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Jahresrückblick 2013

22. Januar 2014

Das prä­gends­te Er­eig­nis 2013 war die Flucht Ed­ward Snow­dens aus dem Spio­na­ge­dienst und die dar­auf fol­gen­den Ent­hül­lun­gen über die NSA und de­ren Part­ner­or­ga­ni­sa­tio­nen. In der Schweiz be­schäf­tig­te uns:

Staats­schutz

Der Da­ten­dieb­stahl im Nach­rich­ten­dienst (NDB) von 2012 wur­de im Au­gust von der Ge­schäfts­prü­fungs­de­le­ga­ti­on (GPDel) in ei­nem Be­richt ge­wür­digt. Vor al­lem die man­geln­de Ko­ope­ra­ti­ons­be­reit­schaft des VBS wur­de kri­ti­siert. Der Bun­des­rat hat in sei­ner Stel­lung­nah­me vom De­zem­ber Ab­hil­fe ge­lobt. Trotz­dem wur­den der GPDel bei der Un­ter­su­chung der Zu­sam­men­ar­beit des NDB mit Part­ner­diens­ten im Nach­gang zu Snow­dens Ent­hül­lun­gen Aus­künf­te ver­wei­gert.

Vor den Som­mer­fe­ri­en en­de­te das Ver­nehm­las­sungs­ver­fah­ren zum neu­en Nach­rich­ten­dienst­ge­setz. Wie be­reits im ab­ge­lehn­ten BWIS II soll die Über­wa­chung von Post, Te­le­fon, E-Mail und In­ter­net, das Be­ob­ach­ten und Ab­hö­ren von Per­so­nen so­wie das ge­hei­me Durch­su­chen von pri­va­ten Da­ten­be­ar­bei­tungs­sys­te­men künf­tig mög­lich sein. Neu ist die Ka­belauf­klä­rung, wel­che dem Sys­tem «Tem­po­ra» des bri­ti­schen Ge­heim­diens­tes ent­spricht. Der ge­sam­te Da­ten­ver­kehr ei­nes Fern­mel­de­ka­bels wird da­bei nach Schlüs­sel­wör­tern durch­sucht. Er­kennt­nis­se aus der prä­ven­ti­ven Er­mitt­lung sol­len neu als Be­wei­se in Straf­ver­fah­ren ver­wen­det wer­den dür­fen. grund­rech­te.ch hat die­ses Ge­setz in ei­ner um­fas­sen­den Ver­nehm­las­sungs­ant­wort ab­ge­lehnt. Trotz vie­ler ne­ga­ti­ver Stel­lung­nah­men will der Bun­des­rat das Ge­schäft dem Par­la­ment 2014 na­he­zu un­ver­än­dert vor­le­gen.

Po­li­zei und Straf­ver­fol­gung

En­de Fe­bru­ar hat der Bun­des­rat die Bot­schaft zum re­vi­dier­ten Ge­setz über die Fern­mel­de­über­wa­chung, wel­che auch die um­strit­te­nen Staats­tro­ja­ner be­inhal­tet, ver­ab­schie­det. Die Kom­mis­si­on für Rechts­fra­gen des Stän­de­ra­tes hat der Vor­la­ge im Ja­nu­ar 2014 zu­ge­stimmt und so­gar noch die Ent­schä­di­gung für Pro­vi­der ge­stri­chen. Die an­lass­lo­se Vor­rats­da­ten­spei­che­rung in der Eu­ro­päi­schen Uni­on (ver­gleich­bar mit der Sach­la­ge in der Schweiz) ver­stösst nach An­sicht des Ge­ne­ral­an­walts des Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hof (EuGH) ge­gen die EU-Char­ta der Grund­rech­te. Wäh­rend der Win­ter­ses­si­on konn­te der Prä­si­dent von grund­rech­te.ch un­se­re ab­leh­nen­de Hal­tung zur Vor­rats­da­ten­spei­che­rung auf Ein­la­dung der Par­la­men­ta­ri­er­grup­pen «ePower» und «Parl­di­gi» vor­tra­gen.

Im «Fall Mör­ge­li» be­schaff­te sich die Staats­an­walt­schaft we­gen Amts­ge­heim­nis­ver­let­zung oh­ne rich­ter­li­che Ge­neh­mi­gung Da­ten der E-Mail Do­main uzh.​ch so­wie Te­le­fon­lis­ten und liess dut­zen­de Mit­ar­bei­ten­de der Uni Zü­rich als Aus­kunfts­per­so­nen ver­neh­men. Kurz dar­auf ent­schied das Bun­des­ge­richt in ei­ner ver­gleich­ba­ren Kon­stel­la­ti­on, dass die Staats­an­walt­schaft bei der Be­schlag­nah­mung von Do­ku­men­ten und Da­ten da­durch in ih­rem Ge­heim­be­reich be­trof­fe­nen Per­so­nen von Am­tes we­gen Ge­le­gen­heit ge­ben müs­se, ein Ver­wer­tungs­ver­bot gel­tend zu ma­chen und Sie­ge­lung zu ver­lan­gen (Ur­teil 1B_231/2013).

Re­pres­si­on an Sport­ver­an­stal­tun­gen

Das Bun­des­ge­richt hat zwei Be­stim­mun­gen des re­vi­dier­ten Hoo­li­gan-Kon­kor­dats auf­ge­ho­ben: Die Mi­ni­mal­dau­er von Rayon­ver­bo­ten muss we­ni­ger als ein Jahr be­tra­gen. Eben­so ist die zwin­gen­de Ver­dop­pe­lung der Dau­er ei­ner Mel­de­auf­la­ge bei ei­ner Ver­let­zung un­zu­läs­sig. Das Bun­des­ge­richt hat wie­der­holt dar­ge­legt, dass das Kon­kor­dat ver­fas­sungs­mäs­sig aus­ge­legt wer­den müs­se. Beim Rayon­ver­bot et­wa müs­se be­rück­sich­tigt wer­den, dass ge­gen­über dem ur­sprüng­li­chen Kon­kor­dat so­wohl ei­ne räum­li­che wie auch ei­ne zeit­li­che Aus­deh­nung mög­lich sei. Die Ma­xi­mal­dau­er von drei Jah­ren dürf­te nur in Aus­nah­me­fäl­len bei Wie­der­ho­lungs­tä­tern ver­hält­nis­mäs­sig sein.

Ers­te Bei­spie­le il­lus­trie­ren, wie die Um­set­zung der «Kann-Be­stim­mun­gen» des Kon­kor­dats mit «Au­gen­mass» aus­se­hen kann: Für das Spiel Xamax ge­gen Aarau des Schwei­zer Fuss­ball-Cups ver­füg­te die Neu­en­bur­ger Po­li­zei, dass Gäs­te­fans mit über­wach­ten Bus­sen an­rei­sen müs­sen. Per­so­nen mit ei­nem Sta­di­on­ver­bot wä­ren nicht als Pas­sa­gie­re zu­ge­las­sen ge­we­sen, eben­so we­nig Hal­te un­ter­wegs. Des­halb wur­den we­der ein Ex­tra­zug noch Bus­se or­ga­ni­siert. An­läss­lich des Spiels HC Lau­sanne ge­gen den ZSC soll­ten Gäs­te­fans nur nach ei­ner ID-Kon­trol­le ins Sta­di­on ge­las­sen wer­den. Nach lan­gen Dis­kus­sio­nen konn­te das Sta­di­on aber nach dem ers­ten Drit­tel des Spiels oh­ne ID be­tre­ten wer­den. Im Ja­nu­ar 2014 schliess­lich wur­de ein Test­spiel des FC Zü­rich zu­erst we­gen un­mög­li­cher Auf­la­gen der Zür­cher Stadt­po­li­zei nach Ba­den ver­legt und dann von der Aar­gau­er Po­li­zei kur­zer­hand ver­bo­ten.

Trotz mas­si­ver Kri­tik von Sport­ver­bän­den, Fan­ver­ei­ni­gun­gen und Grund­rech­te-Or­ga­ni­sa­tio­nen hat der Bun­des­rat die Bot­schaft zur Auf­he­bung der Trans­port­pflicht bei Sport­ver­an­stal­tun­gen den Eid­ge­nös­si­schen Rä­ten vor­ge­legt. Wer die Ver­wei­ge­rung des Trans­ports durch­set­zen soll, kann aber auch er nicht sa­gen. Am 11. No­vem­ber konn­te grund­rech­te.ch vor der Kom­mis­si­on für Ver­kehr und Fern­mel­de­we­sen des Na­tio­nal­rats (KVF-N) sei­ne Stand­punk­te dar­le­gen. Die­se Kom­mis­si­on hör­te auch Ver­tre­ter der KKJPD, des Städ­te­ver­bands, des VöV, der SBB, der Bahn­ge­werk­schaft, des Pro­fi-Fuss­balls (SFL), der Fa­n­ar­beit und Re­fe­ren­dum BWIS an. Im An­schluss an die An­hö­rung hat die KVF-N mit 13 zu 10 Stim­men ent­schie­den, nicht auf die Vor­la­ge ein­zu­tre­ten.

Bio­me­tri­sche Aus­wei­se und RFID

Am 22. No­vem­ber gab der Ver­band öf­fent­li­cher Ver­kehr be­kannt, dass der neue «Swis­sPass» mit in­te­grier­tem RFID-Chip ab Mit­te 2015 die Halb­tax- und Ge­ne­ral­abon­ne­men­te der 3 Mil­lio­nen Kun­den er­set­zen soll. Der «Swis­sPass» soll auch für an­de­re An­ge­bo­te be­nutzt wer­den kön­nen. Im Ja­nu­ar 2014 hat Bun­des­rä­tin Leuthard be­kannt ge­ge­ben, bis En­de Jahr ei­nen Be­richt zum Mo­bi­li­ty Pri­cing vor­le­gen zu wol­len. Der En­de März vom Bun­des­rat kom­mu­ni­zier­te Plan, erst nach 2020 der­ar­ti­ge Pro­jek­te zu be­gin­nen, scheint be­reits über­holt.

Der Glä­ser­ne Pa­ti­ent

Der Bun­des­rat hat am 29. Mai den Ent­wurf des neu­en Bun­des­ge­set­zes über das elek­tro­ni­sche Pa­ti­en­ten­dos­sier (EPDG) ver­ab­schie­det und an das Par­la­ment über­wie­sen. Spi­tä­ler müs­sen das elek­tro­ni­sche Pa­ti­en­ten­dos­sier ein­füh­ren, um ih­re Leis­tun­gen wei­ter­hin den Kran­ken­kas­sen ver­rech­nen zu kön­nen. Pa­ti­en­tin­nen und Pa­ti­en­ten ent­schei­den sel­ber, ob sie ein elek­tro­ni­sches Pa­ti­en­ten­dos­sier wol­len oder nicht. Es kann (vor­erst) nie­mand da­zu ver­pflich­tet wer­den.

Kon­trol­le des öf­fent­li­chen Raums

Das Bun­des­amt für Mi­gra­ti­on (BFM) hat in Nott­wil LU und in Brem­gar­ten AG in Ei­gen­re­gie ent­schie­den, dass auf der Grund­la­ge der Haus­ord­nun­gen von Asyl­un­ter­künf­ten Rayon­ver­bo­te mög­lich sein sol­len. Nach­dem der prä­ven­ti­ve Aus­schluss al­ler Asyl­su­chen­de von der lo­ka­len Ba­de­an­stalt und an­de­ren Ört­lich­kei­ten eu­ro­pa­weit für ne­ga­ti­ve Schlag­zei­len ge­sorgt hat­te, wur­den die­se Rayon­ver­bo­te auf­ge­ho­ben. In Lu­zern wur­den kurz dar­auf «sen­si­ble Zo­nen» ge­schaf­fen, wel­che für Asyl­su­chen­de ge­nau so ta­bu sind wie die Rayons in Brem­gar­ten.

Im Kan­ton Ba­sel-Land­schaft ha­ben im Ok­to­ber 255 An­ge­hö­ri­ge der Mi­li­tär­po­li­zei in ei­ner «Übung» wäh­rend 1950 Mann­stun­den 1122 Per­so­nen kon­trol­liert. Für sol­che As­sis­tenz­diens­te setzt die Bun­des­ver­fas­sung je­doch vor­aus, dass «der Kan­ton auch mit­hil­fe an­de­rer Kan­to­ne nicht mehr in der La­ge ist, mit ei­ge­nen Kräf­ten die öf­fent­li­che Si­cher­heit auf­recht zu er­hal­ten oder wie­der­her­zu­stel­len». Mit der Wei­ter­ent­wick­lung der Ar­mee plant der Bun­des­rat, die Mi­li­tär­po­li­zei mas­siv aus­zu­bau­en. grund­rech­te.ch hat in der Ver­nehm­las­sungs­ant­wort vom 17. Ok­to­ber vor ei­nem sol­chen Aus­bau ge­warnt und ei­nen Ver­zicht auf der­ar­ti­ge Ein­sät­ze ge­for­dert.

Di­ver­ses

Die Mit­glie­der­ver­samm­lung 2013 von grund­rech­te.ch fand in Zü­rich statt. The­ma der öf­fent­li­chen Ver­an­stal­tung war «Netz­neu­tra­li­tät und In­ter­net-Go­ver­nan­ce - Dis­kri­mi­nie­rung, Blo­ckie­rung, Zen­sur». So­bald In­fra­struk­tur und ge­setz­li­che Grund­la­gen zur Be­schleu­ni­gung, Ver­lang­sa­mung oder gar Sper­rung von In­hal­ten im In­ter­net vor­han­den sind, sind der Zen­sur und der Dis­kri­mi­nie­rung von Grup­pen, ob von staat­li­cher oder pri­va­ter Sei­te, Tür und Tor ge­öff­net. Ei­ne Ar­beits­grup­pe des Eid­ge­nös­si­schen Jus­tiz­de­par­te­ments hat be­reits emp­foh­len, In­ter­net­sper­ren auf das Ur­he­ber­recht ver­let­zen­de In­hal­te aus­zu­wei­ten.

Für ein In­se­rat in der «Ge­heim-WoZ» wur­de ei­ne Web­sei­te er­stellt, wel­che ei­nen Da­ten­aus­tausch mit dem Nach­rich­ten­dienst vor­täuscht.

 

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