Steuerfahnder gesucht - Zelle gefunden

30. April 2017

Daniel M., ein ex-Mitarbeiter der Stadtpolizei Zürich, welcher in den Sicherheitsdienst der UBS wechselte und sich 2010 selbständig machte, spionierte seit Anfang 2012 bis Ende 2015 in Deutschland für den Nachrichtendienst des Bundes (NDB). Er sollte herausfinden, welche Steuerfahnder Steuer-CDs kauften und wie diese Käufe genau abliefen (siehe «Eine Groteske aus der Spionagewelt»). Drei Fahnder konnte er identifizieren, und in der Folge erliess die Bundesanwaltschaft Haftbefehle gegen sie.

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Agenten des NDB kommunizieren mit prepaid Telefonen von COOP

Anschliessend installierte der Agent mit 90,000 Euro des NDB angeblich einen Maulwurf in der Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen. Am 28. April 2017 fand die Mission ihr Ende, der Möchtegern-Spion wurde in Frankfurt verhaftet.

Alex Kuprecht, der Präsident der parlamentarischen Geheimdienstaufsicht (GPDel), welche den NDB überwacht und kontrolliert, wusste gemäss eigener Aussage gegenüber dem «Blick» nicht, dass ein Mitarbeiter des NDB in Deutschland sein Unwesen trieb. Am Abend des 2. Mai 2017 ist die Schweizer Botschafterin in Berlin, Christine Schraner Burgener, vom deutschen Aussenministerium «zu einem Gespräch eingeladen» worden. Am 3. Mai 2017 räumte die Vize-Präsidentin der GPDel, Corina Eichenberger, ein, dass der NDB vor etwa 5 Jahren über die Operation informiert habe. Obwohl der NDB gemäss dem immer noch gültigen Gesetz weder verdeckte Ermittlungen führen noch den Finanzplatz schützen darf und auch nicht für die Verfolgung von Straftaten zuständig ist, sah sich die GPDel vor 5 Jahren nicht genötigt, etwas zu unternehmen.

Der Nachrichtendienst, die Bundesanwaltschaft und der Bundesrat wussten angeblich von nichts und hüllten sich in Schweigen. Valentin Landmann, der Anwalt von Daniel M., ersuchte den NDB um eine Kostengutsprache für das Verfahren in Deutschland, was der NDB am 3. Mai 2017 schroff ablehnte. Valentin Landmann streute darauf postwendend den Haftbefehl von Daniel M. mit vielen pikanten Details breit an Medien in Deutschland und der Schweiz. Er hegte auch den Verdacht, dass Daniel M. von Schweizer Behörden verraten worden sei.

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Auszüge aus dem Haftbefehl

Am folgenden Tag hielt die GPDel Meetings mit dem Nachrichtendienst und der Bundesanwaltschaft ab, und am Abend verkündete Alex Kuprecht, dass keine Informationen aus einer Bundesstelle nach Deutschland geflossen seien.

Zwei Tage später war alles wieder anders: Aufgeflogen ist der Schweizer James Bond, weil er in einem Strafverfahren fröhlich ausplauderte, dass er für den NDB arbeitet und dies mit vielen Details untermalte. Im Rahmen einer Akteneinsicht hat die Bundesanwaltschaft das Verhörprotokoll an drei mitangeklagte Personen verschickt, auch in Deutschland. Der Rest ist bekannt.

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Michael Lauber: Jetzt ziehe ich den Stöpsel, dann säuft Daniel M. ab! - Markus Seiler: Cool, das will ich sehen.

Das neue Nachrichtendienstgesetz mit einer massiven Ausweitung der Kompetenzen des NDB listet offenbar einfach alles auf, was der NDB illegalerweise ohnehin längst macht, obwohl BWIS II mit der praktisch identischen Kompetenzerweiterung vom Parlament abgelehnt wurde. Ab dem 1. September 2017 darf der NDB dank des neuen Nachrichtendienstgesetzes legal derartige Missionen im Ausland durchführen, ohne allerdings eine Strafverfolgungsbehörde zu sein. Er wird bestimmt bald ein neues Fettnäpfchen finden und die Schweiz noch lächerlicher machen. Daran wird auch die neue «unabhängige Nachrichtendienstaufsicht», welche administrativ dem Generalsekretariat des VBS angegliedert wird, nichts ändern. Am 10. Mai 2014 hat der Bundesrat auf Antrag von Verteidigungsminister Guy Parmelin als deren Leiter den ex-Nachrichtendienstler Thomas Fritschi gewählt.

Während Aussenminister Didier Burkhalter empfiehlt, die ganze Sache «ein bisschen zu vergessen», sind in Bern die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA), eine Subkommission der Geschäftsprüfungskommission und die Geschäftsprüfungsdelegation in den Startlöchern für eigene Untersuchungen oder haben bereits damit begonnen. Der in Deutschland inhaftierte Daniel M. wird möglicherweise als Kronzeuge aussagen und noch mehr Peinlichkeiten ausplaudern. Zudem hat das Bundesamt für Justiz am 2. Dezember 2010 in einem geheimen Gutachten festgehalten, dass die geltende Gesetzesgrundlage nicht genüge, um den Auslandnachrichtendienst zu befähigen, die wirtschaftlichen Interessen der Schweiz mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu schützen.

Aus Angst vor Verhaftung getrauen sich mehrere Schweizer Geheimdienstmitarbeiter, darunter der Stellvertretende Direktor Paul Zinniker, nicht mehr ins Ausland, nachdem ihre Namen in der Spionageaffäre bekannt wurden.

Während Aussenminister Didier Burkhalter empfiehlt, die ganze Sache «ein bisschen zu vergessen», sind in Bern die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA), eine Subkommission der Geschäftsprüfungskommission und die Geschäftsprüfungsdelegation in den Startlöchern für eigene Untersuchungen oder haben bereits damit begonnen. Der in Deutschland inhaftierte Daniel M. wird möglicherweise als Kronzeuge aussagen und noch mehr Peinlichkeiten ausplaudern. Zudem hat das Bundesamt für Justiz am 2. Dezember 2010 in einem geheimen Gutachten festgehalten, dass die geltende Gesetzesgrundlage nicht genüge, um den Auslandnachrichtendienst zu befähigen, die wirtschaftlichen Interessen der Schweiz mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu schützen.

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Aus Angst vor Verhaftung getrauen sich mehrere Schweizer Geheimdienstmitarbeiter, darunter der Stellvertretende Direktor Paul Zinniker, nicht mehr ins Ausland, nachdem ihre Namen in der Spionageaffäre bekannt wurden.

Gemäss Mitteilung der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft enthielt bereits das erste Rechtshilfeersuchen an die Generalstaatsanwaltschaft Nordrhein-Westfalen vom Dezember 2010 die Namen und weitere Angaben zu den Verdächtigten. Die drei Haftbefehle gegen Deutsche Steuerfahnder wären daher auch ohne Daniel M. ausgestellt worden.

Am 13. Juni 2017 legte der immer noch in Mannheim in Untersuchungshaft sitzende Daniel M. ein Geständnis ab. Er gab zu, «in der Vergangenheit gelegentlich kleinere Aufträge» für den NDB ausgeführt zu haben. Diese Aufträge seien aber «von eher untergeordneter Bedeutung» gewesen. Der NDB habe ihm für seine Tätigkeit «gelegentliche Geldsummen in vierstelliger Höhe» bezahlt. Daniel M. bestritt aber den Hauptvorwurf, einen Maulwurf in die Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen eingeschleust zu haben. Auch habe ihm der NDB nie 90,000 Euro in Aussicht gestellt, damit er diese Quelle installiere. Ebenso wenig habe er dafür 60,000 Euro bekommen. Im Jahr 2015 hat er aber genau diese Geschichte und die genannten Euro-Beträge gegenüber der Schweizerischen Bundesanwaltschaft behauptet. Am 27. Juni 2017 hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe das Haftentlassungsgesuch abgelehnt.

Ende Juli 2017 hat Daniel M. nochmals ausgesagt, dieses Mal gegenüber der Bundesanwaltschaft und dem Bundeskriminalamt. Dabei sind neue Aktenbestandteile und Beweisstücke vorgelegt worden.

Seit Anfang August 2017 ermittelt die Karlsruher Bundesanwaltschaft gegen drei Mitarbeiter des Schweizer Nachrichtendienstes des Bundes wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit, also der Spionage gegen Deutschland. Dies erfuhren Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR aus verlässlicher Quelle.

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Markus Seiler: Sooo klein sind die Fähigkeiten des NDB.

Der Prozess gegen Daniel M. begann am 18. Oktober 2017 in Frankfurt. Am 26. Oktober 2017 hat der Angeklagte ein umfassendes schriftliches Geständnis abgelegt und Fragen des Gerichts und der Generalbundesanwaltschaft beantwortet. Der 54-Jährige räumte ein, ab Frühjahr 2011 im Auftrag des NDB persönliche Daten von drei Steuerfahndern der Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen beschafft zu haben. Darüber hinaus gab der Spion zu, vom NDB den Auftrag erhalten zu haben, in der Finanzverwaltung von NRW eine Quelle zu gewinnen oder eine Quelle dort einzuschleusen. Am 9. November 2017 verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main Daniel M. wegen nachrichtendienstlicher Tätigkeit zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung sowie einer Busse von 40,000 Euro.

Markus Seiler verlässt den NDB und wird unter Bundesrat Ignazio Cassis ab dem 1. Dezember 2017 Generalsekretär des EDA.

Am 13. März 2018 hat die GPDel einen Bericht über die Inspektion als Folge der Verhaftung einer ehemaligen Quelle des NDB in Deutschland veröffentlicht. In diesem Bericht wurden viele schwere Mängel beim NDB offengelegt. Der Bundesrat muss bis Herbst 2018 Stellung dazu beziehen.

 

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