref­fen­den Sach­be­reich ord­nen­den Vor­schrif­ten un­rich­tig aus­legt und an­wen­det. Fer­ner kann sie gel­tend ma­chen, die kan­to­na­le Be­hör­de ha­be die Trag­wei­te von ver­fas­sungs­mäs­si­gen Rech­ten miss­ach­tet. Schliess­lich kann sie sich auf das Will­kür­ver­bot und auf Ver­fah­rens­grund­rech­te be­ru­fen, so­weit die­se Vor­brin­gen mit der be­haup­te­ten Rü­ge der Au­to­no­mie­ver­let­zung in en­gem Zu­sam­men­hang ste­hen. Die An­wen­dung von eid­ge­nös­si­schem und kan­to­na­lem Ver­fas­sungs­recht prüft das Bun­des­ge­richt mit frei­er Ko­gni­ti­on, die Hand­ha­bung von Ge­set­zes- und Ver­ord­nungs­recht un­ter dem Ge­sichts­win­kel des Will­kür­ver­bots (BGE 131 I 91 E. 1 S. 93; 129 I 290 E. 2.3 S. 295; 129 I 410 E. 2.3 S. 414; 128 I 136 E. 2.2 S. 140; 126 I 133 E. 2 S. 136). Das Bun­des­ge­richt auf­er­legt sich Zu­rück­hal­tung, so­weit die Be­ur­tei­lung der Streit­sa­che von ei­ner Wür­di­gung der ört­li­chen Ver­hält­nis­se ab­hängt, wel­che die kan­to­na­len Be­hör­den bes­ser über­bli­cken (vgl. BGE 132 II 408 E. 4.3 S. 415; 129 I 337 E. 4.1 S. 344; 126 I 219 E. 2c S. 222).

2.

Aus­ge­hend vom Er­su­chen der Be­schwer­de­geg­ne­rin so­wie den Ent­schei­dun­gen der Stadt­po­li­zei und des Stadt­ra­tes bil­det Ge­gen­stand des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens ein­zig das an­ge­foch­te­ne Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts mit dem zu­grun­de lie­gen­den Sach­ver­halt. Nicht da­zu zählt das Re­gle­ment des Stadt­ra­tes vom 22. Fe­bru­ar 2007 über die Be­wil­li­gungs­pflicht bei der Samm­lung von Un­ter­schrif­ten auf dem öf­fent­li­chen Grund, des­sen Ge­neh­mi­gung durch das zu­stän­di­ge De­par­te­ment aus­steht. Die­ses Re­gle­ment ist im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren kei­ner abs­trak­ten Norm­kon­trol­le zu un­ter­zie­hen. Es ist nicht zu prü­fen, wie es die Vor­aus­set­zun­gen für das Sam­meln von Un­ter­schrif­ten auf öf­fent­li­chem Grund (all­ge­mein, in der In­nen­stadt und an be­stimm­ten Or­ten der Alt­stadt) um­schreibt und ob es ganz oder in Tei­len vor der Ver­fas­sung stand­hält. Dar­an än­dert der Um­stand nichts, dass das Re­gle­ment in wei­tem Mas­se in ge­ne­rell-abs­trak­ter Wei­se die Pra­xis fest­hält, die mit dem Stadt­rats­ent­scheid vom 13. Fe­bru­ar 2007 in Ab­wei­sung des Re­kur­ses der Be­schwer­de­geg­ne­rin be­stä­tigt wor­den war. Hin­sicht­lich des Sach­ver­halts ist auf fol­gen­de Ge­ge­ben­hei­ten ab­zu­stel­len: Die Be­schwer­de­geg­ne­rin er­such­te um Be­wil­li­gung für Un­ter­schrif­ten­samm­lun­gen an 12 bzw. 13 Ta­gen im De­zem­ber 2006 bzw. Ja­nu­ar 2007. Die Stadt­po­li­zei er­teil­te - mit nach­träg­li­cher Zu­stim­mung des Stadt­ra­tes - die Be­wil­li­gung für je 6 Ta­ge; sie un­ter­sag­te da­mit zu­sätz­li­che Sam­mel­ta­ge. Die Ört­lich­kei­ten sind zwi­schen der Be­schwer­de­füh­re­rin und der Be­schwer­de­geg­ne­rin nicht um­strit­ten. Es han­delt sich um be­stimm­te Or­te in der In­nen­stadt, die sich für das Sam­meln von Un­ter­schrif­ten eig­nen. So er­teil­te die Stadt­po­li­zei Be­wil­li­gun­gen für die Spi­ser­gas­se (beim Brun­nen), die Mul­ter­gas­se, die Neu­gas­se (beim Brun­nen), den Bä­ren­platz, den Röss­li­tor­platz, die Markt­gas­se (beim Brun­nen), den Neu­markt III und die Fuss­gän­ger­zo­ne. Für die­se Or­te ver­nein­te das Ver­wal­tungs­ge­richt das Vor­lie­gen von ge­stei­ger­tem Ge­mein­ge­brauch und ei­ne Be­wil­li­gungs­pflicht. Al­le be­fass­ten In­stan­zen ge­hen wei­ter da­von aus, dass die Un­ter­schrif­ten­samm­lung oh­ne ei­nen Stand er­folgt. Das Ver­wal­tungs­ge­richt legt sei­nem Ent­scheid fer­ner zu­grun­de, dass an ei­nem be­stimm­ten Ort von Sei­ten der Be­schwer­de­geg­ne­rin höchs­tens drei Per­so­nen Un­ter­schrif­ten sam­meln; es hat of­fen ge­las­sen, wie es sich mit der Be­wil­li­gungs­pflicht bei ei­ner grös­se­ren An­zahl von Per­so­nen ver­hiel­te. Schliess­lich steht die Er­he­bung ei­ner Ge­bühr, die der Stadt­rat auf­ge­ho­ben hat­te, nicht in Fra­ge. Zu­sam­men­fas­send be­fand das Ver­wal­tungs­ge­richt ent­ge­gen dem Stadt­rat, dass das Sam­meln von Un­ter­schrif­ten durch Ein­zel­per­so­nen bzw. durch zwei oder drei Per­so­nen je be­zo­gen auf die ge­nann­ten Ört­lich­kei­ten kei­nen ge­stei­ger­ten Ge­mein­ge­brauch dar­stel­le und dass die­se Tä­tig­keit kei­ner Be­wil­li­gungs­pflicht un­ter­stellt wer­den dür­fe. Es ist zu prü­fen, ob die­ser Ent­scheid vor der an­ge­ru­fe­nen Ge­mein­de­au­to­no­mie stand­hält.

3.

Im Fol­gen­den ist vor­erst zu prü­fen, ob die An­nah­me des Ver­wal­tungs­ge­richts vor der Ver­fas­sung stand­hal­te, dass die Un­ter­schrif­ten­samm­lung im ge­nann­ten Rah­men kei­nen ge­stei­ger­ten Ge­mein­ge­brauch dar­stel­le und des­halb kei­ner Be­wil­li­gung be­dür­fe.

3.1 Die Nut­zung von öf­fent­li­chen Sa­chen rich­tet sich in ers­ter Li­nie nach kan­to­na­lem Recht. Die­ses um­schreibt ins­be­son­de­re, in wel­chem Rah­men und Aus­mass öf­fent­li­che Sa­chen im Ge­mein­ge­brauch ge­nutzt wer­den dür­fen und wie na­ment­lich öf­fent­li­cher Grund von der All­ge­mein­heit be­nützt wer­den darf. Da­bei un­ter­schei­den die kan­to­na­len Rechts­ord­nun­gen und die Pra­xis meist zwi­schen schlich­tem Ge­mein­ge­brauch, ge­stei­ger­tem Ge­mein­ge­brauch und Son­der­nut­zung. Die Recht­spre­chung und die Ver­wal­tungs­rechts­wis­sen­schaft ha­ben die­se Ein­tei­lung kon­kre­ti­siert (vgl. zur Leh­re HÄ­FE­LIN/MÜL­LER/UHL­MANN, All­ge­mei­nes Ver­wal­tungs­recht, 5. Aufl. 2006, S. 507 ff. Rz. 2371 ff.; TO­BI­AS JAAG, Ge­mein­ge­brauch und Son­der­nut­zung öf­fent­li­cher Sa­chen, in: ZBl 93/1992 S. 150 ff.; AN­DRÉ GRI­SEL, Traité de droit ad­mi­nis­tra­tif, 2. Aufl. 1984, Band II, S. 543 ff.; PIER­RE MOOR, Droit ad­mi­nis­tra­tif, Band III, 1992 S. 282 ff.). Dies än­dert nichts am Um­stand, dass ins­be­son­de­re die Be­grif­fe des schlich­ten bzw. des ge­stei­ger­ten Ge­mein­ge­brauchs kan­to­nal­recht­lich be­stimmt sind. Das kan­to­na­le Stras­sen­ge­setz, wel­ches auf öf­fent­li­che Plät­ze sach­ge­mäss an­ge­wen­det wird (Art. 1 Abs. 3 StrG), ver­wen­det die Be­grif­fe des ein­fa­chen bzw. des ge­stei­ger­ten Ge­mein­ge­brauchs an ver­schie­de­ner Stel­le, oh­ne sie im Ein­zel­nen nä­her zu um­schrei­ben (vgl. Art. 1 Abs. 1, Art. 17, Art. 20, Art. 21 und Art. 29 StrG; vgl. fer­ner Art. 24 ff. StrG zur Son­der­nut­zung).

3.2 Nach Recht­spre­chung und Leh­re ge­hö­ren zum schlich­ten Ge­mein­ge­brauch die Nut­zun­gen öf­fent­li­cher Sa­chen und all je­ne Tä­tig­kei­ten auf öf­fent­li­chem Grund, die ent­spre­chend der breit um­schrie­be­nen und weit ver­stan­de­nen Wid­mung der All­ge­mein­heit vor­aus­set­zungs­los of­fen ste­hen. Merk­mal des schlich­ten Ge­mein­ge­brauchs - und zu­gleich we­sent­li­ches Kri­te­ri­um der Ab­gren­zung zum ge­stei­ger­ten Ge­mein­ge­brauch - bil­det die Ge­mein­ver­träg­lich­keit. Ei­ne Nut­zung wird als ge­mein­ver­träg­lich be­trach­tet, wenn sie von al­len in­ter­es­sier­ten Bür­gern glei­cher­mas­sen aus­ge­übt wer­den kann, oh­ne dass an­de­re an der ent­spre­chen­den Nut­zung über­mäs­sig be­hin­dert wer­den. We­sent­lich ist, dass im frag­li­chen Be­reich ge­samt­haft ei­ne gleich­ar­ti­ge Be­nut­zung durch al­le In­ter­es­sier­ten prak­tisch mög­lich ist (BGE 122 I 279 E. 2e/cc S. 286 mit Hin­wei­sen). Die Gren­ze des ein­fa­chen Ge­mein­ge­brauchs wird in­des über­schrit­ten, wenn ei­ne Nut­zung ih­rer Na­tur oder In­ten­si­tät nach den Rah­men des Üb­li­chen über­steigt, nicht mehr der be­stim­mungs­ge­mäs­sen Ver­wen­dung ent­spricht, den recht­mäs­si­gen Ge­brauch durch an­de­re Be­nüt­zer be­ein­träch­tigt und so­mit nicht mehr ge­mein­ver­träg­lich ist. Für die Ab­gren­zung im Ein­zel­nen ist auf die kon­kre­ten ört­li­chen und zeit­li­chen Ge­ge­ben­hei­ten so­wie die Art und das Aus­mass der üb­li­chen Be­nüt­zung ab­zu­stel­len (BGE 126 I 133 E. 4c S. 139; 105 Ia 91 E. 2 S. 93; je mit Hin­wei­sen; vgl. zum Gan­zen Hä­fe­lin/Mül­ler/Uhl­mann, a.a.O., S. 507 ff. Rz. 2371 ff.; Gri­sel, a.a.O., S. 543 ff.). Ge­stei­ger­ter Ge­mein­ge­brauch un­ter­liegt im All­ge­mei­nen ei­ner Be­wil­li­gungs­pflicht, wel­che nicht so sehr dem Schutz von Po­li­zei­gü­tern als viel­mehr der Ko­or­di­na­ti­on und Prio­ri­tä­ten­set­zung zwi­schen ver­schie­de­nen Nut­zun­gen des öf­fent­li­chen Raums dient (BGE 127 I 164 E. 3b S. 169; 126 I 133 E. 4d S. 139; je mit Hin­wei­sen). Nach der un­ter der al­ten Bun­des­ver­fas­sung er­gan­ge­nen Recht­spre­chung durf­te ge­stei­ger­ter Ge­mein­ge­brauch auch oh­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge von ei­ner Be­wil­li­gung ab­hän­gig ge­macht wer­den (vgl. BGE 121 I 279 E. 2b S. 283; 105 Ia 91 E. 2 S. 93; je mit Hin­wei­sen). Un­ter der neu­en Bun­des­ver­fas­sung wird von der Leh­re ei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge für ei­ne Be­wil­li­gungs­pflicht ge­for­dert (vgl. Hä­fe­lin/Mül­ler/Uhl­mann, a.a.O., S. 512 Rz. 2404; J. P. Mül­ler/M. Schefer, Grund­rech­te in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 428 f.; Bea­tri­ce We­ber-Dür­ler, Grund­rechts­ein­grif­fe, in: BT­JP 1999, S. 137 f.). Wie es sich mit die­ser Fra­ge ver­hält, kann im vor­lie­gen­den Fall of­fen blei­ben. Bei der Be­wil­li­gungs­er­tei­lung oder -ver­wei­ge­rung ist der mit dem ge­stei­ger­ten Ge­mein­ge­brauch ver­bun­de­nen Grund­rechts­aus­übung Rech­nung zu tra­gen. In die­sem Sin­ne wird im All­ge­mei­nen ein be­ding­ter An­spruch auf Be­wil­li­gung von ge­stei­ger­tem Ge­mein­ge­brauch an­er­kannt (vgl. BGE 132 I 256 E. 3 S. 260; 127 I 164 E. 3b-c S. 168; 126 I 133 E. 4d S. 139). In die­sem Sin­ne stel­len Kund­ge­bun­gen auf öf­fent­li­chem Grund klar ge­stei­ger­ten Ge­mein­ge­brauch dar und dür­fen un­ter Be­wil­li­gungs­vor­be­halt ge­stellt wer­den (vgl. BGE 127 I 164 E. 3b S. 168 mit Hin­wei­sen). Gleich ver­hält es sich, wenn für ei­ne be­stimm­te Tä­tig­keit In­stal­la­tio­nen wie In­for­ma­ti­ons­stän­de oder Ti­sche und Ähn­li­ches auf­ge­stellt wer­den (BGE 105 Ia 91 E. 2 S. 92). Beim Ver­tei­len von Druckerzeug­nis­sen in der Zür­cher In­nen­stadt zum Zweck ei­nes ent­gelt­li­chen Ver­trie­bes von Kur­sen und Bü­chern ist das Bun­des­ge­richt von ge­stei­ger­tem Ge­mein­ge­brauch aus­ge­gan­gen, un­ter Hin­weis dar­auf, dass Ge­sprä­che mit Pas­san­ten ge­führt wür­den und da­durch Aus­weich­be­we­gun­gen der Stras­sen­be­nüt­zer, Men­schen­an­samm­lun­gen oder gar Aus­ein­an­der­set­zun­gen in stark fre­quen­tier­ten La­gen zu Stö­run­gen des Ver­kehrs­flus­ses füh­ren könn­ten (BGE 126 I 133 E. 4 S. 137). Das Sam­meln von Un­ter­schrif­ten auf öf­fent­li­chem Grund ist un­ter­schied­lich be­ur­teilt wor­den. In BGE 109 Ia 209 liess das Bun­des­ge­richt of­fen, ob es ge­stei­ger­ten Ge­mein­ge­brauch dar­stellt (E. 4a S. 210). Auch in BGE 97 I 893 blieb die Fra­ge of­fen; gleich­wohl wur­den bei ei­ner Un­ter­schrif­ten­samm­lung das Vor­lie­gen von ge­stei­ger­tem Ge­mein­ge­brauch und ein ent­spre­chen­des Be­wil­li­gungs­er­for­der­nis letzt­lich be­jaht (E. 5 S. 896). In bei­den Fäl­len wur­de nur we­nig Be­zug ge­nom­men auf die kon­kre­ten ört­li­chen Ge­ge­ben­hei­ten. Schliess­lich hat das Bun­des­ge­richt un­ter Be­zug­nah­me auf das Grund­recht der Mei­nungs­äus­se­rung er­kannt, dass das un­ent­gelt­li­che Ver­tei­len ei­ner ver­viel­fäl­tig­ten Schrift durch ei­ne Ein­zel­per­son vor ei­nem Fa­brik­ge­bäu­de nicht von ei­ner Be­wil­li­gung ab­hän­gig ge­macht wer­den dür­fe; das Vor­lie­gen von ge­stei­ger­tem Ge­mein­ge­brauch blieb of­fen (BGE 96 I 586; vgl. zum Gan­zen Bénédic­te Tor­nay, La démo­cra­tie di­rec­te sai­sie par le ju­ge, 2008, S. 192 f.).

3.3 Für die Be­ur­tei­lung der vor­lie­gen­den An­ge­le­gen­heit ist, wie dar­ge­tan, da­von aus­zu­ge­hen, dass das Sam­meln von Un­ter­schrif­ten für ei­ne Volks­in­itia­ti­ve durch Ein­zel­per­so­nen bzw. durch zwei oder höchs­tens drei Per­so­nen an den ge­nann­ten Ört­lich­kei­ten in Fra­ge steht. Es han­delt sich um Or­te in den Fuss­gän­ger­zo­nen der St. Gal­ler In­nen­stadt. Die­se Si­tua­ti­on oh­ne mo­to­ri­sier­ten Ver­kehr un­ter­schei­det sich dem­nach er­heb­lich von den Ent­schei­den BGE 126 I 133 und 97 I 893, wo die Re­de war von Aus­weich­be­we­gun­gen von Pas­san­ten, Men­schen­an­samm­lun­gen, Dis­kus­sio­nen oder gar Aus­ein­an­der­set­zun­gen, wel­che in stark fre­quen­tier­ten La­gen zu Stö­run­gen des Ver­kehrs­flus­ses füh­ren könn­ten (BGE 126 I 133 E. 4c S. 139; 97 I 893 E. 5 S. 897). Bei den vor­lie­gen­den Ört­lich­kei­ten ist wei­ter da­von aus­zu­ge­hen, dass sie ei­ne für Fuss­gän­ger­zo­nen in der Alt­stadt üb­li­che Fre­quen­tie­rung auf­wei­sen und da­her kaum mit ei­gent­li­chen Durch­gangs­pas­sa­gen ver­gli­chen wer­den kön­nen, in de­nen gros­se Pas­san­ten­strö­me durch Un­ter­schrif­ten­samm­lun­gen er­heb­lich ge­stört wer­den könn­ten (vgl. BGE 132 I 49 E. 7.2 S. 63). Aus den Ak­ten er­gibt sich, dass die be­trof­fe­nen Or­te und Gas­sen an je­nen Stel­len, et­wa mit al­ten Brun­nen, ei­ne ge­wis­se Ver­en­gung auf­wei­sen. Gleich­wohl kann nicht an­ge­nom­men wer­den, dass das Zir­ku­lie­ren von Pas­san­ten durch das Sam­meln von Un­ter­schrif­ten er­heb­lich be­ein­träch­tigt oder ge­stört wür­de und die Un­ter­schrif­ten­samm­lung vor dem Hin­ter­grund der all­ge­mei­nen Zweck­be­stim­mung zu­guns­ten der Fuss­gän­ger nicht mehr ge­mein­ver­träg­lich wä­re. Die Be­schwer­de­füh­re­rin räumt denn auch ein, dass die Un­ter­schrif­ten­samm­lung durch ei­ne Ein­zel­per­son kaum zu er­heb­li­chen "Stö­run­gen des Ver­kehrs­flus­ses" füh­ren wür­de. Ent­ge­gen ih­rer Auf­fas­sung kann aus BGE 96 I 586, wo ei­ne Be­wil­li­gungs­pflicht für das Ver­tei­len ei­ner Schrift vor ei­ner Fa­brik durch ei­ne Ein­zel­per­son aus grund­recht­li­cher Sicht als ver­fas­sungs­wid­rig be­zeich­net wor­den ist, nicht ab­ge­lei­tet wer­den, dass Un­ter­schrif­ten­samm­lun­gen durch drei Per­so­nen oder gar durch ei­ne ein­zi­ge Per­son ge­stei­ger­ten Ge­mein­ge­brauch dar­stel­len wür­de. Bei die­ser Sach­la­ge er­gibt sich ge­samt­haft, dass das Ver­wal­tungs­ge­richt die kan­to­nal­recht­lich be­stimm­ten Be­grif­fe des schlich­ten bzw. ge­stei­ger­ten Ge­mein­ge­brauchs we­der will­kür­lich aus­ge­legt noch mit Blick auf die kon­kre­ten Ver­hält­nis­se will­kür­lich an­ge­wen­det hat. Vor die­sem Hin­ter­grund ist es sach­lich halt­bar, dass das Ver­wal­tungs­ge­richt ei­ne Be­wil­li­gungs­pflicht für ent­spre­chen­de Un­ter­schrif­ten­samm­lun­gen ver­neint hat. Dar­aus er­gibt sich, dass das Ver­wal­tungs­ge­richt mit dem an­ge­foch­te­nen Ent­scheid in die­ser Hin­sicht die Au­to­no­mie der Stadt St. Gal­len nicht ver­letzt hat. In­so­weit er­weist sich die Be­schwer­de als un­be­grün­det.

3.4 Die­se Ein­schät­zung stellt auf die heu­ti­gen kon­kre­ten Ver­hält­nis­se ab. Än­de­run­gen sind in­des nicht aus­ge­schlos­sen. Soll­ten im Ein­zel­fall nam­haf­te Stö­run­gen auf­tre­ten, so kön­nen all­ge­mei­ne po­li­zei­li­che Mass­nah­men zur Auf­recht­er­hal­tung der öf­fent­li­chen Ord­nung und Si­cher­heit er­grif­fen wer­den, oh­ne dass ei­ne prä­ven­ti­ve Re­ge­lung not­wen­dig wä­re (vgl. BGE 96 I 586 E. 4c S. 591). Fer­ner hat das Bun­des­ge­richt fest­ge­hal­ten, dass ei­ne Tä­tig­keit, die ge­mein­ver­träg­lich ist, so­lan­ge sie nur von we­ni­gen aus­ge­übt wird, bei häu­fi­ge­rem Vor­kom­men zu ge­stei­ger­tem Ge­mein­ge­brauch wer­den und in­so­weit von ei­ner Be­wil­li­gung oder an­dern Vor­aus­set­zun­gen ab­hän­gig ge­macht wer­den kann (BGE 122 I 279 E. 2e/cc S. 287). Dies gilt auch für die vor­lie­gen­de Kon­stel­la­ti­on.

4.

Aus­ge­hend von der vor­ste­hen­den Er­wä­gung stellt sich die wei­te­re Fra­ge, ob die Un­ter­schrif­ten­samm­lung an den ent­spre­chen­den Or­ten auf un­ter­schied­li­cher Grund­la­ge gleich­wohl ei­ner Be­wil­li­gungs­pflicht un­ter­stellt wer­den dür­fe. Die Be­schwer­de­füh­re­rin er­ach­tet die Be­wil­li­gungs­pflicht nicht in ers­ter Li­nie we­gen des von ihr an­ge­nom­me­nen ge­stei­ger­ten Ge­mein­ge­brauchs für er­for­der­lich. Sie bringt viel­mehr vor, die be­trof­fe­nen Or­te sei­en für ver­schie­den­ar­tigs­te Tä­tig­kei­ten äus­serst at­trak­tiv, ins­be­son­de­re für un­ter­schied­lichs­te Ak­tio­nen po­li­ti­scher, re­li­giö­ser, ge­mein­nüt­zi­ger oder kul­tu­rel­ler Art. Es gel­te, die­se al­le­samt grund­recht­lich ge­schütz­ten In­ter­es­sen best­mög­lich zu ko­or­di­nie­ren und un­ge­stört zur Ver­wirk­li­chung kom­men zu las­sen so­wie ei­ne Über­be­las­tung der be­trof­fe­nen Ört­lich­kei­ten durch ei­ne gleich­zei­ti­ge Be­an­spru­chung ver­schie­de­ner In­ter­es­sen­ten zu ver­hin­dern. Vor die­sem Hin­ter­grund und im Sin­ne ei­ner um­fas­sen­den Grund­rechts­ge­wäh­rung recht­fer­ti­ge sich ei­ne Be­wil­li­gungs­pflicht ge­ra­de auch für das Sam­meln von Un­ter­schrif­ten für Volks­be­geh­ren.

4.1 Die Be­schwer­de­füh­re­rin bringt vor, dass Be­wil­li­gun­gen für ge­stei­ger­ten Ge­mein­ge­brauch nicht nur dem Schutz von Po­li­zei­gü­tern, son­dern der Ko­or­di­na­ti­on und Prio­ri­tä­ten­set­zun­gen zwi­schen ver­schie­de­nen Nut­zun­gen des öf­fent­li­chen Grun­des dien­ten. Das Bun­des­ge­richt hat sich in der Tat in die­ser Wei­se ge­äus­sert (BGE 127 I 164 E. 3b S. 168; 126 I 133 E. 4d S. 139). Da­bei geht es um Tä­tig­kei­ten, wel­che ge­stei­ger­ten Ge­mein­ge­brauch dar­stel­len und die gleich­ar­ti­ge Mit­be­nut­zung durch un­be­tei­lig­te Per­so­nen ein­schrän­ken. Das macht ei­ne Ko­or­di­na­ti­on un­ter den ver­schie­de­nen Be­nut­zern er­for­der­lich, um­so mehr als et­wa für die Durch­füh­rung ei­ner De­mons­tra­ti­on ein be­ding­ter An­spruch auf Be­nüt­zung von öf­fent­li­chem Grund be­steht (vgl. BGE 132 I 256 E. 3 S. 258; 127 I 164 E. 4c S. 171; Ur­teil 1C_140/2008 vom 17. März 2009 E. 5). Die Ko­or­di­na­ti­on ist da­bei aus­ge­rich­tet auf die Si­cher­stel­lung der ur­sprüng­li­chen Funk­ti­on des be­trof­fe­nen öf­fent­li­chen Grun­des zu­guns­ten von un­be­tei­lig­ten Drit­ten. Ein sol­ches Be­dürf­nis ist im vor­lie­gen­den Fall nicht er­sicht­lich. Es steht nach dem Ge­sag­ten ei­ne Tä­tig­keit wie das Sam­meln von Un­ter­schrif­ten in Fra­ge, die vom Ver­wal­tungs­ge­richt als ge­mein­ver­träg­lich be­fun­den wor­den ist. Bei die­ser Sach­la­ge ist ei­ne Ko­or­di­na­ti­on bzw. ei­ne Si­cher­stel­lung der ur­sprüng­li­chen Funk­ti­on nicht wirk­lich er­for­der­lich und ei­ne Steue­rung mit ei­nem Be­wil­li­gungs­ver­fah­ren grund­sätz­lich ent­behr­lich.

4.2 An die­sen Er­wä­gun­gen ver­mag auch ei­ne grund­recht­li­che Op­tik nichts zu än­dern. Es wird an­ge­nom­men, dass be­reits die An­ord­nung ei­ner Be­wil­li­gungs­pflicht ei­nen Grund­rechts­ein­griff be­deu­tet (vgl. BGE 96 I 219 E. 5 S. 225; We­ber-Dür­ler, a.a.O., S. 135; Mül­ler/Schefer, a.a.O., S. 427; AU­ER/MAL­IN­VER­NI/HOT­TE­LIER, Droit con­sti­tu­ti­on­nel su­is­se, Band II, 2. Aufl. 2006, N. 690 ff.). Das Be­wil­li­gungs­er­for­der­nis für Kund­ge­bun­gen auf öf­fent­li­chem Grund be­wirkt Be­schrän­kun­gen der aus Art. 16 und 22 BV flies­sen­den Ge­währ­leis­tun­gen. Glei­ches gilt für das Sam­meln von Un­ter­schrif­ten für Volks­be­geh­ren. Zur Ga­ran­tie der po­li­ti­schen Rech­te ge­mäss Art. 34 Abs. 1 BV im All­ge­mei­nen so­wie der In­itia­tiv- und Re­fe­ren­dums­rech­te im Be­son­dern (auf Bun­des­ebe­ne nach Art. 136 Abs. 2 BV) ge­hört auch das Sam­meln von Un­ter­schrif­ten, das weit­ge­hend auf die Be­nüt­zung von öf­fent­li­chem Grund an­ge­wie­sen ist (vgl. BGE 97 I 893 E. 2 S. 895; PIER­RE TSCHAN­NEN, Staats­recht der Schwei­ze­ri­schen Eid­ge­nos­sen­schaft, 2. Aufl. 2007, § 51 N. 9). Er­for­der­lich ist da­her, dass ent­spre­chen­de Be­schrän­kun­gen durch ein öf­fent­li­ches In­ter­es­se oder durch den Schutz von Grund­rech­ten Drit­ter ge­recht­fer­tigt sind. Un­ter die­sem Ge­sichts­win­kel ist im vor­lie­gen­den Fall ein öf­fent­li­ches In­ter­es­se an ei­ner Be­schrän­kung zur­zeit nicht er­sicht­lich. Es wird von Sei­ten der Be­schwer­de­füh­re­rin nicht nach­ge­wie­sen, dass die Frei­ga­be der Un­ter­schrif­ten­samm­lung im Sin­ne der ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Er­wä­gun­gen zu kon­kre­ten Schwie­rig­kei­ten füh­ren könn­te. Es wird auch nicht dar­ge­legt, dass sich in der Ver­gan­gen­heit zahl­rei­che Grup­pie­run­gen um gleich­zei­ti­ge Be­wil­li­gun­gen an glei­chen Or­ten be­müht oder dass meh­re­re gleich­zei­ti­ge Un­ter­schrif­ten­samm­lun­gen zu Nach­tei­len oder Stö­run­gen ge­führt hät­ten. In­so­weit er­wei­sen sich die Be­den­ken der Stadt St. Gal­len als hy­po­the­tisch und ver­mö­gen da­her kein ak­tu­el­les öf­fent­li­ches In­ter­es­se an ei­ner Ein­schrän­kung von Un­ter­schrif­ten­samm­lun­gen und ei­ner ent­spre­chen­den Steue­rung mit ei­nem Be­wil­li­gungs­ver­fah­ren zu be­grün­den. Auch ein Be­dürf­nis nach Schutz von drit­ten Grund­rechts­trä­gern ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­schwer­de­füh­re­rin zur­zeit nicht er­sicht­lich. Ein all­fäl­li­ges Schutz­be­dürf­nis wird erst ak­tu­ell, wenn ver­schie­de­ne Grund­rechts­trä­ger wie die ge­nann­ten Grup­pen po­li­ti­scher, re­li­giö­ser, ge­mein­nüt­zi­ger oder kul­tu­rel­ler Art kon­kret zu­ein­an­der in Kon­kur­renz tre­ten oder mit­ein­an­der in Kon­flikt ge­ra­ten. Kon­kre­te Hin­wei­se auf der­ar­ti­ge Si­tua­tio­nen wer­den von Sei­ten der Be­schwer­de­füh­re­rin nicht nam­haft ge­macht. So­weit die Tä­tig­kei­ten sol­cher Grup­pen im Be­rei­che des schlich­ten Ge­mein­ge­brauchs blei­ben, tre­ten die­se in na­tür­li­che Kon­kur­renz zu­ein­an­der und spre­chen die Pas­san­ten je auf ih­re ei­ge­ne Art an. Vor die­sem Hin­ter­grund be­darf es kei­nes vor­aus­ge­hen­den Schut­zes die­ser Grup­pen oder zwecks ei­nes all­fäl­li­gen In­ter­es­sen­aus­gleichs ei­ner vor­gän­gi­gen Steue­rung von Sei­ten der Be­hör­den. Dar­an ver­mag der Um­stand nichts zu än­dern, dass die ei­ne Grup­pe mög­li­cher­wei­se ak­ti­ver auf­tritt als ei­ne an­de­re. In die­ser Hin­sicht kann ver­mu­tet wer­den, dass ei­ne ge­wis­se Selbst­re­gu­lie­rung ein­setzt und un­ter­schied­li­che Grup­pen je in der für ih­re An­lie­gen ge­eig­ne­ten Wei­se in Er­schei­nung tre­ten, so­dass im All­ge­mei­nen ein drin­gen­des Steue­rungs­be­dürf­nis ent­fällt. Auch un­ter die­sem Ge­sichts­win­kel ist ein In­ter­es­se an ei­ner Ein­schrän­kung von Un­ter­schrif­ten­samm­lun­gen nicht dar­ge­tan. Bei die­ser Sach­la­ge kann nicht ge­sagt wer­den, dass das Ver­wal­tungs­ge­richt die Trag­wei­te von Ver­fas­sungs­recht miss­ach­tet hät­te. Sein Ent­scheid hält auch in­so­weit vor der Ver­fas­sung stand und ver­letzt da­mit die Au­to­no­mie der Stadt St. Gal­len nicht.

5.

Dem­nach er­weist sich die Au­to­no­mie­be­schwer­de als un­be­grün­det und ist ab­zu­wei­sen. Für das bun­des­ge­richt­li­che Ver­fah­ren sind kei­ne Kos­ten zu er­he­ben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Die Be­schwer­de­füh­re­rin hat die Be­schwer­de­geg­ne­rin zu ent­schä­di­gen (Art. 68 Abs. 1 BGG).

Dem­nach er­kennt das Bun­des­ge­richt:

1.

Die Be­schwer­de wird ab­ge­wie­sen.

2.

Es wer­den kei­ne Kos­ten er­ho­ben.

3.

Die Be­schwer­de­füh­re­rin hat die Be­schwer­de­geg­ne­rin für das bun­des­ge­richt­li­che Ver­fah­ren mit Fr. 1'500.-- zu ent­schä­di­gen.

4.

Die­ses Ur­teil wird den Par­tei­en so­wie dem Si­cher­heits- und Jus­tiz­de­par­te­ment und dem Ver­wal­tungs­ge­richt des Kan­tons St. Gal­len schrift­lich mit­ge­teilt.

Lau­sanne, 28. Sep­tem­ber 2009

 

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