Dennis Bühler, Nordwestschweiz
Der Nachrichtendienst tritt nicht auf eine Beschwerde gegen die Kabelaufklärung ein. Jetzt kommt die umstrittene Methode vor Gericht.
Gestern hat der Anwalt der Digitalen Gesellschaft den nächsten Brief auf die Post gebracht: In ihrem Kampf gegen die Kabelaufklärung gelangt die Organisation an die nächste Instanz. Weil der Nachrichtendienst (NDB) nicht auf ihre Beschwerde eingetreten ist, muss sich nun das Bundesverwaltungsgericht mit der Überprüfung der neuen Geheimdienstmethode beschäftigen.
Mit dieser überwacht der NDB seit Anfang September die gesamte über Glasfaserkabel laufende grenzüberschreitende Internetkommunikation, beispielsweise Google-Abfragen und E-Mails. Sämtliche Datenströme werden nach bestimmten Begriffen durchforstet. Die Stimmbevölkerung hat 2016 die Einführung der Kabelaufklärung befürwortet. Interessant ist, wie der NDB im Brief an die Digitale Gesellschaft begründet, weshalb er auf die Beschwerde nicht eintritt: «Die Umsetzung dieses durch das Parlament verabschiedeten und vom Schweizer Volk im Referendum angenommenen Gesetz verletzt offensichtlich keine durch die Verfassung und die EMRK garantierten Grundrechte», heisst es im Brief, der der «Nordwestschweiz» vorliegt.
«Erschreckende Arroganz»
Stellt sich der Geheimdienst damit auf den Standpunkt, ein Gesetz könne Grundrechte per se nicht verletzen? Hält er Gesetze für höherrangig als die Bundesverfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention? Dies wäre falsch, auch wenn die Schweiz im Unterschied zu vielen anderen Staaten keine Verfassungsgerichtsbarkeit kennt, die Gesetze vor ihrem Erlass auf die Vereinbarkeit mit der Verfassung überprüft.
Auf Fragen geht der NDB nicht ein. Stattdessen teilt er mit, dass Kabelaufklärung gar keine Massenüberwachung sei, da jeder Auftrag «im Rahmen eines klar umrissenen Themas stehen wird, das mittels spezifischer Suchbegriffe im Voraus abgegrenzt wird. Der NDB saugt nicht einfach mit dem Staubsauger das Netz ab, um die gewünschten Informationen zu finden, sondern pickt mittels spezifischer Schlüsselwörter wie mit einer Pinzette diejenigen heraus, die er für die Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags braucht.»
Martin Steiger von der Digitalen Gesellschaft sieht das anders: «Es zeugt von erschreckender Arroganz, wenn der Geheimdienst behauptet, Grundrechte seien ‹offensichtlich› nicht verletzt. Die Menschenrechte stehen über der Demokratie. Wäre es anders, könnten Volksentscheide jedes Unrecht legitimieren.»
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