Strafverfahren; Teilnahme an Einvernahmen

4. Dezember 2012

Bun­des­ge­richt

Tri­bu­nal fédéral

Tri­bu­na­le fe­dera­le

Tri­bu­nal fe­deral

{T 0/2}

1B_404/2012

Ur­teil vom 4. De­zem­ber 2012

I. öf­fent­lich-recht­li­che Ab­tei­lung

Be­set­zung

Bun­des­rich­ter Fon­jal­laz, Prä­si­dent,

Bun­des­rich­ter Ae­mi­seg­ger, Mer­k­li,

Ge­richts­schrei­ber Fors­ter.

Ver­fah­rens­be­tei­lig­te

X.________, Be­schwer­de­füh­rer,

ver­tre­ten durch Rechts­an­walt Ke­n­ad Me­lu­no­vic,

ge­gen

Staats­an­walt­schaft Brugg-Zurzach,

Wil­di­scha­chen 14, 5200 Brugg.

Ge­gen­stand

Straf­ver­fah­ren; Teil­nah­me an Ein­ver­nah­men, Bei­zug ei­nes Dol­met­schers,

Be­schwer­de ge­gen den Ent­scheid vom 22. Mai 2012 des Ober­ge­richts des Kan­tons Aar­gau, Be­schwer­de­kam­mer in Straf­sa­chen.

Sach­ver­halt:

A.

Die Staats­an­walt­schaft Brugg-Zurzach führt ge­gen X.________ (und Mit­be­schul­dig­te) ei­ne Straf­un­ter­su­chung we­gen des Ver­dachts der qua­li­fi­zier­ten Wi­der­hand­lung ge­gen das Be­täu­bungs­mit­tel­ge­setz. Der Be­schul­dig­te wur­de am 29. März 2012 ver­haf­tet und am 31. März 2012 in Un­ter­su­chungs­haft ver­setzt.

B.

Mit Ver­fü­gung vom 4. April 2012 wies die Staats­an­walt­schaft ein Ge­such des Be­schul­dig­ten ab um Be­kannt­ga­be der Ein­ver­nah­me­ter­mi­ne von Mit­be­schul­dig­ten so­wie um Zu­las­sung des Be­schul­dig­ten und sei­nes Ver­tei­di­gers an die be­tref­fen­den Ein­ver­nah­men.

C.

Mit se­pa­ra­ter Ver­fü­gung vom 4. April 2012 wies die Staats­an­walt­schaft ein wei­te­res Ge­such des Be­schul­dig­ten ab, wo­nach der amt­li­che Dol­met­scher auch für In­struk­ti­ons­ge­sprä­che zwi­schen dem Be­schul­dig­ten und sei­nem Ver­tei­di­ger (an­läss­lich von Ein­ver­nah­men) zur Ver­fü­gung zu stel­len sei.

D.

Ei­ne vom Be­schul­dig­ten ge­gen die ge­nann­ten Ver­fü­gun­gen er­ho­be­ne Be­schwer­de wies das Ober­ge­richt des Kan­tons Aar­gau, Be­schwer­de­kam­mer in Straf­sa­chen, mit Ent­scheid vom 22. Mai 2012 ab.

E.

Ge­gen den Ent­scheid des Ober­ge­richts ge­lang­te der Be­schul­dig­te mit Be­schwer­de vom 7. Ju­li 2012 an das Bun­des­ge­richt. Ne­ben der Auf­he­bung des an­ge­foch­te­nen Ent­schei­des be­an­tragt er sei­ne Zu­las­sung (und die sei­nes Ver­tei­di­gers) zu den Ein­ver­nah­men von Mit­be­schul­dig­ten. Aus­ser­dem sei ihm "für die In­struk­ti­on mit sei­nem Ver­tei­di­ger bei und wäh­rend der staats­an­walt­lich an­ge­ord­ne­ten Be­weis­er­he­bung, ins­be­son­de­re Ein­ver­nah­men, der amt­lich be­stell­te Über­set­zer zur Ver­fü­gung zu stel­len".

Die Staats­an­walt­schaft und das Ober­ge­richt ha­ben auf Stel­lung­nah­men je aus­drück­lich ver­zich­tet.

Er­wä­gun­gen:

1.

Die Sa­chur­teils­vor­aus­set­zun­gen von Art. 78 ff. BGG sind grund­sätz­lich er­füllt und ge­ben zu kei­nen Vor­be­mer­kun­gen An­lass.

2.

Der Be­schwer­de­füh­rer macht gel­tend, sein Aus­schluss von den Ein­ver­nah­men von Mit­be­schul­dig­ten ver­let­ze sei­ne (ins­be­son­de­re von Art. 147 Abs. 1 StPO ge­währ­leis­te­ten) Par­tei­rech­te. Das Ver­hal­ten der kan­to­na­len In­stan­zen ver­set­ze ihn ge­gen­über den Mit­be­schul­dig­ten in ein Aus­sa­ge­di­lem­ma und un­ter­höh­le sein pro­zes­sua­les Schwei­ge­recht. Er sei in Un­ter­su­chungs­haft ver­setzt und zu den Tat­vor­wür­fen schon mehr­mals ein­ver­nom­men wor­den. Ent­ge­gen der An­sicht des Ober­ge­richts sei ihm da­her Ge­le­gen­heit zu ge­ben, an den Be­weis­er­he­bun­gen teil­zu­neh­men. Ein Aus­schluss­grund im Sin­ne von Art. 108 Abs. 1 lit. a StPO lie­ge nicht vor.

2.1 Ge­stützt auf Art. 146 Abs. 1 StPO (Ver­fah­rens­grund­satz der "ge­trenn­ten" Ein­ver­nah­me) ver­neint die Vor­in­stanz ei­nen An­spruch des Be­schul­dig­ten auf Teil­nah­me an den Ein­ver­nah­men von Mit­be­schul­dig­ten. Dies ent­spre­che auch der Pra­xis des Zür­cher Ober­ge­richts. In sei­nem zur amt­li­chen Pu­bli­ka­ti­on be­stimm­ten Grund­satz­ur­teil 1B_264/2012 vom 10. Ok­to­ber 2012 hat das Bun­des­ge­richt die­se Ar­gu­men­ta­ti­on ge­prüft und aus­drück­lich ver­wor­fen:

2.1.1 Die Ar­ti­kel 142-146 StPO re­geln (im Rah­men des 2. Ab­schnitts "Ein­ver­nah­men", im 1. Ka­pi­tel "All­ge­mei­ne Be­stim­mun­gen" un­ter dem 4. Ti­tel "Be­weis­mit­tel") die all­ge­mei­nen Mo­da­li­tä­ten der straf­pro­zes­sua­len Ein­ver­nah­men. Art. 146 StPO trägt den Rand­ti­tel "Ein­ver­nah­men meh­re­rer Per­so­nen und Ge­gen­über­stel­lun­gen". Er ord­net im We­sent­li­chen ein­ver­nah­me­tech­ni­sche Fra­gen der ge­nann­ten Be­fra­gungs­fäl­le. Art. 146 Abs. 1 StPO be­stimmt, dass meh­re­re zu be­fra­gen­de Per­so­nen im Re­gel­fall "ge­trennt ein­ver­nom­men" wer­den. "Ge­trennt" von­ein­an­der be­deu­tet zu­nächst, dass Be­frag­te (ins­be­son­de­re Zeu­gen oder Mit­be­schul­dig­te) im Rah­men der glei­chen Ein­ver­nah­me­sit­zung nicht ge­mein­sam (d.h. gleich­zei­tig oder wech­sel­sei­tig) be­fragt wer­den, son­dern nach­ein­an­der. Vor­be­hal­ten ist der Son­der­fall der Kon­fron­ta­ti­ons­ein­ver­nah­me ver­schie­de­ner Per­so­nen nach er­folg­ten ers­ten Be­fra­gun­gen (Art. 146 Abs. 2 StPO; vgl. Bot­schaft zur Ver­ein­heit­li­chung des Straf­pro­zess­rechts vom 21. De­zem­ber 2005, BBl 2006, S. 1085 ff., 1186). Sinn und Zweck von Art. 146 Abs. 1 StPO ist in die­sem Sin­ne die un­ge­stör­te Wahr­heits­fin­dung, ins­be­son­de­re die Ver­hin­de­rung von ge­gen­sei­ti­gen Be­ein­flus­sun­gen bzw. Kol­lu­si­on. Die Be­stim­mun­gen von Art. 142-146 StPO sind all­ge­mei­ner Na­tur und gel­ten für al­le Ein­ver­nah­me­ar­ten (Be­fra­gun­gen von Be­schul­dig­ten, Pri­vat­klä­gern, Zeu­gen, Aus­kunfts­per­so­nen usw.). Sie ent­hal­ten kei­ne Vor­schrif­ten zu den Teil­nah­me­rech­ten der Par­tei­en bei Be­weis­er­he­bun­gen (na­ment­lich bei Ein­ver­nah­men). Ins­be­son­de­re lässt sich dem Wort­laut von Art. 146 Abs. 1 StPO nicht ent­neh­men, dass die Par­tei­en zu den ge­trenn­ten Ein­zel­ein­ver­nah­men nicht zu­zu­las­sen sei­en. Die Teil­nah­me­rech­te der Par­tei­en wer­den (im sich an­schlies­sen­den 3. Ab­schnitt) in Art. 147-148 StPO se­pa­rat ge­re­gelt (Ur­teil 1B_264/2012 E. 4.1).

2.1.2 Art. 147 Abs. 1 Satz 1 StPO sta­tu­iert den Grund­satz der Par­tei­öf­fent­lich­keit der Be­weis­er­he­bun­gen im Un­ter­su­chungs- und Haupt­ver­fah­ren und be­stimmt, dass die Par­tei­en das Recht ha­ben, bei Be­weis­er­he­bun­gen durch die Staats­an­walt­schaft und die Ge­rich­te an­we­send zu sein und ein­ver­nom­me­nen Per­so­nen Fra­gen zu stel­len. Die­ses spe­zi­fi­sche Teil­nah­me- und Mit­wir­kungs­recht fliesst aus dem An­spruch auf recht­li­ches Ge­hör (Art. 107 Abs. 1 lit. b StPO). Es kann nur un­ter den ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen (vgl. Art. 108, Art. 146 Abs. 4 und Art. 149 Abs. 2 lit. b StPO; s. auch Art. 101 Abs. 1 StPO) ein­ge­schränkt wer­den (vgl. Bot­schaft StPO, S. 1187). Be­wei­se, die in Ver­let­zung von Art. 147 Abs. 1 StPO er­ho­ben wor­den sind, dür­fen nicht zu­las­ten der Par­tei ver­wer­tet wer­den, die nicht an­we­send war (Art. 147 Abs. 4 StPO). Zwi­schen Kon­fron­ta­ti­ons­ein­ver­nah­men meh­re­rer Per­so­nen (Art. 46 Abs. 2 StPO) und der Teil­nah­me an par­tei­öf­fent­li­chen Ein­zel­be­fra­gun­gen mit dem Recht, dem ein­zeln Be­frag­ten in der Fol­ge Er­gän­zungs­fra­gen zu stel­len (Art. 147 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 146 Abs. 1 StPO), ist im Üb­ri­gen zu dif­fe­ren­zie­ren (Ur­teil 1B_264/2012 E. 4.2). Die in Art. 146 Abs. 1 StPO ver­an­ker­te Ver­fah­rens­re­gel der "ge­trenn­ten" Ein­ver­nah­me bil­det kei­ne selbst­stän­di­ge ge­setz­li­che Aus­nah­me zu den spe­zi­fi­schen Par­tei­rech­ten nach Art. 147 Abs. 1 StPO. Ein prin­zi­pi­el­ler Teil­nah­me­an­spruch be­schul­dig­ter Per­so­nen wird denn auch von der über­wie­gen­den Li­te­ra­tur so­wie von der ba­sel­städ­ti­schen, Ber­ner und Waadt­län­der Ge­richts­pra­xis zu­tref­fend be­jaht (vgl. da­zu Ur­teil 1B_264/2012 E. 5.1-5.3).

2.2 Ge­gen­über be­reits staats­an­walt­schaft­lich zu den Tat­vor­wür­fen ein­ver­nom­me­nen Be­schul­dig­ten drängt sich nach der Pra­xis des Bun­des­ge­rich­tes auch kei­ne Be­schnei­dung der Par­tei­rech­te im Lich­te von Art. 101 Abs. 1 Satz 1 StPO mehr auf. Ein Aus­schluss der in Art. 147 Abs. 1 StPO ge­währ­leis­te­ten Par­tei­öf­fent­lich­keit kä­me hier grund­sätz­lich nur noch ge­stützt auf Art. 108 Abs. 1 lit. a StPO in Fra­ge (vgl. zur amtl. Pu­bli­ka­ti­on be­stimm­tes Ur­teil 1B_264/2012 E. 5.5.6-5.5.11).

2.3 Bei noch nicht ein­schlä­gig ein­ver­nom­me­nen Be­schul­dig­ten kann die Staats­an­walt­schaft hin­ge­gen - ähn­lich wie bei der Ak­ten­ein­sicht nach Art. 101 Abs. 1 Satz 1 StPO - im Ein­zel­fall prü­fen, ob sach­li­che Grün­de für ei­ne vor­läu­fi­ge Be­schrän­kung der Par­tei­öf­fent­lich­keit be­ste­hen. Sol­che Grün­de lie­gen ins­be­son­de­re vor, wenn im Hin­blick auf noch nicht er­folg­te Vor­hal­te ei­ne kon­kre­te Kol­lu­si­ons­ge­fahr ge­ge­ben ist. Falls die Be­fra­gung von Mit­be­schul­dig­ten sich auf un­ter­such­te Sach­ver­hal­te be­zieht, wel­che den (noch nicht ein­ver­nom­me­nen) Be­schul­dig­ten per­sön­lich be­tref­fen, und zu de­nen ihm noch kein Vor­halt ge­macht wer­den konn­te, darf der Be­schul­dig­te von der Teil­nah­me aus­ge­schlos­sen wer­den (vgl. zur amtl. Pu­bli­ka­ti­on be­stimm­tes Ur­teil 1B_264/2012 E. 5.5.2-5.5.5).

2.4 Wie sich aus den Ak­ten er­gibt (ins­be­son­de­re dem Haft­ver­län­ge­rungs­ent­scheid des Zwangs­mass­nah­men­ge­richts des Kan­tons Aar­gau vom 26. Ju­ni 2012), wur­de der Be­schwer­de­füh­rer am 29. März 2012 ver­haf­tet und am 31. März 2012 vom Zwangs­mass­nah­men­ge­richt in Un­ter­su­chungs­haft ver­setzt. Nach sei­ner po­li­zei­li­chen Ver­haf­tung wur­de er mehr­mals, so­wohl po­li­zei­lich als auch staats­an­walt­lich, zu den Tat­vor­wür­fen (He­ro­in­han­del) ein­ver­nom­men (vgl. Art. 219 Abs. 2 und Art. 224 Abs. 1 StPO). Da­mit ist kein Aus­schluss­grund im Sin­ne von Art. 101 Abs. 1 Satz 1 StPO mehr er­sicht­lich (vgl. zur amtl. Pu­bli­ka­ti­on be­stimm­tes Ur­teil 1B_264/2012 E. 5.5.2-5.5.5). Eben­so we­nig wird von den kan­to­na­len In­stan­zen ein dro­hen­der Rechts­miss­brauch (im Sin­ne von Art. 108 Abs. 1 lit. a StPO) oder ein an­de­rer ge­setz­li­cher Aus­schluss­grund dar­ge­tan (vgl. Ur­teil 1B_264/2012 E. 5.5.6-5.5.11). Nach dem Ge­sag­ten ist die Be­schwer­de in die­sem Punkt teil­wei­se gut­zu­heis­sen und dem Be­schwer­de­füh­rer (so­wie sei­nem Ver­tei­di­ger) die Teil­nah­me an den frag­li­chen Be­weis­er­he­bun­gen zu er­mög­li­chen.

3.

Wei­ter ficht der Be­schwer­de­füh­rer ei­nen straf­pro­zes­sua­len Zwi­schen­ent­scheid be­tref­fend In­an­spruch­nah­me ei­nes amt­li­chen Dol­met­schers an.

3.1 Strei­tig ist hier nicht die Fra­ge, ob die Ver­tei­di­gung (für die In­struk­ti­ons­ge­sprä­che mit dem Be­schwer­de­füh­rer) über­haupt ei­nen Dol­met­scher bei­zie­hen kann und ob da­für Kos­ten­gut­spra­che er­teilt wird. Die kan­to­na­len In­stan­zen ha­ben dies­be­züg­lich kei­ne Ge­su­che des Be­schwer­de­füh­rers ab­schlä­gig be­han­delt. Strei­tig ist le­dig­lich des­sen An­trag, der glei­che Dol­met­scher, der für amt­li­che Un­ter­su­chungs­hand­lun­gen bei­ge­zo­gen wur­de bzw. wird, sei auch für In­struk­ti­ons­ge­sprä­che zwi­schen der Ver­tei­di­gung und dem Be­schwer­de­füh­rer auf­zu­bie­ten. Die kan­to­na­len In­stan­zen stel­len sich auf den Stand­punkt, die Ver­tei­di­gung ha­be zu die­sem Zweck ei­nen "ei­ge­nen" Dol­met­scher bei­zu­zie­hen. Die Kos­ten für die­se Über­set­zung sei­en der Ver­tei­di­gung als not­wen­di­ge Aus­la­gen zu er­set­zen (vgl. Art. 422 Abs. 2 lit. b StPO). Hin­ge­gen tref­fe die Ver­fah­rens­lei­tung kei­ne Ver­pflich­tung, den von ihr be­stell­ten amt­li­chen Über­set­zer auch der Ver­tei­di­gung für de­ren in­ter­ne In­struk­ti­on mit ih­rer Man­dant­schaft zur Ver­fü­gung zu stel­len.

3.2 Der Be­schwer­de­füh­rer ver­langt, der amt­li­che Dol­met­scher sei ihm "auch für die un­mit­tel­bar vor und wäh­rend der Ein­ver­nah­me not­wen­di­gen In­struk­tio­nen mit dem Ver­tei­di­ger zur Ver­fü­gung zu stel­len". Für die frag­li­chen (kur­zen) Ver­fah­rens­vor­gän­ge ha­be sein Ver­tei­di­ger bis­her kei­nen ei­ge­nen Über­set­zer fin­den kön­nen. In­dem sie den amt­li­chen Dol­met­scher hier nicht bei­zo­gen, hät­ten die kan­to­na­len In­stan­zen ei­ne aus­rei­chen­de In­struk­ti­on bzw. Ver­tei­di­gung ver­hin­dert und Art. 68 Abs. 1 StPO ver­letzt. Dem Ge­such sei auch aus "pro­zess­öko­no­mi­schen" Grün­den zu fol­gen.

3.3 Wie sich aus den nach­fol­gen­den Er­wä­gun­gen er­gibt, kann of­fen blei­ben, ob die Ab­leh­nung des frag­li­chen An­tra­ges zu ei­nem nicht wie­der gut­zu­ma­chen­den Rechts­nach­teil des Be­schwer­de­füh­rers (im Sin­ne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) füh­ren könn­te. Die in die­sem Zu­sam­men­hang er­ho­be­nen ma­te­ri­el­len Rü­gen er­wei­sen sich je­den­falls als un­be­grün­det:

3.4 Ver­steht ei­ne am Ver­fah­ren be­tei­lig­te Per­son die Ver­fah­rens­spra­che nicht oder kann sie sich dar­in nicht ge­nü­gend aus­drü­cken, so zieht die Ver­fah­rens­lei­tung ei­ne Über­set­ze­rin oder ei­nen Über­set­zer bei (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 StPO). Das Ge­setz ge­währt in­des­sen kei­nen An­spruch auf per­so­nel­le "Iden­ti­tät" zwi­schen die­sem amt­li­chen Dol­met­scher (der ins­be­son­de­re Ein­ver­nah­men über­setzt) und ei­nem Über­set­zer von In­struk­ti­ons­ge­sprä­chen der Ver­tei­di­gung. Et­was an­de­res ist auch der ein­schlä­gi­gen Li­te­ra­tur nicht zu ent­neh­men (vgl. Da­nie­la Brü­schwei­ler, in: Zür­cher Kom­men­tar StPO, Zü­rich 2010, Art. 68 N. 5; Ni­k­laus Schmid, Schwei­ze­ri­sche Straf­pro­zess­ord­nung, Pra­xis­kom­men­tar, Zü­rich 2009, Art. 68 N. 4; Adri­an Ur­wy­ler, in: Bas­ler Kom­men­tar StPO, Ba­sel 2011, Art. 68 N. 8 in fi­ne). Eben­so we­nig lies­se sich ein sol­cher An­spruch aus den Grund­rech­ten des Be­schul­dig­ten ab­lei­ten. Im Ge­gen­teil spre­chen re­gel­mäs­sig ge­wich­ti­ge sach­li­che Grün­de da­ge­gen, dass der glei­che Dol­met­scher, der die ver­trau­li­chen In­struk­ti­ons­ge­sprä­che (zwi­schen der Ver­tei­di­gung und dem Be­schul­dig­ten) über­setzt hat, auch noch als amt­li­cher Dol­met­scher die förm­li­chen Ein­ver­nah­men über­setzt. Dem ste­hen na­ment­lich das Ver­tei­di­gungs­ge­heim­nis ent­ge­gen so­wie das Ge­bot der pro­zes­sua­len Wahr­heits­fin­dung bzw. der Ver­mei­dung von In­ter­es­sen­kol­li­sio­nen (vgl. Art. 139 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 so­wie Art. 56 lit. b und lit. f i.V.m. Art. 68 Abs. 5 StPO).

3.5 Ent­ge­gen der An­sicht des Be­schwer­de­füh­rers gilt dies auch für Ab­spra­chen zwi­schen der Ver­tei­di­gung und dem Be­schul­dig­ten "un­mit­tel­bar vor" Ein­ver­nah­men (oder in Ein­ver­nah­me­pau­sen). "Wäh­rend der Ein­ver­nah­me" fin­den kei­ne ver­trau­li­chen In­struk­ti­ons­ge­sprä­che statt, son­dern hat der amt­li­che Dol­met­scher die Be­fra­gung zu über­set­zen. Falls die Ver­tei­di­gung fak­ti­sche Schwie­rig­kei­ten ha­ben soll­te, ei­nen (se­pa­ra­ten) ge­eig­ne­ten Über­set­zer für ih­re In­struk­ti­ons­ge­sprä­che mit der Man­dant­schaft zu fin­den, stün­de es ihr frei, bei der Ver­fah­rens­lei­tung um ei­ne amt­li­che Lis­te ge­eig­ne­ter Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher nach­zu­fra­gen (vgl. Art. 183 Abs. 1 i.V.m. Art. 68 Abs. 5 StPO). Dass ein sol­ches Be­geh­ren vom Be­schwer­de­füh­rer oder sei­nem Ver­tei­di­ger ge­stellt und von der Staats­an­walt­schaft ab­ge­lehnt wor­den wä­re, wird nicht vor­ge­bracht. Die Vor­in­stanz er­wägt in die­sem Zu­sam­men­hang mit Recht, dass für Über­set­zun­gen zwi­schen der deut­schen und der al­ba­ni­schen Spra­che ei­ne ge­nü­gen­de An­zahl an qua­li­fi­zier­ten Dol­met­schern zur Aus­wahl ste­hen soll­te.

4.

Zu­sam­men­fas­send er­gibt sich, dass die Be­schwer­de teil­wei­se gut­zu­heis­sen ist. Der Be­schwer­de­füh­rer und sein Ver­tei­di­ger sind zu den frag­li­chen Ein­ver­nah­men zu­zu­las­sen. Im Üb­ri­gen ist die Be­schwer­de ab­zu­wei­sen, so­weit dar­auf ein­ge­tre­ten wer­den kann.

Da auch der Kos­ten­punkt des kan­to­na­len Ver­fah­rens neu zu re­geln sein wird, ist der an­ge­foch­te­ne Ent­scheid auf­zu­he­ben und die Sa­che an die Vor­in­stanz zu­rück­zu­wei­sen zur Neu­be­ur­tei­lung des Kos­ten­punk­tes und zur An­ord­nung der Zu­las­sung zu den frag­li­chen Ein­ver­nah­men. Die von der Vor­in­stanz ab­schlä­gig ent­schie­de­ne Fra­ge ei­ner all­fäl­li­gen Ent­fer­nung von Ein­ver­nah­me­pro­to­kol­len aus den Un­ter­su­chungs­ak­ten wur­de in der Be­schwer­de­schrift nicht mehr auf­ge­wor­fen; eben­so we­nig wur­den dies­be­züg­lich An­trä­ge ge­stellt. In die­sem Punkt ist der an­ge­foch­te­ne Ent­scheid in Rechts­kraft er­wach­sen.

Da der an­walt­lich ver­tre­te­ne Be­schwer­de­füh­rer in der Haupt­sa­che ob­siegt, hat er An­spruch auf ei­ne an­ge­mes­se­ne Par­tei­ent­schä­di­gung (Art. 68 BGG). Auf­grund sei­nes Ge­su­ches um un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge ist dem Of­fi­zi­al­ver­tei­di­ger die Par­tei­ent­schä­di­gung per­sön­lich zu­zu­spre­chen. Da der ge­sam­te Auf­wand des Rechts­ver­tre­ters über die zu­ge­spro­che­ne Par­tei­ent­schä­di­gung ge­deckt wer­den kann, ist ihm im Rah­men des Ge­su­ches um un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge kei­ne wei­te­re Ent­schä­di­gung (aus der Bun­des­ge­richts­kas­se) zu­zu­spre­chen (Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BGG). Ge­richts­kos­ten sind nicht zu er­he­ben (Art. 66 Abs. 4 und Art. 64 Abs. 1 BGG).

Dem­nach er­kennt das Bun­des­ge­richt:

1.

Die Be­schwer­de wird teil­wei­se gut­ge­heis­sen.

2.

Der Ent­scheid vom 22. Mai 2012 des Ober­ge­richts des Kan­tons Aar­gau, Be­schwer­de­kam­mer in Straf­sa­chen, wird auf­ge­ho­ben. Die Sa­che wird an die Vor­in­stanz zu­rück­ge­wie­sen zur Zu­las­sung des Be­schwer­de­füh­rers und sei­nes Ver­tei­di­gers zu den frag­li­chen Ein­ver­nah­men so­wie zur Neu­re­ge­lung des Kos­ten­punk­tes des kan­to­na­len Ver­fah­rens. Was die im kan­to­na­len Ver­fah­ren ab­schlä­gig ent­schie­de­ne Ent­fer­nung von Ein­ver­nah­me­pro­to­kol­len aus den Un­ter­su­chungs­ak­ten be­trifft, ist der an­ge­foch­te­ne Ent­scheid in Rechts­kraft er­wach­sen.

3.

Im Üb­ri­gen wird die Be­schwer­de ab­ge­wie­sen, so­weit auf sie ein­zu­tre­ten ist.

4.

Es wer­den kei­ne Ge­richts­kos­ten er­ho­ben.

5.

Der Kan­ton Aar­gau hat ei­ne Par­tei­ent­schä­di­gung von Fr. 2'000.-- (pau­schal, inkl. MWST) an Rechts­an­walt Ke­n­ad Me­lu­no­vic zu ent­rich­ten.

6.

Die­ses Ur­teil wird dem Be­schwer­de­füh­rer, der Staats­an­walt­schaft Brugg-Zurzach und dem Ober­ge­richt des Kan­tons Aar­gau, Be­schwer­de­kam­mer in Straf­sa­chen, schrift­lich mit­ge­teilt.

Lau­sanne, 4. De­zem­ber 2012

Im Na­men der I. öf­fent­lich-recht­li­chen Ab­tei­lung

des Schwei­ze­ri­schen Bun­des­ge­richts

Der Prä­si­dent: Fon­jal­laz

Der Ge­richts­schrei­ber: Fors­ter

 

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