Kein Schnüffeln im Internet ohne richterliche Genehmigung

1. Oktober 2014

Am 1. Ok­to­ber 2014 hat das Bun­des­ge­richt über zwei Be­schwer­den ge­gen kan­to­na­le Po­li­zei­ge­set­ze in ei­ner öf­fent­li­chen Be­ra­tung ent­schie­den.

Gut­ge­heis­sen hat das Ge­richt die Be­schwer­de in Be­zug auf § 32f des Po­li­zei­ge­set­zes Zü­rich zur au­to­ma­ti­schen Über­wa­chung von ge­schlos­se­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­platt­for­men im In­ter­net. Die In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung in so­ge­nann­ten Clo­sed User Groups stellt ei­nen schwe­ren Ein­griff in das ver­fas­sungs­mäs­sig ge­schütz­te Fern­mel­de­ge­heim­nis dar. Die Über­wa­chung kann zu­läs­sig sein, wenn schwer­wie­gen­de Ge­fah­ren dro­hen und kei­ne an­de­ren Mit­tel zur Ver­fü­gung ste­hen. Um Miss­bräu­che zu ver­mei­den, ist je­doch ei­ne vor­gän­gi­ge rich­ter­li­che Ge­neh­mi­gung und nach­träg­li­cher Rechts­schutz für die Be­trof­fe­nen er­for­der­lich. Dar­auf hat der kan­to­na­le Ge­setz­ge­ber ver­zich­tet, wes­halb die Be­stim­mung auf­zu­he­ben ist.

Die auf­ge­ho­be­ne Be­stim­mung lau­te­te:

§ 32 f. (In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung im In­ter­net)

1 Die Po­li­zei kann zur Er­fül­lung ih­rer Auf­ga­ben mit tech­ni­schen Mit­teln im In­ter­net fahn­den.

2 Ei­ne Po­li­zei­of­fi­zie­rin oder ein Po­li­zei­of­fi­zier kann den Ein­satz von tech­ni­schen Mit­teln zur Fest­stel­lung von ver­däch­ti­gen In­hal­ten in ei­ner ei­nem be­schränk­ten Be­nut­zer­kreis zu­gäng­li­chen vir­tu­el­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­platt­form an­ord­nen, wenn die Ab­wehr ei­ner dro­hen­den Ge­fahr oder die Er­ken­nung von Straf­ta­ten sonst aus­sichts­los wä­re oder un­ver­hält­nis­mäs­sig er­schwert wür­de. Dies gilt na­ment­lich zur Er­ken­nung fol­gen­der Ge­fah­ren und Straf­ta­ten:

a.​Amokläu­fe,

b.​Hooliga­nis­mus und schwe­re Aus­schrei­tun­gen bei öf­fent­lich zu­gäng­li­chen Gross­ver­an­stal­tun­gen und Kund­ge­bun­gen,

c.​Aufrufe zu Ge­walt, zu schwe­ren Sach­be­schä­di­gun­gen mit er­heb­li­chem Scha­den­s­po­ten­zi­al oder zu an­de­ren schwe­ren Rechts­gut­ver­let­zun­gen,

d.​schwere Se­xu­al­de­lik­te,

e.​Verhin­de­rung dro­hen­der Ver­bre­chen oder Ver­ge­hen an Ein­rich­tun­gen, die der All­ge­mein­heit die­nen und die we­gen ih­rer Ver­letz­lich­keit be­son­ders ge­fähr­det sind.

Ge­mäss Er­wä­gung 8.​7.​2.​2 der schrift­li­chen Ur­teils­be­grün­dung des Bun­des­ge­richts wä­re ei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge zur Über­wa­chung von ge­schlos­se­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­platt­for­men im In­ter­net na­ment­lich zur Er­ken­nung von Ge­fah­ren und Straf­ta­ten wie Amok­läu­fen, schwe­ren Se­xu­al­de­lik­ten, schwe­ren Aus­schrei­tun­gen bei Gross­ver­an­stal­tun­gen und Kund­ge­bun­gen, Auf­ru­fen zu Ge­walt mit er­heb­li­chem Scha­den­po­ten­zi­al und an­de­ren schwe­ren Rechts­guts­ver­let­zun­gen mög­lich, wenn ein Rich­ter die Über­wa­chung ge­neh­mi­gen müss­te und be­trof­fe­ne Per­so­nen nach­träg­lich in­for­miert wür­den.

Auch in Genf

Die Be­schwer­de ge­gen das Po­li­zei­ge­setz des Kan­tons Genf hiess das Bun­des­ge­richt voll­stän­dig gut. Es hebt die Be­stim­mun­gen zur Ob­ser­va­ti­on (Ar­ti­kel 21 A Abs. 2), zur ver­deck­ten Fahn­dung (Ar­ti­kel 21 B) so­wie zur ver­deck­ten Vor­er­mitt­lung (Ar­ti­kel 22) auf. In all die­sen Fäl­len ist es mit Blick auf das Ver­hält­nis­mäs­sig­keits­prin­zip zur Ver­hin­de­rung von Miss­bräu­chen er­for­der­lich, dass die Be­trof­fe­nen nach­träg­lich über die er­grif­fe­nen Mass­nah­men in­for­miert wer­den und Rechts­schutz er­hal­ten. Bei der ver­deck­ten Er­mitt­lung - wo die Er­mitt­ler im Ge­gen­satz zur ver­deck­ten Fahn­dung un­ter ei­ner fal­schen Iden­ti­tät auf­tre­ten - be­darf es ei­ner vor­gän­gi­gen Ge­neh­mi­gung durch den Rich­ter.

 

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