Bern, im November 2020
Liebe Mitglieder, liebe Unterstützende
Am 25. September 2020 hat die Bundesversammlung das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus verabschiedet. Mit diesem Gesetz werden einmal mehr polizeiliche Präventivmassnahmen auf Kosten des Rechtsstaates und der Grundrechte ausgebaut.
grundrechte.ch hat zusammen mit der NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz die parlamentarische Debatte eng begleitet und von Anfang kritisiert, dass mit den im Gesetz vorgesehenen Massnahmen und Definitionen der staatlichen Willkür Tür und Tor geöffnet wird.
Kritik an diesem Gesetz kommt auch von Fachpersonen aus dem In- und Ausland, etwa von der Menschenrechtsbeauftragten des Europarates, vom UNO-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, von den Schweizer Mitgliedern des UNO-Ausschusses für die Rechte des Kindes sowie von über sechzig RechtsprofessorInnen aller Schweizer Universitäten. Deren offener Brief sowie weitere Dokumentationen und der Unterschriftenbogen sind auf unserer Webseite grundrechte.ch abrufbar.
Die breite Kritik gegen das Gesetz richtet sich insbesondere gegen folgende Punkte:
Freiheitsentzug für Kinder: Das Gesetz erlaubt es, Meldepflichten, Rayon- und Kontaktverbote gegen Kinder ab 12 Jahren und den Freiheitsentzug per Hausarrest schon gegen Jugendliche ab 15 Jahren zu verfügen.
Neue weitreichende Terrorismusdefinition: Das Gesetz definiert als «terroristische Aktivität» neu jegliche Bestrebungen zur Beeinflussung oder Veränderung der staatlichen Ordnung, die mit der «Verbreitung von Furcht und Schrecken» verwirklicht oder begünstigt werden sollen - darunter könnten, je nach gesellschaftspolitischer Einschätzung, künftig kämpferische Aktionsformen subsumiert werden. Der Geheimdienst warnt seit längerem vor sog. Ökoterroristen. Und immer wieder wird versucht, Exilorganisationen als terroristisch abzustempeln.
Anordnung erfolgt auf blossen Verdacht hin: Für die Anordnung der Zwangsmassnahmen genügen «Anhaltspunkte» von der Polizei oder vom Nachrichtendienst. Lediglich der Hausarrest muss von einem Gericht angeordnet werden.
Verletzung der Bundesverfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention: Das Gesetz sieht die Möglichkeit vor, jemanden ohne Beweise auf blossen Verdacht hin bis zu sechs Monate unter Hausarrest zu stellen. Dies verstösst klar gegen Art. 5 EMRK, das Parlament nimmt damit bewusst den Bruch mit der EMRK in Kauf.
Dank dem Mut der JUSO, der Jungen Grünen und der jglp hat sich ein Komitee gegründet, welches das Referendum gegen diesen Willkürparagrafen ergriffen hat. grundrechte.ch unterstützt das Referendum, denn wenn Polizei und Geheimdienst immer mehr vermischt werden, werden alle Regeln des Rechtsstaates zur Disposition gestellt. Unter dem Vorwand ihn zu schützen, wird der Rechtsstaat «dem Monstrum Terrorismus zum Frass vorgeworfen».
Wir danken Euch sehr für eure treue Unterstützung und verbleiben mit solidarischen Grüssen
RA Viktor Györffy, Präsident grundrechtech
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