E-Mails von Sunrise laufen über Google

7. August 2014

Von Iwan Städler und Philipp Loser, Newsnet

Wer den E-Mail-Dienst von Sunrise nutzt, muss damit rechnen, dass seine Mails gescannt werden. Das Bakom lässt offen, ob dies legal ist.

Schweizer Telecomanbieter unterstehen dem hiesigen Fernmeldegesetz und damit dem Fernmeldegeheimnis. Anders als in den USA dürfen sie E-Mails nicht von sich aus auf Kinderpornografie scannen. Swisscom, Cablecom und Green.ch machen dies laut eigenen Aussagen auch nicht. Sunrise ist hingegen – anders als gestern berichtet – ein Spezial­fall. Der E-Mail-Dienst des Schweizer ­Telecomanbieters basiert nämlich auf Google. Und Google überprüft die Nachrichten auf Kinderpornobilder.

Auch andere amerikanische Internet­anbieter halten dies so. Entdecken sie entsprechendes Material, melden sie es dem US-Zentrum für vermisste und missbrauchte Kinder. Betrifft der Fall Schweizer Kunden, informiert das Zentrum die hiesigen Strafbehörden. Laut dem Bundesamt für Polizei (Fedpol) erhält es vom Zentrum jährlich rund 200 Meldungen.

Ist dies für Sunrise ein Problem? «Es ist nicht an uns, das zu beurteilen», sagt Caroline Sauser vom Bundesamt für Kommunikation (Bakom). Dies obliege einem Strafrichter. Sunrise selbst verweist auf das Kleingedruckte: «Die Kunden akzeptieren bei der Registrierung von Sunrise Mail die Nutzungs­bestimmungen von Google», so Mediensprecher Roger Schaller. Ob dies reicht, ist umstritten. In einem weiteren Satz schreibt der Telecomanbieter denn auch: «Sunrise ist sich der unklaren Rechtssituation bewusst und zügelt die E-Mail-Konten seiner Kunden im Herbst 2014 auf eine neue Plattform.» Dieser Wechsel war ohnehin geplant und hat nichts mit dem Scannen von E-Mails zu tun.

Fast immer ein Strafbefehl

Wird jemand beim Verschicken von Kinderpornobildern ertappt, kassiert er laut der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern fast immer einen Strafbefehl. Manchmal werde auch Anklage erhoben. Zu einer Einstellung des Verfahrens komme es dagegen fast nie. Im Extremfall droht eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Allein in Bern gehen jährlich 50 bis 70 Kinderporno-Meldungen ein. Andere Kantone wie Zürich, St. Gallen, Luzern, Aargau, Basel-Stadt und ­Basel-­ Land führen keine solche Statistik.

Die Strafverfolgungsbehörden scheint nicht zu stören, dass die Beschaffung der Hinweise durch US-Internetanbieter aus Schweizer Sicht rechtlich fragwürdig ist. Anders als etwa in den USA können in der Schweiz rechtswidrig erworbene Beweismittel unter gewissen Umständen verwendet werden. Bei Kinderpornofällen führt die Güterabwägung meistens zu einer Verwertung der Beweise. Inhaltlich sei dies bei Fällen von Kinderpornografie unbestritten, sagt Anwalt Martin Steiger, der sich auf Internetrecht spezialisiert hat. «Rechtsstaatlich ist es aber unschön.»

Sperren von Kinderpornoseiten

Auch wenn Schweizer Internetprovider (mit Ausnahme von Sunrise) aufs Überprüfen von E-Mails verzichten, engagieren sie sich dennoch im Kampf gegen die Kinderpornografie. Um den Zugang zu erschweren, arbeiten sie mit freiwilligen Netzsperren. Auf zwei täglich aktualisierten und geheimen Listen der Koordinationsstelle gegen Internetkriminalität (Kobik) werden 200 bis 300 Kinderpornografieseiten und seit dem 1. Juli ähnlich viele mit Gewaltdarstellungen und Zoophilie (Sex mit Tieren) aufgeführt. Zu ihnen sollen Schweizer Nutzer keinen Zugang erhalten.

Es sei ihm bewusst, dass es Möglichkeiten gebe, diese Sperren zu umgehen, sagt Thomas Walther von der Kobik. «Aber es geht uns auch darum, ein Zeichen zu setzen und auf die Meldungen der Bürgerinnen und Bürger umgehend zu reagieren. Niemand soll unfreiwillig mit solch abscheulichen Bildern konfrontiert werden.»

 

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