Manipulation des Gesetzgebungsprozesses

4. Juli 2017

Bei der Durch­sicht der Stel­lung­nah­men zur Ver­nehm­las­sung zu den Ver­ord­nun­gen zur Über­wa­chung des Fern­mel­de­ver­kehrs fällt auf, dass die Kan­to­ne vor al­lem die Er­hö­hung der Ge­büh­ren strikt ab­leh­nen, und dies zum gros­sen Teil mit gleich­lau­ten­den For­mu­lie­run­gen. Des Rät­sels Lö­sung lie­fert der Kan­ton Thur­gau, wel­cher in sei­ner Ver­nehm­las­sungs­ant­wort vom 27. Ju­ni 2017 schreibt: «Für die de­tail­lier­te Be­grün­dung ge­stat­ten wir uns, auf das bei­lie­gen­de Po­si­ti­ons­pa­pier der Kon­fe­renz der Kan­to­na­len Po­li­zei­kom­man­dan­ten (KKPKS) vom 20. April 2017 zu ver­wei­sen, dem wir uns voll­um­fäng­lich an­schlies­sen.»

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In der Ver­nehm­las­sung der KKPKS vom 1. Mai 2017 steht: «Die in der Pro­jekt­orga­ni­sa­ti­on des Pro­gramms FMÜ mit­wir­ken­den Ver­tre­tun­gen von Bun­des­an­walt­schaft, kan­to­na­len Staats­an­walt­schaf­ten und Kan­tons­po­li­zei­en ha­ben die Grund­la­gen und Aus­wir­kun­gen der neu­en Ge­büh­ren­ver­ord­nung ge­prüft und ih­re kri­ti­sche Be­ur­tei­lung in ei­nem kon­so­li­dier­ten Po­si­ti­ons­pa­pier vom 20. April 2017 zu­sam­men­ge­fasst (sie­he Bei­la­ge).»

Das «kon­so­li­dier­te Po­si­ti­ons­pa­pier» vom 20. April 2017 wie­der­um zi­tiert zwei Bun­des­ge­richts­ur­tei­le und ver­gleicht Äp­fel mit Bir­nen. Bei­de Ur­tei­le be­tref­fen Kau­sal­ab­ga­ben (das sind Ge­büh­ren, die an­fal­len, oh­ne dass ein Ge­mein­we­sen ei­ne Leis­tung er­bringt), ei­ner­seits die In­an­spruch­nah­me des öf­fent­li­chen Ge­wäs­serare­als durch das Glo­bus-Pro­vi­so­ri­um (BGE 2C_900/2011 vom 2. Ju­ni 2012), an­de­rer­seits die Zweit­woh­nungs­steu­er von Sil­va­pla­na (BGE 140 I 176 vom 27. März 2014). Bei den Ge­büh­ren des Diens­tes ÜPF hin­ge­gen han­delt es sich um ein Ent­gelt für auf Be­stel­lung er­brach­te Leis­tun­gen.

Auch die Be­haup­tung der KKPKS, wo­nach durch die hö­he­ren Ge­büh­ren «die Be­kämp­fung schwers­ter De­lin­quenz er­heb­lich be­ein­träch­tigt» wer­de, ent­behrt je­der Grund­la­ge. Ge­mäss Sta­tis­tik ent­fal­len we­ni­ger als 10 % al­ler Fern­mel­de­über­wa­chun­gen auf schwers­te Straf­tat­be­stän­de. Statt mit Ka­no­nen auf Spat­zen zu schies­sen und mit Fern­mel­de­über­wa­chun­gen Klein­kri­mi­nel­len nach­zu­ja­gen, müss­ten die per­so­nel­len und fi­nan­zi­el­len Res­sour­cen le­dig­lich auf Fäl­le schwers­ter Kri­mi­na­li­tät ge­bün­delt wer­den.

Mit­glie­der von Spruch­kör­pern von Ge­rich­ten oder von Re­gie­rungs­kol­lek­ti­ven ha­ben we­gen mög­li­cher Be­fan­gen­heit in den Aus­stand zu tre­ten, wenn sie in ei­ner Sa­che vor­be­fasst sind. Die KKPKS war bei der Aus­ar­bei­tung der Ver­ord­nun­gen zur Über­wa­chung des Fern­mel­de­ver­kehrs zu­min­dest teil­wei­se be­tei­ligt, wie sie selbst dar­legt. Das hält sie aber nicht da­vor ab, selbst ei­ne Ver­nehm­las­sungs­ant­wort zu den mit­ver­ant­wor­te­ten Ver­ord­nun­gen ein­zu­rei­chen, sie speist die­se oben­drein noch auf di­rek­tem Weg via die Po­li­zei­di­rek­to­ren in die kan­to­na­len Re­gie­run­gen ein.

 

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