Videokameras haben versagt

12. Oktober 2012

Seit En­de 2008 wird der Bahn­hof­platz mit Ka­me­ras über­wacht. Jetzt - knapp vier Jah­re spä­ter - wird pu­blik: Die Ka­me­ras lie­fern un­brauch­ba­re Bil­der. Sie sol­len wie­der weg.

Ben­no Matt­li, Neue Lu­zer­ner Zei­tung

«Die Vi­deo­über­wa­chung auf dem Bahn­hof­platz hat kei­ne Ver­bes­se­rung der Si­tua­ti­on ge­bracht. Aus­ser­dem ha­ben die Bil­der ei­ne schlech­te Auf­lö­sung und sind für die Fahn­dungs­ar­beit der Po­li­zei nicht brauch­bar.» Die­se nie­der­schmet­tern­de Bi­lanz zu den Vi­deo­ka­me­ras, wel­che den Bahn­hof­platz seit En­de 2008 über­wa­chen, zog die grün­li­be­ra­le Bau­di­rek­to­rin Ma­nue­la Jost am Don­ners­tag in un­se­rer Zei­tung, im Nach­gang zu den bei­den jüngs­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen vor dem KKL.

Stäm­mer ver­sprach zu viel

Die Bi­lanz von Jost er­staunt. Denn von der Ein­füh­rung der Ka­me­ras hat­te sich die Stadt viel er­hofft. Am 19. Mai 2008 - zwei Wo­chen vor der Volks­ab­stim­mung über das Re­gle­ment über die Vi­deo­über­wa­chung - er­klär­te die da­ma­li­ge Si­cher­heits­di­rek­to­rin Ur­su­la Stäm­mer: «Wir ver­spre­chen uns von der Über­wa­chung ei­ner­seits, dass sie die Leu­te von Ge­set­zes­ver­stös­sen ab­hält, und an­de­rer­seits, dass wir Fäl­le auf­klä­ren oder auf­grund der Bild­über­tra­gung so­gar ein­grei­fen kön­nen.»

Und jetzt, vier Jah­re spä­ter, kommt Jost und sagt: «Die Er­geb­nis­se sind deut­lich, die De­lik­te gin­gen nicht zu­rück. Für den Steu­er­zah­ler stellt sich die Fra­ge, wo die Stadt be­tref­fend Si­cher­heit das Geld am wir­kungs­volls­ten ein­setzt.»

Wie­so so schlech­te Ka­me­ras?

Für den Steu­er­zah­ler stel­len sich al­ler­dings noch an­de­re Fra­gen. Zum Bei­spiel: Wie­so hat die Stadt Vi­deo­ka­me­ras in­stal­liert, die Bil­der in ei­ner so schlech­ten Auf­lö­sung lie­fern, dass sie für die Fahn­dungs­ar­beit nicht brauch­bar sind?

Mau­rice Il­li von der Stel­le für Si­cher­heits­ma­nage­ment sagt da­zu: «Da­mals hat­te man sich be­wusst für ana­lo­ge Ka­me­ras ent­schie­den. Zu die­ser Zeit wa­ren qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge di­gi­ta­le Ka­me­ras noch nicht in dem Aus­mass und zu den heu­ti­gen Prei­sen er­hält­lich. Und ge­ra­de bei schlech­ter Be­leuch­tung war da­mals die Qua­li­tät der Di­gi­tal­ka­me­ras schlech­ter als die­je­ni­ge von Ana­log­ka­me­ras. Dies hat­te man in ei­nem Pra­xis­test aus­gie­big ge­prüft.»

An­ders klingt dies bei der Si­cher­heits­fir­ma Com­t­ro­nic aus Stans­stad, die sich da­mals er­folg­los um den Auf­trag der Stadt be­wor­ben hat. «Schon vor vier Jah­ren ha­ben wir beim Ci­ty-Par­king am Lö­wen­platz in Lu­zern hoch­auf­lö­sen­de Di­gi­tal­ka­me­ras in­stal­liert, die ei­ne Fahn­dung durch die Po­li­zei pro­blem­los er­mög­li­chen», sagt Ge­schäfts­füh­rer Jörg Kauf­mann. Die Ka­me­ras sei­en durch­aus be­zahl­bar ge­we­sen und wür­den auch heu­te noch den Stan­dards ge­nü­gen.

Stu­die bis­her un­ter Ver­schluss

Wei­ter stellt sich die Fra­ge, wes­halb die Stadt bis heu­te kei­ne Aus­wer­tung der Vi­deo­über­wa­chung ver­öf­fent­licht hat. Denn in ei­ner Ant­wort auf ein En­de 2008 vom Stadt­par­la­ment über­wie­se­nes Pos­tu­lat hat der Stadt­rat ver­spro­chen, bis An­fang 2010 ei­ne Stu­die vor­zu­le­gen, ver­fasst durch Mi­cha­el Zehn­der von der Uni­ver­si­tät Ba­sel im Rah­men ei­ner Dis­ser­ta­ti­ons­ar­beit. Die­se Stu­die ist bis heu­te je­doch nicht öf­fent­lich ge­macht wor­den - ob­wohl die Stadt seit lan­gem in de­ren Be­sitz ist. Am 13. Au­gust 2011 - al­so vor ei­nem Jahr - er­klär­te Pa­trick Bie­ri, stell­ver­tre­ten­der Stabs­chef der Di­rek­ti­on Um­welt, Ver­kehr und Si­cher­heit: Die Stu­die lie­ge in­tern zwar be­reits vor, sei aber «sehr wis­sen­schaft­lich und muss dif­fe­ren­ziert be­trach­tet wer­den». Bie­ri ver­sprach ei­ne Ver­öf­fent­li­chung bis En­de 2011. Pas­siert ist nichts.

Zu­dem steht im Re­gle­ment über die Vi­deo­über­wa­chung: «Jähr­lich wird in ei­nem öf­fent­lich zu­gäng­li­chen und an­ge­kün­dig­ten Be­richt fest­ge­hal­ten, wie vie­le Vi­deo­über­wa­chungs­in­stal­la­tio­nen be­reits be­ste­hen, wie vie­le und wel­che Vi­deo­über­wa­chungs­in­stal­la­tio­nen seit dem letz­ten Be­richt neu er­rich­tet und wie vie­le und wel­che ab­ge­baut wur­den.»

Auf dem In­ter­net­por­tal der Stadt fand sich bis vor­ges­tern al­ler­dings erst ein ein­zi­ger sol­cher Be­richt. Er um­fasst ein A4-Blatt und ist da­tiert vom 31. De­zem­ber 2010, ist al­so fast zwei Jah­re alt. Auf Nach­fra­ge un­se­rer Zei­tung bei der Stadt wur­de dann ges­tern flugs auch noch der Be­richt 2011, der iden­tisch ist mit dem Be­richt 2010, auf­ge­schal­tet.

Am 25. Ok­to­ber im Par­la­ment

Im­mer­hin: Am Mitt­woch nun soll die Stu­die der Uni­ver­si­tät Ba­sel end­lich pu­blik ge­macht wer­den - knapp vier Jah­re (!) nach der Ein­füh­rung der Vi­deo­über­wa­chung und zu­fäl­li­ger­wei­se (?) ge­nau acht Ta­ge be­vor das Stadt­par­la­ment am 25. Ok­to­ber über die Ab­schaf­fung der Vi­deo­ka­me­ras auf dem Bahn­hof­platz so­wie im Stadt­haus und im Stadt­haus­park be­fin­det (al­le an­de­ren Ka­me­ras blei­ben). Denn die­se Ab­schaf­fung ist Teil des 4-Mil­lio­nen-Spar­pa­kets.

War­um die Stu­die erst jetzt pu­bli­ziert wird, er­klärt Il­li so: «Ur­sprüng­lich woll­ten wir sie An­fang Jahr pu­bli­zie­ren. Weil da­mals aber vor al­lem die Stras­sen­pro­sti­tu­ti­on ei­ne hö­he­re Prio­ri­tät ein­nahm, muss­ten wir die Pu­bli­ka­ti­on auf den Herbst ver­schie­ben. Zu­dem woll­ten wir die Er­kennt­nis­se in­tern und mit den Be­tei­lig­ten wie der Po­li­zei dis­ku­tie­ren.»

«Ka­me­ras kos­ten zu viel»

Über den In­halt der Stu­die ver­rät die Stadt zwar noch nichts Kon­kre­tes, aber der grü­ne Si­cher­heits­di­rek­tor Adri­an Bor­gu­la sagt im neus­ten «Stadt­ma­ga­zin» et­wa das Glei­che wie Jost: «Die ab­schre­cken­de Wir­kung funk­tio­niert nicht wie er­hofft, und für die Ahn­dung von Straf­ta­ten ist die Auf­lö­sung der Bil­der zu schwach.» Das be­stä­tigt auch Urs Wig­ger, Spre­cher der Po­li­zei: «Es wer­den kei­ne De­tail­bil­der von Per­so­nen ge­macht», sagt er, und die Bild­qua­li­tät sei «nicht op­ti­mal». Je nach Si­tua­ti­on be­ste­he aber die Mög­lich­keit, Aus­sa­gen zu ve­ri­fi­zie­ren, den Tat­ab­lauf zu re­kon­stru­ie­ren oder Si­gna­le­ment­s­an­ga­ben zu eru­ie­ren. «Wir füh­ren aber kei­ne Sta­tis­tik dar­über, ob dank der Ka­me­ras Straf­tä­ter über­führt wer­den.»

Die Ab­schaf­fung der Ka­me­ras ver­spricht ein jähr­li­ches Spar­po­ten­zi­al von 30 000 Fran­ken. Ein Klacks üb­ri­gens im Ver­gleich zu dem, was die An­schaf­fung und die In­stal­la­ti­on der Ka­me­ras (in­klu­si­ve der Er­neue­rung der Brand­schutz-Ka­me­ras auf der Ka­pell- und der Spreu­er­brü­cke) ge­kos­tet ha­ben: 272 000 Fran­ken.

 

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