Bund geschäftet mit US-Spionagefirma

22. November 2013

Von Fa­bi­an Eber­hard, Ta­ges-An­zei­ger

CSC be­schäf­tigt in der Schweiz 600 Mit­ar­bei­ter und er­hält hier­zu­lan­de Mil­lio­nen­auf­trä­ge - auch vom EJPD. Gleich­zei­tig dient der IT-Kon­zern der NSA zu. «Na­iv», fin­det das ein Ge­heim­dienst­ex­per­te.

Der US-Ge­heim­dienstap­pa­rat hat ein Pro­blem: Er kann die Flut von Über­wa­chungs­da­ten nicht mehr al­lein be­wäl­ti­gen. Des­we­gen set­zen Ab­hör­be­hör­den wie die NSA, die CIA oder das FBI bei ih­rer Ar­beit ver­mehrt auf pri­va­te Fir­men. Un­be­ab­sich­tig­te Be­kannt­heit er­lang­te das Be­ra­tungs­un­ter­neh­men Booz Al­len Ha­mil­ton. Des­sen Mit­ar­bei­ter Ed­ward Snow­den ar­bei­te­te für die NSA und lös­te mit sei­nen Ent­hül­lun­gen die welt­wei­te Spio­na­ge­af­fä­re aus.

Zum Netz­werk von Ge­heim­dienst­part­nern aus der Pri­vat­wirt­schaft ge­hört auch der US-Kon­zern Com­pu­ter Sci­en­ces Cor­po­ra­ti­on (CSC) mit Sitz im Bun­des­staat Vir­gi­nia. Das Toch­ter­un­ter­neh­men in der Schweiz, das rund 600 Mit­ar­bei­ter be­schäf­tigt, er­bringt für den Bund In­for­ma­tik-Dienst­leis­tun­gen in Hö­he von meh­re­ren Mil­lio­nen Fran­ken. Da­bei ha­ben des­sen An­ge­stell­te Zu­griff auf Da­ten der Pen­si­ons- und Ar­beits­lo­sen­kas­se und auf ver­trau­li­che Do­ku­men­te des Eid­ge­nös­si­schen Jus­tiz- und Po­li­zei­de­par­te­ments (EJPD).

Der deut­sche Ge­heim­dienst­ex­per­te Erich Schmidt-Een­boom wirft den Be­hör­den Fahr­läs­sig­keit vor. «Die Schweiz kauft sich mit sol­chen Auf­trags­ver­ga­ben fak­tisch bei der NSA ein.» Für Ken­ner sei seit Jah­ren klar, dass sich die US-Ge­heim­diens­te durch Miet­spio­ne wie die CSC Zu­gang zu Or­ten auf der gan­zen Welt ver­schaf­fen. Schmidt-Een­boom ist über­zeugt: «Wenn die US-Ge­heim­diens­te Da­ten von Aus­land­ak­ti­vi­tä­ten der CSC wol­len, dann be­kom­men sie die­se auch.» Sei es über den Kon­zern selbst oder über ein­zel­ne Mit­ar­bei­ter. «Der Schwei­zer Ab­le­ger ist nicht un­ab­hän­gig von der Mut­ter­fir­ma in den USA.»

Die Ver­ant­wort­li­chen beim Bund ver­wei­sen auf stren­ge Si­cher­heits­mass­nah­men. So wür­den CSC-An­ge­stell­te nur mit ver­wal­tungs­in­ter­ner In­fra­struk­tur ar­bei­ten und meist un­ter Auf­sicht von ei­ge­nen Mit­ar­bei­tern. Sie be­ru­fen sich zu­dem auf das Da­ten­schutz­ge­setz. Ursi­na Ba­ran­dun, Spre­che­rin der Pen­si­ons­kas­se des Bun­des: «Theo­re­tisch ha­ben die Auf­trag­neh­mer Zu­griff auf Ver­si­cher­ten­da­ten. Aber nur, wenn sie ver­trag­li­che Be­stim­mun­gen wie Schwei­ge­pflicht und Da­ten­schutz nicht ein­hal­ten.»

Den Schwei­zern über­le­gen

Schmidt-Een­boom fin­det das na­iv: «Un­ter­neh­men wie die CSC hal­ten sich nicht an ir­gend­wel­che Klau­seln.» Die­se Fir­ma sei kein se­riö­ser Ge­schäfts­part­ner für die Schwei­zer Re­gie­rung. Um das zu mer­ken, rei­che ei­ne Goog­le-Re­cher­che. Gleich­zei­tig or­tet er aber auch ein Di­lem­ma. «Die Schweiz hat es ver­passt, na­tio­na­le Ka­pa­zi­tä­ten im IT-Be­reich auf­zu­bau­en.» Kon­zer­ne wie die CSC sei­en den Schwei­zer Pen­dants meist der­art über­le­gen, dass dem Bund fast nichts an­de­res üb­rig bleibt, als sie zu en­ga­gie­ren.

Dar­auf deu­tet auch der Um­stand hin, dass die Be­hör­den meh­re­re Auf­trä­ge an die CSC trotz Mil­lio­nen­sum­men oh­ne öf­fent­li­che Aus­schrei­bung ver­ge­ben ha­ben. Als Be­grün­dung dien­te im­mer das glei­che Ar­gu­ment: man­geln­de Al­ter­na­ti­ven.

CIA-Flü­ge mit­or­ga­ni­siert

Trotz­dem: Die Ak­ti­vi­tä­ten der CSC in den USA sind höchst frag­wür­dig. Wie we­nig Skru­pel der Mil­li­ar­den­kon­zern hat, zeig­ten Re­cher­chen des «Bos­ton Glo­be» und des «Guar­di­an». Ge­stützt auf US-Ge­richts­ak­ten ent­hüll­ten die bei­den Zei­tun­gen, dass die CSC zwi­schen 2003 und 2006 über ein Toch­ter­un­ter­neh­men die Lo­gis­tik für il­le­ga­le Ent­füh­rungs­flü­ge der CIA mit­or­ga­ni­siert hat­te. Es soll auch an der Ver­schlep­pung des ter­ror­ver­däch­ti­gen deut­schen Staats­bür­gers Kha­led al-Mas­ri be­tei­ligt ge­we­sen sein.

Für die NSA pro­gram­mier­te die CSC das gi­gan­ti­sche Da­ten­ab­saug­pro­gramm «Trail­bla­zer». Die­ses wur­de letzt­lich zwar nicht rea­li­siert, die Ver­bin­dung zu den Agen­ten sol­len aber nach wie vor be­ste­hen. Noch bis 2014 läuft zu­dem ein 5-Mil­li­ar­den-Dol­lar-Ver­trag mit der NSA. Der Auf­trag: Er­neue­rung des IT-Sys­tems der Si­cher­heits­be­hör­de und Aus­tausch von Tech­nik, elek­tro­ni­scher In­fra­struk­tur und Soft­ware im gros­sen Stil.

Die CSC steht auch in Deutsch­land un­ter Spio­na­ge­ver­dacht. Die «Süd­deut­sche Zei­tung» ent­hüll­te zu­sam­men mit dem Nord­deut­schen Rund­funk en­ge Be­zie­hun­gen zwi­schen der deut­schen Re­gie­rung und dem Ge­heim­dienst-Part­ner. Die Fir­ma soll den Staats­tro­ja­ner des Bun­des­kri­mi­nal­amts ge­tes­tet und das Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um bei der Ein­füh­rung der elek­tro­ni­schen Ak­te für Bun­des­ge­rich­te un­ter­stützt ha­ben. Die CSC selbst woll­te zu den Re­cher­chen des «Ta­ges-An­zei­gers» kei­ne Stel­lung neh­men.Die NSA-Af­fä­re bleibt auch The­ma in der Schwei­zer Po­li­tik. Ges­tern ant­wor­te­te der Bun­des­rat auf ei­ne Mo­ti­on der SP-Na­tio­nal­rä­tin Su­san­ne Leu­ten­egger Ober­hol­zer (BL). Sie for­der­te die Sus­pen­die­rung der Zu­sam­men­ar­beit mit sämt­li­chen Nach­rich­ten­diens­ten, die mit der NSA in Ver­bin­dung ste­hen. Der Bun­des­rat lehn­te dies ab. Er er­ach­te es «grund­sätz­lich nicht als sinn­voll». Bei­spiels­wei­se zur Ter­ror­ab­wehr sei die Ko­ope­ra­ti­on wich­tig.

 

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