Bund und Stadt rechtfertigen das Rayonverbot für Asylbewerber

7. August 2013

Anna Wanner, Aargauer Zeitung

Weil es sein könnte, dass Asylsuchende nicht schwimmen können, dürfen sie nicht in die Badi. Das Bundesamt für Migration hat aber eine Alternative parat: Duschen im Innenhof der Unterkunft sollen Abkühlung bringen.

Gestern hat im aargauischen Bremgarten die erste Bundesunterkunft für Asylsuchende eröffnet, die über drei Jahre betrieben werden soll. Die Eröffnung sorgte für Wirbel, weil die Betreiber der Unterkunft den bis zu 150 Asylsuchenden von vornherein ein Rayonverbot auferlegten – sprich, sie dürfen gewisse «sensible Zonen» im und um das Städtchen nicht betreten. Dazu zählen Schul- und Sportanlagen und auch das öffentliche Schwimmbad.

Menschenrechtler reagierten prompt und verurteilen die Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Doch Sibylle Siegwart, Sprecherin des Bundesamts für Migration (BFM), relativiert: «Ein generelles Rayonverbot können wir gar nicht aussprechen.» Die Menschen seien frei. «Sie können sich im Prinzip frei bewegen», sagt Siegwart. «Sie müssen aber die sensiblen Zonen meiden.» Das gelte uneingeschränkt für alle.

Skeptische Einwohner

Das Bremgartner Rayonverbot stammt nicht direkt vom BFM. Auf Wunsch der Gemeinde habe man in Bremgarten 32 sensible Zonen definiert, damit ein konfliktfreies Zusammenleben gewährleistet werden könne, sagt Siegwart. Und: Asylsuchende würden kommen, weil sie an Leib und Leben bedroht seien. In der Schweiz fänden sie Schutz, aber sie sollten auch Ruhe und Ordnung einhalten. Dazu gebe es das Rayonverbot.

Siegwart betont aber, dass Bremgarten kein Spezialfall sei. Bereits in Nottwil LU sei das BFM der Gemeinde entgegengekommen.

Rayonverbote müssen als Folge der Asylgesetzrevision angesehen werden, die das Parlament im September verabschiedet hat. Während bisher die Verantwortung für den Betrieb von Asylunterkünften bei Kantonen und Gemeinden lag, kann heute der Bund ohne deren Zustimmung über die Eröffnung neuer Unterkünfte verfügen.

Zwar ist Bremgarten nicht die erste Bundesunterkunft, aber es ist die erste, die länger als ein halbes Jahr Asylsuchende beherbergt. Und dafür musste offenbar die Bremgartner Bevölkerung milde gestimmt werden.

Stadtammann Raymond Tellenbach sagt, viele Einwohner seien skeptisch. Einige hätten verlangt, auch die Innenstadt mit einem Rayonverbot zu belegen. Tellenbach sagt, er wolle die Asylsuchenden nicht schikanieren oder einschränken.

Doch in Bremgarten gingen über tausend Kinder und Jugendliche zur Schule. «Um diese zu schützen, sollen Asylsuchende gewisse Zonen nicht betreten dürfen.»

Kritik an Generalverdacht

Die zuständige Aargauer Sozialdirektorin Susanne Hochuli (Grüne) zeigte dafür bereits Verständnis. Andernorts reagieren Zuständige befremdet auf den Generalverdacht, den man gegen Asylsuchende hegt. So sagt Rolf Rossi von der Koordinationsstelle für Asylfragen Baselland: «Ein Rayonverbot braucht immer ein konkretes vorhergehendes Verhalten einer Einzelperson.»

Falls sich ein Asylsuchender daneben benehme, könne entweder bestimmt werden, in welchem Raum er sich bewegen darf oder wo er eben nicht mehr hingehen darf. Dass ein Rayonverbot für eine ganze Gruppe von Menschen gelte, könne rechtlich nicht umgesetzt werden, sagt Rossi.

Vor dem Ertrinken bewahren

Während Siegwart vom BFM von einem «konfliktfreien Zusammenleben» spricht und damit die Hausregeln – wie etwa das Schwimmbadverbot – rechtfertigt, macht Stadtammann Tellenbach einen weiteren Grund geltend: Kürzlich sei die 3-jährige Tochter eines Asylbewerbers beinahe ertrunken, weil dieser sie unbeaufsichtigt im Becken zurückliess. Die grosse Sorge sei, dass die Asylsuchenden nicht schwimmen können.

Das Baden in der nahe gelegenen Reuss empfehle sich deshalb ebenfalls nicht: Es sei zu gefährlich, wenn man sich mit schnell fliessenden Gewässern nicht auskenne, sagt Siegwart. Um zu unterstreichen, dass es sich nicht um eine Diskriminierung handelt, weist Siegwart darauf hin, dass Asylsuchende durchaus in die Badi gehen könnten – sofern ein Betreuer dabei sei und sofern die Gemeinde dazu einwilligt. Ansonsten hat das BFM eine weitere Alternative parat: «Wir schauen nun, ob es möglich ist, im Innenhof des Zentrums Duschen anzubringen, wo sich die Bewohner abkühlen können.»

 

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