Staatsschutz will private Computer ausspionieren

3. November 2012

Der Nachrichtendienst will seine Kompetenzen für Operationen im Inland stark ausweiten. Zudem soll er auch Aufgaben erhalten, die über das Sammeln von Informationen hinausgehen.

Markus Häfliger, Bern (NZZ)

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) will die präventive Überwachung von Terrorverdächtigen stark ausbauen - im In- wie im Ausland. Das geht aus dem bisher unveröffentlichten Entwurf für das neue Nachrichtendienstgesetz hervor. Heute sind dem NDB im Inland enge Grenzen gesetzt: Er darf verdächtige Personen nur an öffentlich zugänglichen Orten überwachen. Die restriktiven Leitplanken sind eine Folge des Fichenskandals. Seit Jahren klagt der NDB, seine beschränkten Mittel würden gegen heutige Bedrohungen nicht mehr ausreichen.

Der Gesetzesentwurf, der vom 8. Oktober 2012 datiert, zeigt nun in 65 Artikeln im Detail auf, wie sich der Schweizer Staatsschutz sein Arsenal und seine Tätigkeit künftig vorstellt. Der Entwurf ist im Verteidigungsdepartement (VBS) entstanden; der Bundesrat hat sich noch nicht damit befasst.

Gemäss dem Entwurf darf der NDB in Zukunft in gewissen Fällen Telefone abhören, Post öffnen, Wanzen und Peilsender installieren, Computer durchsuchen, Mobiltelefone orten sowie Privaträume durchsuchen - alles im Rahmen der präventiven Überwachung, also ausserhalb eines Strafverfahrens.

Polizei hat weniger Rechte

Einsetzen darf er solche Mittel gegen Terrorismus und Spionage, gegen die Proliferation von nuklearen, biologischen oder chemischen Waffen und zum Schutz von kritischen Infrastrukturen. Zusätzlich zu diesen Zuständigkeitsbereichen gibt das Gesetz dem NDB noch eine fünfte Aufgabe - den Kampf gegen gewalttätigen Extremismus. In diesem Bereich darf er die beschriebenen Mittel allerdings nicht einsetzen.

Dort, wo er sie einsetzen darf, erhält der NDB aber teilweise grössere Kompetenzen als die Strafverfolgungsbehörden in einem Strafverfahren - insbesondere bei der Computerüberwachung. Der Gesetzesentwurf erlaubt «das Eindringen in Computersysteme und Computernetzwerke, um dort vorhandene oder übermittelte Informationen zu beschaffen». Zusätzlich soll der NDB das Recht erhalten, Computersysteme zu manipulieren - mit dem Zweck, «den Zugriff auf Informationen zu stören, zu verhindern oder zu verlangsamen».

Für die Polizei gelten engere Grenzen. Das Justizdepartement arbeitet derzeit an einer anderen Gesetzesrevision, die es den Strafverfolgungsbehörden zwar erlauben will, sogenannte Trojaner auf Computern zu installieren. Solche Spionageprogramme dürfen aber nur E-Mails und Internettelefonate (Skype) überwachen. Das Ausspionieren sowie die Manipulation des Rechners will der Bundesrat nicht zulassen. In beiden Bereichen hätte der NDB demnach mehr Kompetenzen als die Staatsanwaltschaft, bestätigt Thomas Hansjakob, der Erste Staatsanwalt des Kantons St. Gallen. Um all diese Überwachungsmassnahmen einsetzen zu dürfen, braucht der NDB jeweils eine Bewilligung des Bundesverwaltungsgerichts und des VBS-Vorstehers. In dringlichen Fällen kann der NDB-Direktor seine Agenten allerdings auch ohne Genehmigung losschicken - und die Operation erst nachträglich dem Gericht unterbreiten.

Überwachung aus dem All

Für gewisse Methoden braucht der NDB gar keine Genehmigung. So darf er jederzeit «von jeder Person Meldungen entgegennehmen». Betreiber von Videoüberwachungssystemen sind verpflichtet, ihm ihre Aufzeichnungen auszuhändigen. Zudem darf der NDB «luft- und weltraumgestützte Mittel» einsetzen, um Vorgänge am Boden zu beobachten. Im Ausland erhält der NDB weitgehend freie Hand. Hier darf er Zielpersonen ohne Genehmigung observieren, orten oder abhören. Auch Computer darf er ohne Bewilligung überwachen oder manipulieren, «sofern sich diese im Ausland befinden».

Gewisse Elemente weiten den Gesetzesentwurf in Richtung eines allgemeinen Sicherheitsgesetzes aus. So etwa der Auftrag, dass der Nachrichtendienst «Angriffe auf kritische Informations-, Kommunikations-, Energie-, Transport- und weitere Infrastrukturen abwehren» soll. Ein weiterer Paragraf erlaubt es dem NDB, Schweizer Bürger und Firmen im Ausland zu «unterstützen» - was auch immer das heissen mag. Voraussetzung dafür ist, dass im Ausland «wesentliche schweizerische Interessen betroffen sind» oder wenn «Leib und Leben oder die Freiheit bedroht sind».

Zudem gibt das Gesetz dem Bundesrat eine weitreichende Generalvollmacht, den NDB für weitere Missionen einzusetzen: «Er kann den NDB mit Tätigkeiten nach diesem Gesetz beauftragen, um die Wahrung von wesentlichen Landesinteressen zu unterstützen.» Das Gesetz regelt auch den Einsatz der Abhöranlage Onyx, die der NDB bereits heute betreibt.

Das VBS plant, das neue Gesetz noch im Dezember in die Vernehmlassung zu schicken. Heftige politische Debatten sind vorprogrammiert. Ein erster Anlauf für den Ausbau der präventiven Überwachung, die «BWIS II»-Vorlage, scheiterte 2009 im Parlament am Widerstand der Linken und der SVP.

 

Webauftritt gestaltet mit YAML (CSS Framework), Contao 3.5.27 (Content Management System) und PHPList (Newsletter Engine)

Copyright © 2006-2024 by grundrechte.ch