Filmen von Polizisten – erlaubt oder verboten?

April 2016

Ste­fan Mül­ler-Rö­mer und Alex­an­der Fal­len­stein, me­di­en­rechts­an­wäl­te.de

Mit Be­schluss vom 24.07.2015 (Az.: 1 BvR 2501/13) hat das BVerfG ent­schie­den, dass das Fil­men von Po­li­zis­ten bei ei­ner Ver­samm­lung die Po­li­zei nicht oh­ne wei­te­res da­zu be­rech­tigt, die Iden­ti­tät des Fil­men­den fest­zu­stel­len.

Der Be­schwer­de­füh­rer be­fand sich im Ja­nu­ar 2011 auf ei­ner an­ge­mel­de­ten Ver­samm­lung, bei der die Po­li­zei Ton- und Bild­auf­nah­men der Ver­samm­lungs­teil­neh­mer an­fer­tig­te. Sei­ne Be­glei­te­rin er­weck­te den Ein­druck, als fil­me sie ih­rer­seits die Po­li­zis­ten. Dar­auf­hin wur­de der Be­schwer­de­füh­rer von der Po­li­zei auf­ge­for­dert, sich aus­zu­wei­sen. Dies tat er auch, al­ler­dings er­hob er spä­ter ge­gen die­se po­li­zei­li­che Mass­nah­me Kla­ge vor dem Ver­wal­tungs- und Ober­ver­wal­tungs­ge­richt, die oh­ne Er­folg blieb.

Die Rich­ter des BVerfG sa­hen in der Iden­ti­täts­fest­stel­lung ei­nen rechts­wid­ri­gen Ein­griff in das Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung des Be­schwer­de­füh­rers nach Art. 2 Abs. 1 in Ver­bin­dung mit Art. 1 Abs. 1 GG und ho­ben die Ent­schei­dun­gen der Ver­wal­tungs­ge­rich­te auf.

Das Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung ist das Recht des Ein­zel­nen, grund­sätz­lich selbst über die Preis­ga­be und Ver­wen­dung sei­ner per­so­nen­be­zo­ge­nen Da­ten zu be­stim­men.

Als Be­grün­dung für die Auf­he­bung der Ent­schei­dun­gen der Ver­wal­tungs­ge­rich­te führ­te das BVerfG an, dass die Iden­ti­täts­fest­stel­lung zwar grund­sätz­lich ei­nen ge­rin­gen Ein­griff in das Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung des Be­schwer­de­füh­rers dar­stel­le, da sie we­der heim­lich noch an­lass­los er­folg­te so­wie die Per­sön­lich­keits­re­le­vanz der im Zu­sam­men­hang mit der Iden­ti­täts­fest­stel­lung er­ho­be­nen In­for­ma­tio­nen von vorn­her­ein be­grenzt sei. Nichts­des­to­trotz müs­se die Iden­ti­täts­fest­stel­lung im Ein­zel­fall ver­fas­sungs­recht­lich ge­recht­fer­tigt sein.

Vor­aus­set­zung für ein prä­ven­ti­ves Vor­ge­hen der Po­li­zei ge­gen Ton- und Bild­auf­nah­men ist das Vor­lie­gen ei­ner kon­kre­ten Ge­fahr für ein po­li­zei­li­ches Schutz­gut. Ob ei­ne sol­che Ge­fahr vor­liegt, ist an­hand der Um­stän­de des Ein­zel­falls zu be­ur­tei­len.

Aus Sicht der Po­li­zei lag ei­ne sol­che kon­kre­te Ge­fahr vor, da sie da­von aus­gin­gen, dass die Film­auf­nah­men der Freun­din des Be­schwer­de­füh­rers zum Zwe­cke der spä­te­ren Ver­brei­tung an­ge­fer­tigt wur­den und da­her ei­ne Ver­let­zung des Rechts am ei­ge­nen Bild nach § 33 Abs. 1 KUrhG zu be­fürch­ten ge­we­sen sei.

Die­ser An­sicht folg­ten die Ver­wal­tungs­ge­rich­te und be­grün­de­ten dies da­mit, dass ein an­de­rer Grund für das Fil­men für die Po­li­zei­be­am­ten nicht er­sicht­lich ge­we­sen sei.

Die­ser Rechts­auf­fas­sung wi­der­sprach das BVerfG deut­lich und führ­te als Be­grün­dung an, dass die Ver­wal­tungs­ge­rich­te in ih­ren Ent­schei­dun­gen ver­ken­nen wür­den, dass der An­lass für die Auf­nah­men dar­in lag, dass die Po­li­zei­be­am­ten selbst Ton- und Bild­auf­nah­men von den Ver­samm­lungs­teil­neh­mern an­fer­tig­ten. Lie­ge ei­ne sol­che Si­tua­ti­on vor, kön­ne nicht oh­ne nä­he­re Be­grün­dung von ei­ner kon­kre­ten Ge­fahr für das po­li­zei­li­che Schutz­gut aus­ge­gan­gen wer­den.

Viel­mehr müs­se ge­prüft wer­den, ob tat­säch­lich ei­ne von § 33 Abs. 1 KUrhG sank­tio­nier­te Ver­brei­tung oder öf­fent­li­che Zur­schau­stel­lung der Auf­nah­men zu er­war­ten sei oder ob es sich bei den Auf­nah­men le­dig­lich um ei­ne Re­ak­ti­on auf die von den Po­li­zei­be­am­ten an­ge­fer­tig­ten Auf­nah­men, et­wa zur Be­weis­si­che­rung für mög­li­che Rechts­strei­tig­kei­ten, han­delt.

Die Ent­schei­dung des BVerfG ist in Zei­ten mas­siv zu­neh­men­der Über­wa­chung und zu häu­fig rechts­wid­rig han­deln­der Po­li­zei­be­am­ten wich­tig. Sie schlägt ei­nen Pflock für rechts­staats­kon­for­mes Ver­hal­ten ein.

Auch soll­te sie je­der­mann ver­an­las­sen, nicht al­le Mass­nah­men der Po­li­zei ein­fach hin­zu­neh­men, erst Recht nicht, be­vor die Not­wen­dig­keit ei­ner sol­chen Mass­nah­me nicht nä­her be­grün­det wird.

Bil­der von Po­li­zei­be­am­ten bei der Ar­beit dür­fen - vor al­lem zu Be­weis­zwe­cken - je­der­zeit an­ge­fer­tigt wer­den. Die im­mer wie­der von Be­am­ten zu hö­ren­de Aus­sa­ge „Sie dür­fen mich nicht fil­men“ ist schlicht falsch.

Die Po­li­zei nimmt ei­ne sen­si­ble und wich­ti­ge Auf­ga­be in un­se­rem Staat wahr und darf des­we­gen von Amts we­gen so­gar Ge­walt an­wen­den. Selbst­ver­ständ­lich un­ter­liegt des­we­gen ge­ra­de die Po­li­zei ei­ner be­son­ders stren­gen Rechts­staats­kon­trol­le, was da­zu führt, dass ge­ra­de die Be­am­ten bei der Ar­beit auch ge­filmt wer­den dür­fen. Po­li­zei­be­am­ten müs­sen sich bei ih­rer Dienst­aus­übung im­mer (!) vor­bild­lich und rechts­kon­form ver­hal­ten. Ist dies nicht der Fall, ist es so­gar wün­schens­wert, dass Bür­ger dies bild­lich fest­hal­ten, um die „schwar­zen Scha­fe“, von de­nen es lei­der zu vie­le gibt, zur Ver­ant­wor­tung zie­hen zu kön­nen.

Im Re­gel­fall soll­ten auch Auf­nah­men von Po­li­zei­be­am­ten, wenn sie denn ins Netz ge­stellt wer­den, so ver­pi­xelt wer­den, dass die Be­am­ten nicht zu er­ken­nen sind, weil auch Po­li­zei­be­am­ten grund­sätz­lich ein Recht am ei­ge­nen Bild ha­ben. Al­ler­dings ist die­ses Recht im Rah­men ih­rer ho­heit­li­chen Tä­tig­keit ein­ge­schränkt, weil sie eben als Po­li­zei­be­am­te we­gen ih­rer Auf­ga­be au­to­ma­tisch in der Öf­fent­lich­keit ste­hen. Bei z.B. ge­walt­tä­ti­gen Über­grif­fen auf De­mons­tran­ten wür­de ei­ne ver­stän­di­ge In­ter­es­sen­ab­wä­gung da­zu füh­ren müs­sen, dass sol­che Bil­der auch un­ver­pi­xelt ver­öf­fent­licht wer­den dür­fen, um die Er­mitt­lung der Tä­ter zu er­mög­li­chen.

 

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