Genetische Sippenhaft

15. August 2017

Bei ei­ner DNA-Ana­ly­se wird ge­prüft, ob ei­ne an ei­nem Tat­ort ge­fun­de­ne DNA-Spur mit ei­ner in der DNA-Da­ten­bank CO­DIS hin­ter­leg­ten DNA über­ein­stimmt. So steht es je­den­falls im Bun­des­ge­setz über die Ver­wen­dung von DNA-Pro­fi­len im Straf­ver­fah­ren und zur Iden­ti­fi­zie­rung von un­be­kann­ten oder ver­miss­ten Per­so­nen (DNA-Pro­fil-Ge­setz). En­de 2016 ent­hielt die Da­ten­bank CO­DIS 185,393 Per­so­nen­pro­fi­le und 71,152 Tat­ort­spu­ren.

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Beim «Fa­mi­li­al DNA se­ar­ching», wel­ches erst­mals am 19. April 2004 in Eng­land an­ge­wen­det wur­de, wird nicht auf Über­ein­stim­mung der DNA, son­dern le­dig­lich auf teil­wei­se Über­ein­stim­mung der DNA ge­prüft. Man er­hofft sich, auf die­se Wei­se ei­ne in der DNA-Da­ten­bank re­gis­trier­te Per­son zu fin­den, wel­che bluts­ver­wandt mit dem nicht re­gis­trier­ten Tä­ter ist.

Seit Seit En­de 2015 gibt es «Fa­mi­li­al DNA se­ar­ching» auch in der Schweiz un­ter der Be­zeich­nung «Ver­wand­ten­re­cher­che». Das Bun­des­straf­ge­richt hat da­zu sei­nen Se­gen ge­ge­ben, ob­wohl es kei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge da­zu gibt

Bis­her hat das Fed­pol zwölf An­trä­ge auf «Ver­wand­ten­re­cher­che» be­wil­ligt: Acht­mal ging es um ein Tö­tungs­de­likt, zwei­mal um Mord, ein­mal um Brand­stif­tung und ein­mal um Ver­ge­wal­ti­gung mit schwe­rer Kör­per­ver­let­zung. Noch nie wur­de ein An­trag ab­ge­lehnt, und noch nie wur­de ein Er­folg ver­zeich­net.

Pro­ble­ma­tisch ist, dass ei­ner­seits auch Per­so­nen oh­ne Bluts­ver­wandt­schaft ein teil­wei­se iden­ti­sches DNA-Pro­fil ha­ben kön­nen, an­de­rer­seits kommt die­se Me­tho­de ei­ner Sip­pen­haft gleich. Ge­nau so gut könn­te man al­le Ver­wand­ten ei­ner in CO­DIS re­gis­trier­ten Per­son ver­pflich­ten, eben­falls das ei­ge­ne DNA-Pro­fil zu hin­ter­le­gen, das Re­sul­tat wä­re das Glei­che.

Oben­drein hat das Bun­des­ge­richt die DNA-Ent­nah­me und -Spei­che­rung le­dig­lich als leich­ten Ein­griff in das Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung qua­li­fi­ziert (Ur­teil 128 II 259 vom 29. Mai 2002, Er­wä­gung 3.3 «Für die Er­stel­lung ei­nes DNA-Pro­fils wer­den zwar Ab­schnit­te der in­ners­ten ma­te­ri­el­len Sub­stanz ei­nes Men­schen un­ter­sucht, wel­che auch des­sen Erb­in­for­ma­tio­nen ent­hält. Die Ana­ly­se um­fasst in­des­sen aus­schliess­lich nicht-co­die­ren­de Ab­schnit­te der DNA und be­schränkt sich dar­auf, ähn­lich wie bei ei­nem klas­si­schen Fin­ger­ab­druck, per­sön­lich­keits­neu­tra­le Merk­ma­le des be­tref­fen­den Men­schen fest­zu­stel­len, wel­che die Iden­ti­fi­zie­rung er­lau­ben, je­doch kei­ne Aus­sa­gen über Erb­an­la­gen oder Rück­schlüs­se auf Krank­hei­ten zu­las­sen ... Zwar muss der Be­trof­fe­ne bei ei­ner Re­gis­trie­rung sei­nes DNA-Pro­fils in der Da­ten­bank da­mit rech­nen, auf­grund ei­ner spä­te­ren Ab­glei­chung al­len­falls wie­der in ein Straf­ver­fah­ren ver­wi­ckelt zu wer­den. Dies ist je­doch auch bei der Auf­be­wah­rung er­ken­nungs­dienst­li­cher Un­ter­la­gen wie et­wa Fo­to­gra­fi­en der Fall. Im Ge­gen­satz zu ei­ner Fo­to­gra­fie, bei wel­cher die re­gis­trier­te Per­son bloss auf­grund ei­ner ge­wis­sen Ähn­lich­keit wie­der in ein Straf­ver­fah­ren hin­ein­ge­zo­gen wer­den kann, er­laubt der Ver­gleich von DNA-Pro­fi­len prak­tisch si­che­re Aus­sa­gen hin­sicht­lich ei­ner all­fäl­li­gen Über­ein­stim­mung. Un­ter den ge­nann­ten Um­stän­den er­wei­sen sich die Er­stel­lung ei­nes DNA-Pro­fils wie auch des­sen Be­ar­bei­tung im In­for­ma­ti­ons­sys­tem des Bun­des als leich­te Ein­grif­fe in das Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung (Art. 13 Abs. 2 BV).»). Wenn aber mit den Da­ten in CO­DIS oh­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge Schind­lu­der be­trie­ben wird, wie dies bei der «Ver­wand­ten­re­cher­che» der Fall ist, kann nicht mehr von ei­nem leich­ten Ein­griff in das Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung ge­spro­chen wer­den.

 

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