Geheimdienstchef brauchte Maurers Hilfe

27. Dezember 2012

Die Geheimdienstler des Bundes wurden zu Unrecht mit Polizeiausweisen ausgestattet. NDB-Chef Markus Seiler regte eine Änderung an - und wäre damit intern fast gescheitert.

Trotz Datenklau-Affäre und happiger Kritik der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel), also der parlamentarischen Aufsicht über den Nachrichtendienst des Bundes, darf Direktor Markus Seiler weiter Dienst schieben, als wäre nichts gewesen. Das amtsinterne Seilziehen um die neuen Ausweise für Geheimdienstleute zeigt jedoch, dass der oberste Schlapphut Mühe hat, sich intern durchzusetzen. Die bisherigen Polizeiausweise von NDB-Angehörigen sollen durch neue Ausweise ohne den Vermerk «Polizei» ersetzt werden.

«Erst nachdem die Aufsichtsorgane und der Chef des VBS die Thematik aufgegriffen haben, konnte sich die Geschäftsleitung mit einem neuen Ausweiskonzept gegenüber den Mitarbeitern der Inlandsbeschaffung durchsetzen», heisst es nun in einem Bericht der VBS-internen Geheimdienstaufsicht. Maurer beauftragte demnach seine Aufsichtsstelle im Juni 2012 mit Abklärungen zu den vom NDB eingesetzten Polizeiausweisen. Darüber wurde auch die GPDel informiert, die derzeit beim Nachrichtendienst des Bundes (NDB) wegen der Datenklau-Affäre eine Inspektion durchführt und bis Ende März 2013 dem Bundesrat eine Analyse, Schlussfolgerungen und Empfehlungen vorlegen will.

Angestellte in den Kantonen haben mehr Rechte als die Chefs in Bern

Widerstand gegen das neue Ausweiskonzept leistete vor allem die Abteilung Inlandbeschaffung, wie aus dem internen Papier des VBS hervorgeht. Die Inlandkommissäre des früheren Dienstes für Analyse und Prävention (DAP) wurden 2010 vom EJPD ins VBS von Ueli Maurer transferiert und dort mit dem Strategischen Nachrichtendienst (SND) zum neuen NDB verschmolzen. Die im neuen Amt integrierten Inlandkommissäre verfügen alle über eine Polizeiausbildung, sind im Verband Schweizerischer Polizeibeamter organisiert und verstehen sich als Polizeioffiziere.

Bei Verlust des Polizeistatuts (weil sie die Polizeiausweise abgeben müssen) hegten die Inlandkommissäre teils die Befürchtung, dass sie von den Kollegen der kantonalen Staatsschutzorganen, die in der Regel der Kantonspolizei angeschlossen seien, keine Informationen mehr erhielten, heisst es weiter im Bericht. Gerade eine solch kleine Organisation wie der NDB sei aber im Unterschied zu anderen Nachrichtendiensten im Ausland auf eine enge, reibungslose Zusammenarbeit mit den Kantonspolizeien angewiesen. Auf der psychologischen Ebene sei es zudem seltsam, wenn die Angestellten in den Kantonen mehr Rechte als die «Chefs» in Bern hätten.

Für einen Teil der NDB-Mitarbeitenden ist der Wegfall des Polizeiausweises positiv

Für Mitarbeitende ausserhalb des Bereichs Inlandbeschaffung hat laut Abklärungen von Maurers Geheimdienstaufsicht die Frage des Ausweises mit oder ohne dem Begriff «Polizei» höchstens einen zweitrangigen Charakter. Für diese sei die Ausstattung der NDB-Mitarbeitenden mit einem eigenen Ausweis, der mehr Hinweise enthalte als der normale Bundespersonalausweis und sie zur Ausübung ihrer Tätigkeit (für einzelne auch zum Tragen einer Dienstwaffe) legitimiere, von Vorteil. Der Wegfall der Polizeiausweise wird von diesen auch als positiv empfunden, da so «die Zusammenführung der ehemaligen Dienste DAP und SND erleichtert werde».

Die Geheimdienstleute sollen auf Weisung von NDB-Direktor Markus Seiler die ihnen ursprünglich abgegebenen Polizeiausweise abgeben, weil diese «nicht vorhandene polizeirechtliche Kompetenzen vortäuschen können, sodass die Gefahr einer Amtsanmassung entsteht». Im Bericht des VBS wird allerdings explizit erwähnt, dass keine solchen Fälle von Amtsanmassung bekannt seien. Die Abklärungen des VBS zeigen weiter, dass es zur Abgabe solcher Polizeiausweise keine Rechtsgrundlage gibt. Denn: Die Angehörigen des NDB verfügten über keine polizeilichen Befugnisse.

«Der Kommissär» entspricht dem Grad eines Polizeioffiziers

Statt der Polizeiausweise erhalten die NDB-Mitarbeitenden nun funktionsbezogene Ausweise. Es gibt neu vier verschiedene Typen. Und: Die Inlandkommissäre erhalten auf der Rückseite einen sogenannten Äquivalenzvermerk: «Der Kommissär entspricht dem Grad eines Polizeioffiziers» - eine Art amtsinterner Kompromiss. Die Geschichte dürfte vor allem Jo Lang, Alt-Nationalrat und Vizepräsident der Grünen, nicht sehr überraschen. Lange erklärte er nach der Datenleckaffäre gegenüber diversen Medien, NDB-Chef Seiler fehle es an Durchsetzungsfähigkeit. Seiler habe es an Entschlossenheit und Konfliktfähigkeit gefehlt, um das einzig Richtige in kürzester Zeit durchzusetzen, betont der Politiker der Grünen auch jetzt wieder.

SVP-Nationalrat Hans Fehr, Mitglied der Sicherheitskommission des Nationalrates mit guten Verbindungen ins VBS, sagt dagegen: «Ich kenne diesen Fall nicht. Ich stelle jedoch fest, dass Bundespräsident Ueli Maurer NDB-Chef Markus Seiler immer noch vertraut.» Der Job als NDB-Direktor sei eine undankbare Aufgabe und man könne sich hier keine Lorbeeren holen. Aber vielleicht dränge sich im Frühjahr, wenn die GPDel ihren Inspektionsbericht abgeliefert habe, eine neue Lagebeurteilung auf.

 

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