Kurz vor den Sommerferien hat der Bundesrat eine Änderung des Personenbeförderungsgesetzes zur Aufhebung der Transportpflicht in Vernehmlassung geschickt. Bahn- und Busunternehmungen sollen davon befreit werden, Besucher von Sportveranstaltungen mit fahrplanmässigen Kursen transportieren zu müssen, selbst bei Vorhandensein eines gültigen Fahrausweises. Für die Benutzung von Extrazügen sollen rigorose Regeln, z. B. ein Verbot des Mitführens alkoholischer Getränke oder die Pflicht zu Kombi-Tickets, erlaubt sein. grundrechte.ch lehnt dieses Unterfangen aus folgenden Gründen ab:
- Die Konzession von Transportunternehmungen begründet Rechte und Pflichten. Die Rechte werden laufend ausgebaut, z. B. mit dem neuen Transportpolizeigesetz, die Pflichten hingegen verwässert. Dies führt zu einer unhaltbaren Schlechterstellung des bezahlenden Publikums.
- Der Gesetzesentwurf beruht auf Gerüchten, wonach die SBB jährlich Sachschäden in Millionenhöhe erleiden würden, insbesondere durch Fussballfans. Diese Vorwürfe wurden aber Anfang dieses Jahres von der WOZ widerlegt, die Sachschäden sind verglichen mit der Anzahl transportierter Passagiere marginal. Alleine durch die Generalabonnemente erleidet der öffentliche Verkehr jährliche Verluste in der Höhe von 3 bis 6 Milliarden Franken. Das finanzielle Argument kann daher hier nicht vorgebracht werden.
- Die neue Regelung wird zwar mit Sachschäden in Zügen begründet, unterbunden werden sollen damit aber durch die Vorgabe der Halteorte von Extrazügen in erster Linie Fan-Märsche von grossen Bahnhöfen zu Stadien und durch die Pflicht von Kombi-Tickets die Bewegungsfreiheit potenzieller Besucher von Sportveranstaltungen. Dadurch läuft das Gesetz auf eine sicherheitspolizeiliche Massnahme zur Fernhaltung unerwünschter Personen an Sportveranstaltungen hinaus. Im polizeilichen Bereich hat der Bund aber keine Kompetenzen, weshalb diese Neuregelung, vergleichbar mit dem Hooligan-Gesetz, verfassungswidrig sein dürfte.
- Mit dem Hooligan-Konkordat gibt es bereits genügend rigorose Möglichkeiten unerwünschte Personen von Sportveranstaltungen fernzuhalten. Auch wenn der Rechtsschutz, vor allem wegen der fehlenden aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln, ungenügend ist, können sich Betroffene immerhin gegen Massnahmen des Hooligan-Konkordats wehren, nicht selten mit Erfolg. Transportunternehmungen sollen den Transport von Personen aber formlos verweigern können, ohne Verfügung und ohne die Möglichkeit einer Einsprache.
- Bereits ist die Rede davon, die Aufhebung der Transportpflicht auf andere Zielgruppen auszudehnen, im Bericht ist die Rede von Schwarzfahrern. Es ist aber absehbar, dass eine solche Regelung rasch auf andere Personengruppen ausgedehnt werden kann, etwa auf Teilnehmende von nationalen Kundgebungen, Anti-AKW oder Sans-Papiers Protestaktionen.
- Das vorgeschlagene Gesetz wird zur Durchsetzung eine Unmenge an Sicherheitskräften benötigen und Gegenreaktionen auslösen oder zu unschönen Szenen auf Bahnsteigen führen. Die Stadtpolizei Zürich hat vor Kurzem Kombi-Tickets ohne Rechtsgrundlage getestet (siehe «Verschollene FCB-Fans halten Polizei auf Trab»).
grundrechte.ch wird diese und weitere Argumente in der Vernehmlassungsantwort zuhanden des Bundesrats darlegen.
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